Das Ende des Askese

KLEVE. Ausgeräumt war gestern. Das Museum Kurhaus Kleve (mkk) füllt sich mit Objekten – peu à peu. Der Gedanke: Museen sollen Orte für die Kunst sein, aber keine künstlichen Orte. Was zu beweisen wäre …

Ein Ort auch für Familien

Am Sonntag um 14 Uhr übernimmt „Hotmamahot“ das Regiment in der Pinakothek. Susanne Figner, Kuratorin von „Hausputz“: „Unser Museum soll – und das nicht nur am Sonntag – auch ein Ort für Familien sein.“ Das ist schnell gesagt, aber Museumswirklichkeiten sehen – nicht nur im Kurhaus – auch schon mal anders aus: Eine „Bittenichtberühren!“ hier, ein „Bittenurflüstern!“ dort, oder „Bittenichtlaufen!“ Natürlich: all das hat seinen tieferen Sinn – zumindest die Sache mit dem Anfassen, aber: Ein Haus, in dem quasi nur hinter vorgehaltener Hand gelacht werden darf, ist nicht unbedingt ein Familienmagnet.

-Anzeige-

Cool

Und dann: „Hotmamahot“. Ungeahnte Begriffe tauchen auf: Susanne Figner: „Das Kollektiv aus Amsterdam realisiert coole Projekte, die Spaß machen sollen und die nur in Zusammenarbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen entstehen. Nach dem Motto ‚Make Art Together‘ haben sie in den letzten Jahren mit sämtlichen großen Museen in Amsterdam (Rijskmuseum, van Gogh Museum, Stedelijk) zusammengearbeitet.“ „Cool“ also und „Spaß machen“.

Einräumen, ausräumen, umräumen

Am Sonntag ist im Kurhaus irgendwie alles anders. „Hotmamahot“ aus Amsterdam haben ein Regal aufgebaut. Es hat beachtliche Ausmaße – durchmisst die Pinakothek und ist – noch – leer. Susanne Figner: „Morgen [das Gespräch fand drei Tage vor der Eröffnung statt; Anm. d. Red.]werden 1.000 Papierkartons geliefert.“ Aha. Und dann? „Dann können ab Sonntag diese Pappboxen bewegt werden.“ Einräumen, ausräumen, umräumen. Jeder darf ran. Und – vielleicht erwähnt man‘s mal kurz: Da steht ein kleiner Gabelstapler als Einräum-, Ausräum-, oder Umräumhilfe. Regal und Kartons werden bis Anfang Oktober im Museum bleiben und jeder, der möchte, kann – genau: einräumen, ausräumen, umräumen. Und noch was: Die Kartons: allesamt leer. Potenzieller Gedankenraum. Was da entsteht, hat keinen Endgültigkeitsanspruch, sondern ist Kunst in ständiger Veränderung. Und noch was: Fertig is nich. Alles kann sich – Ausnahme montags – täglich ändern. So viel mal für die Museumsnovizen: In einem Museum ist montags Ruhetag. Die Kunst muss sich vom Besuchtwerden erholen.

1.000 Schachteln und der Wurm ist drin

Zurück zu „Hotmamahot“: Da steht also ein Regal – da sind 1.000 Pappschachteln und jeder darf … genau: einräumen, ausräumen, umräumen. Man hört den Chor der Zweifler: Soll das Kunst sein? Jaha! Kunst, auch das kann eine Aufgabe sein, bildet Zustände ab. Es muss nicht immer alles unberührbar sein. Susanne Figner: „Am Sonntag wird auch noch ein DJ vor Ort sein und es wird Waffeln und Eis geben.“ Das klingt nach: Mansollteeinfachmalhingehenundgucken. Da steht ja nicht nur das Hotmamahotregal. Seit dem vergangenen Wochenende ist auch noch der Wurm drin – im Museum. Echt jetzt? Echt jetzt, denn in urnengleichen Gefäßen arbeiten – lautlos und unsichtbar – Würmer in der Humusproduktion. Das wiederum ist Teil eines Projektes von „Blockadia*Tiefsee“. Gleich daneben: Beete, in denen Kunstwerke ausgestellt sind. Daneben die Urnen: Worms at work …

Museum als Labor

Ausschnitt aus einer Arbeit der Priesträgerinnen des Werner Deutsch Preises für junge Kunst. NN-Foto: HF

Das Museum als Labor. Würmer hier, Regale dort und – on top: Die Preisträgerinnen des „Werner Deutsch Preises für Kunst“: Catherina Cramer und Giulietta Ockefuß. Am Sonntag um 11.30 Uhr wird die Preisverleihung stattfinden. Knapp 70 Bewerbungen wurden von einer dreiköpfigen Jury (Susanne Figner, Werner Steinecke, Harald Kunde) gesichtet, „und das Endergebnis war absolut klar“, erklärt Susanne Figner. „Die beiden Künstlerinnen arbeiten seit Jahren an der mehrteiligen Videoserie ‚Unleash the beast‘. Dabei werden Formate von Fernsehdokumentation und Spielfilm miteinander verbunden“. erklärt Figner und fügt hinzu: „Die Serie denkt die Geschichte der Evolution auf absurde Weise anders.“ Das Filmmaterial entstand während mehrmonatiger Recherche- und Arbeitsaufenthalte der Künstlerinnen in Mexiko. „In einer schrägen Tragikomödie wird die als unumstößlich geltende, herkömmliche Geschichte der Evolution hinterfragt.“
Nun denn: Gründe genug für einen Museumsbesuch – am besten am Sonntag. Um 11.30 Uhr ist Preisverleihung, um 14 Uhr beginnt die Aktion von „Hotmamahot“. Nicht vergessen: Kann Spaß machen …

Der Gabelstapler zum Regal. Für die Installation von ‘Hotmamahot’ im Kurhaus gilt am Sonntag: “Please do touch!” NN_Foto: HF
Vorheriger ArtikelPkw kommt von Straße ab – Fahrer schwer verletzt
Nächster ArtikelApenheul eröffnet neues Areal mit freilaufenden Affen