NIEDERRHEIN. Am 28. Februar findet zum 16. Mal der internationale Tag der Seltenen Erkrankungen (www.rarediseaseday.org) statt. Allein in Deutschland leben etwa vier Millionen Menschen mit einer Seltenen Erkrankung, weltweit sind es rund 300 Millionen. „Teilt eure Farben gemeinsam weltweit, denn Selten sind Viele“ ist in diesem Jahr das Motto des Aktionstages, der vor allem eines will: aufmerksam machen.

Pia war sieben Jahre alt, als ihre Eltern anfingen, sich Sorgen zu machen. Sie hatte plötzlich Schwierigkeiten beim Laufen, erbrach sich nach den Mahlzeiten. „Bis zu diesem Zeitpunkt war sie ein ganz normal entwickeltes Kind, wenn auch sehr zierlich“, blickt ihre Mutter Melanie Rogmann zurück. Pia verlor schnell an Gewicht, ihr Zustand wurde lebensbedrohlich. „Ich hatte das Gefühl, dass Pia körperlich gar nicht mehr in der Lage gewesen ist, zu kauen oder schlucken“, sagt ihre Mutter. Der Kinderarzt habe das als Hysterie abgetan. Helfen konnte er nicht. Auch andere Ärzte waren ratlos.

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In der Bonner Uniklinik fand sich schließlich ein Professor, der einen Verdacht hatte. Dieser bestätigte sich nach der Genanalyse: Pia leidet an Morbus Alexander, einer seltenen Erkrankung aus der Gruppe der Leukodystrophien. Es handelt sich um eine genetisch bedingte Störung, bei der eine fortschreitende Degeneration der Myelinschicht in Gehirn und Rückenmark auftritt. Eine Therapie gibt es nicht, die Behandlung erfolgt ausschließlich symptombezogen. „Die Ärzte sprechen von einem progredienten Verlauf“, sagt Melanie Rogmann: „Das heißt, es geht nur bergab.“

In den Alltag zurückfinden

 

Die kleine Pia leidet an Morbus Alexander. Ihre Lebensfreude gibt der Familie viel Kraft. Foto: privat

Für die fünfköpfige Familie, die in Kevelaer zuhause ist, war es nach der Diagnose schwer, wieder in den Alltag zurückzufinden. „Man fühlt sich hilflos“, erinnert sich Melanie Rogmann an das Frühjahr 2020. Damals war Pia bereits auf eine Magensonde angewiesen. Mit Hilfe einer engagierten Logopädin lernte das tapfere Mädchen, wieder selbstständig Nahrung aufzunehmen. Damit hatte keiner gerechnet. Ein Hoffnungsschimmer. „Danach haben wir gedacht: Vielleicht ist nichts unmöglich.“ Der eigentliche Antrieb war und ist aber Pia selbst. „Sie gibt uns Kraft“, sagt Melanie Rogmann und ist stolz: „Ich kenne keinen positiveren Menschen. Sie schafft es, die Situation einfach anzunehmen und nach vorn zu sehen.“ Und wenn es Pia gut gehe, dann gehe es auch dem Rest der Familie gut.
Was die Familie immer wieder rührt, ist die enorme Hilfsbereitschaft und Unterstützung. „Das fängt bei Freunden und Nachbarn an und reicht von der Schule über Ärzte bis zu Leuten, die wir durch den Verein kennenglernt oder die durch die Sozialen Medien Kontakt aufgenommen haben und helfen möchten.“

Die European Leukodystrophy Association

Über den Verein, die European Leukodystrophy Association (ELA), fand die Familie fundierte Informationen, kompetente Ansprechpartner (so etwa die Ärztin Steffi Dreha-Kulaczewski, die sich an der Kinderklinik Göttingen mit Leukodystrophien befasst) – und andere Betroffene. Pias Vater Thorsten ist mittlerweile auch selbst im Vorstand von ELA Deutschland aktiv. „Es ist wichtig, die Krankheit bekannt zu machen und die Forschung voranzutreiben“, weiß Melanie Rogmann, dass das ohne Lobbyarbeit und ein großes Netzwerk kaum möglich wäre. Aktuell befindet sich ein in den USA entwickeltes Medikament in Amsterdam in der klinischen Testphase. Eigentlich hätte Pia teilnehmen sollen. „Das ging aber nicht, weil sie dafür die niederländische Staatsbürgerschaft gebraucht hätte“, war die Enttäuschung groß. So bleibt es beim Versuch, die Lebensqualität zu verbessern.

Der Krankheit ein Gesicht geben

Seit zwei Jahren wird Pia mit Cortison behandelt. Heute ist sie zehn Jahre alt, etwa 1,16 Meter groß, wiegt um die 16 Kilo und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Familie kämpft weiter. Leukodystrophien bekannter zu machen, gehört für sie dazu. Um der Krankheit ein Gesicht zu geben, hat Melanie Rogmann im vergangenen Jahr einen Instagram-Account angelegt. „Das hat mich Überwindung gekostet“, sagt sie. Doch die Reaktionen hätten ihr Mut gemacht. Mut, den wohl alle Menschen gebrauchen können, die an einer Seltenen Erkrankung leiden. Infos/Kontakt zum Verein unter elaev.de, Pias Insta-Account unter @melanierogmann.

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