HOMMERSUM. Zwar ist das Kükentöten seit Januar vergangenen Jahres in Deutschland verboten, das Problem ist damit aber nicht behoben, hat sich die Praxis doch seither ins EU-Ausland verlagert. Dass es anders geht, zeigt exemplarisch für den ganzen Bioland-Verband der Geflügelhof Bodden in Goch. Über die Umsetzung am Standort in Hommersum haben sich nun auch Besucher von den Grünen informiert: unter anderem die Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Staatssekretärin beim BMEL Dr. Ophelia Nick, die Bundestagsabgeordnete Ulle Schauws und Landtagsmitglied Dr. Volkhard Wille.
Zum Einstieg in die Themen des Tages erfuhren die Gäste viel Wissenswertes über die Geschichte des Hofs: zum Beispiel, dass rund 19 Hektar Grünfläche zur Verfügung stehen und 100 Hektar Ackerfläche oder dass früher auch Gänse und noch heute Schafe gehalten werden.

Das Team um Jens und Andrea Bodden – mittlerweile hat mit der Enkeltochter übrigens die fünfte Generation das Licht der Welt erblickt – nutzte die Gelegenheit aber auch, um die Bedeutung des ökologischen Landbaus hervorzuheben. Sie wissen, wovon sie sprechen, habe man laut Jens Bodden doch selbst früher auf die konventionelle Zucht gesetzt, auf Käfige und alles, was dazugehört – mit negativen Folgen, etwa Fällen von Kannibalismus.
Auch wenn 80 Prozent der Weltbevölkerung durch kleine Bauern ernährt würde, sorge die Industrie bei den restlichen 20 Prozent für viele Probleme. Umso mehr steht für ihn fest: die Landwirtschaft gehört wieder verstärkt in bäuerliche Hand. So sollte es auch möglich sein, an den richtigen Stellschrauben zu drehen, um bestehende Missstände zu beheben – unter Mithilfe der Politik, wie er hofft.

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Bio durch und durch auf dem Geflügelhof Bodden

Zweinutzungshuhn
Auch ein Abstecher in den Kükenstall gehörte zum Besuch dazu

Vor mehr als 20 Jahren hat der Familienbetrieb selbst vollumfänglich auf den ökologischen Landbau umgestellt, „für mehr Freude im Stall“, wie Jens Bodden sagt – und seither immer wieder neue Veränderungen angestoßen: Seit 2015 ist der Hof zum Beispiel Zuchtstandort der Ökologischen Tierzucht (ÖTZ) GmbH und es erfolgten viele Umbauarbeiten, um den Anforderungen für mehr Auslauf und gleichzeitig den Hygienebestimmungen gerecht zu werden. Wichtige Schritte auch für die sogenannten „Zweinutzungshühner“, die in Zukunft als Alternative auf dem Hofe Bodden die Lege- und Mastrassen vollends ablösen sollen.
Praxisnah präsentierte sich der anschließende Besuch im Kükenaufzuchtstall. Anders als im Ausland wachsen auf dem Bodden-Hof, wie bei anderen Mitgliedern des Bioland-Verbands, auch die „Bruderhähne“ der eierlegenden Hennen mit auf. Zwar geht es später für viele dieser Tiere in andere Betriebe, rund 3.500 Legehennen hält man bei Bodden jedoch auch selbst – die Bruteier gelangen teils nach ganz Europa. „Das zeigt, was wir für ein Potenzial haben, von hier aus etwas verändern zu können“, sagt ÖTZ-Geschäftsführerin Inga Günther.

Das Zweinutzungshuhn als „Huhn der Zukunft“

Auf dem Hof Bodden haben die Tiere Platz, auch die Bruderhähne werden mit aufgezogen.

Vor allem mit den Zweinutzungshühnern unterstützt man auf dem Bodden-Hof eine Alternative zum Kükentöten: Während „Legerassen“ auf Legeleistung gezüchtet sind – die männlichen Küken wurden bzw. werden noch immer wegen des geringen und langsamen Fleischansatzes zumeist am ersten Lebenstag getötet oder werden nach einer Geschlechtsbestimmung im Ei aussortiert – geht es bei den „Mastrassen“ um den Fleischansatz. Die Zweinutzungshühner bieten hingegen eine ausgewogene Mischung aus Eier- und Fleischproduktion. Auf dem Geflügelhof Bodden setzen sich die Großelterntiere, die Basis für diese Zucht, aus den drei Rassen Whiterock, Newhamshire und Bresse Gauloires zusammen.

Damit eine Veränderung wie diese aber überhaupt möglich ist, muss natürlich auch die Bezahlung stimmen, zumal sich die Legeleistung etwas reduziert: Statt auf rund 330 Eier pro Jahr wie bei den Hochleistungstieren kommt ein Zweinutzungshuhn auf rund 230 Eier, dafür steigt aber auch die Vitalität der Tiere. Was das Fleisch angeht, kommt ein Tier der Mastrichtung auf 2,5 Kilogramm in sieben Wochen, beim Zweinutzungshuhn sind es 2,7 Kilo in 17 Wochen. Ein weiterer Vorteil hierbei: die Ernährung ist auch mit Nebenprodukten des Betriebs möglich sowie mit regionalem Futter, auf das man bei Bodden großen Wert legt.

Einen notwendigen Beitrag dazu, dass es sich rechnet, müssten auch die Kunden bereit sein zu leisten, wie Inga Günther beim anschließenden Besuch in der Zuchtstelle erläuterte. „50 Cent sollte ein Landwirt für ein Ei schon bekommen“, sagt sie und ergänzt: „Wir müssen in Summe weniger Fleisch und Eier essen, dann können wir auch mehr dafür bezahlen.“ Zumal zu viele tierische Eiweiße ohnehin nicht gesund seien.

Falsche Versprechen

Von besonders großer Bedeutung sei aber auch die Aufklärung, die Verbraucher müssten nämlich wissen, was hinter den Kulissen passiere und dass ihre Entscheidung einen Beitrag leiste, erklärte Inga Günther in Richtung Politik.

In diesem Sinne führte sie aus, dass das Label „Ohne Kükentöten“ in den meisten Fällen ein falsches Versprechen darstelle. Statt eigener Züchtungen würden nach dem Verbot des Kükentötens und der Einzeltier-Käfighaltung die Tiere mittlerweile einfach nach Deutschland importiert.

Auf Nachfrage der Vertreter aus der Politik, wie man noch helfen könne, gab Inga Günther die Idee mit auf den Weg, bestimmte Strukturen und Entwicklungen seitens der Betriebe auf Grundlage bestimmter Kriterien beziehungsweise eines optimalen Zustands zu bewerten und dementsprechend zu fördern.

Denn Veränderung, gibt die Zuchtexpertin zu bedenken, müsse auch aus der Produktion heraus geschehen.

Zur Förderung
Neben weiteren Maßnahmen hat das BMEL seit 2008 Fördermittel in Höhe von insgesamt rund 14,6 Millionen Euro für Vorhaben zur Nutzung von Hähnen der Legerassen zur Fleischproduktion („Bruderhähne“) und vor allem auch die Verwendung von „Zweinutzungshühnern“ zur Verfügung gestellt. Die Fördersumme schließt auch drei laufende Vorhaben ein, die sich auf Zweinutzungshühner beziehen und voraussichtlich in den Jahren 2025, 2026 bzw. 2028 abgeschlossen sein werden.
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