Holocaust-Überlebende Eva Weyl erzählt von ihren Erlebnissen im Durchgangslager Westerbork während der Nazi-Herrschaft. Foto: privat

GOCH. Erneut besuchte Eva Weyl das Collegium Augustinianum Gaesdonck in Goch, um vor den Schülern der neunten Klassen über ihre Kindheitserlebnisse im Judendurchgangslager Westerbork zu sprechen. Dieses Mal war der Besuch etwas Besonders.

Hervorzuheben sei hier der „Bevrijdingsdag“, der – wie bereits Direktor Peter Broeders in seiner Einführung hervorhob – der Festtag ist, an dem man in den Niederlanden die Befreiung von der nationalsozialistischen Besatzung feiert. Dies nahm Weyl zum Anlass, ihre Warnung auszusprechen, dass sich ein solches Unrecht, wie unter der Nazi-Herrschaft, nicht wiederholen dürfe. Diese Warnung äußerte sie ohne Groll, schließlich habe ihre Geschichte ein Happy End; eben weil sie und ihre Familie in Westerbork den Holocaust überleben konnten.

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Weyl berichtete vor den gebannt lauschenden Schülern von der Geschichte ihrer Familie. Ihr Vater ging in Kleve auf das heutige Freiherr-vom-Stein-Gymnasium und baute später mit seinem Bruder ein großes Textilkaufhaus auf. Bereits kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde ihren Eltern allerdings klar, dass man als Jude keine Zukunft in Deutschland hatte. So wurde Eva Weyl dann auch in Arnheim geboren. Es stellte sich aber heraus, dass die Flucht aus Deutschland nicht ausreichte. Nachdem die Deutschen die Niederlande überfallen hatten, wurden Juden nämlich auch dort systematisch verfolgt und deportiert. Für die meisten von ihnen war das Durchgangslager Westerbork nur eine kurze Zwischenstation. Einige der frühen Häftlinge, die etwa Funktionen in der Verwaltung oder dem lagereigenen Krankenhaus übernahmen, hatten jedoch die Möglichkeit länger zu bleiben.

Da der Kommandant des Lagers Westerbork, Albert Konrad Gemmecker, sich alle Mühe gab, um Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten, war dieses Lager weder von Gewalttaten noch von offener Grausamkeit geprägt und auch die Verpflegung war verhältnismäßig gut. Dadurch gelang es recht erfolgreich, die vereinzelten Gerüchte über die Todeslager im Osten zu entkräften, so dass jeden Dienstag aufs Neue Inhaftierte ohne Widerstand die Waggons nach Auschwitz oder Sobibor bestiegen. Auf dieser wirkmächtigen Täuschung lag ein Schwerpunkt des Vortrags. Hier kontrastierte Weyl ihre harmlosen Kindheitserinnerungen immer wieder mit dem, was ihre Eltern heimlich fürchteten, und den tragischen Schicksalen anderer Familien. Ein Beispiel für die grausame Schizophrenie des schönen Scheins bot eine Mutter, deren Frühgeborenes mit viel Aufwand im lagereigenen Krankenhaus gerettet wurde. Nachdem das Kind einigermaßen bei Kräften war, wurde es samt der Mutter nach Auschwitz deportiert und direkt nach der Ankunft vergast. Auch von vielen Schulkameraden der damals sechsjährigen Eva hieß es im Lager von einem auf den nächsten Tag morgens in der Schule: „Der ist mit dem Zug weg.“

Dennoch konnte Familie Weyl das Lager durch glückliche Fügung überstehen, weswegen Eva Weyl heute noch in der Lage ist, für die Vielen, die den Holocaust nicht überlebt haben, zu sprechen und vor Antisemitismus und rechtsextremen Einstellungen zu warnen. In diesem Sinne soll auch der Fernsehbeitrag ihrem Ziel dienen, aus möglichst vielen jungen Menschen „Zweitzeugen“ zu machen, die diese Warnung weitertragen können, wenn es irgendwann keine direkten Überlebenden mehr gibt. Dass dies bei den Gaesdoncker Schülern auf fruchtbaren Boden fiel, konnte man an den vielen interessierten Nachfragen und der angeregten Teilnahme an der anschließenden Gesprächsrunde erkennen.
Dabei gab Eva Weyl auch zu, dass ihr persönlicher „Bevrijdingsdag“ eigentlich der 12. Mai sei, da dann nämlich erst das Lager Westerbork von kanadischen Soldaten befreit wurde.

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