Ich bin kein Künstler – ich bin Fotograf“, sagt Jürgen Schadeberg, dessen Ausstellung „Viva Europa Viva!“ noch bis zum 5. Juni im Museum Goch zu sehen ist. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

GOCH. „Ich bin Fotograf“, sagt Jürgen Schadeberg und verlängert den Satz: „Ich bin Fotograf – nicht Künstler.“ Ein Foto ist unmittelbar nach dem Entstehen bereits (ein Teil der) Geschichte – Teil des Gewesenen. Das Foto, sagt Schadeberg, ist nur das Ergebnis des Vorgedachten. Wenn es belichtet wird, ist es längst Vergangenheit.

Fotografie ist für Schadeberg das Entgegennehmen von Augenblicken. „Die Bilder erwarten mich“, sagt er. Er ist nicht der Komponist – nicht der, der stellt und das Wirkliche zu etwas Höherem umarrangiert. Fotografie ist Dokumentation und so kommen Schadebergs Bilder skizzenhaft daher – im besten Sinne unfertig, ungehobelt. Sie finden ihre Bestimmung erst im Auge des Betrachters.

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„Viva Europa Viva – The People of Europe“ heißt die Ausstellung, die bis zum 5. Juni im Museum Goch zu sehen ist und dem Werk von Jürgen Schadeberg, Jahrgang 1931, gewidmet ist. Rund 150 Arbeiten sind zu sehen – Arbeiten die ein Portrait Europas herstellen. Es ist nicht das Europa der Sehenswürdigkeiten, nicht das Europa der Geschichte. Schadebergs Europa ist ein Europa der Menschen. Europa ist die Summe des Gelebten. Schadeberg ist kein Mann der Serie. „Es geht ihm um einen schnellen, instinktiven Zugriff auf Situationen“, sagt Museumsdirektor Dr. Stephan Mann. Es gibt Fotografen, die die Ewigkeit als Moment inszenieren. Schadebergs Bilder zeigen, dass Kleinigkeiten den visuellen Zugriff auf das Ewige ermöglichen. Alles speist sich aus dem Leben, das wiederum Erleben ist. Kaum ein menschenleeres Bild lässt sich finden – alles ist Handeln. Schadebergs Bilder sind Miterlebnisse: Menschen am Strand, beim Essen, beim Feiern, Genießen. Schadebergs Bilder machen den Hingucker kaum je zum Voyeur, sie bitten um Rekonstruktion, sprechen Erlebnisse im eigenen Leben an. Alles ist wundersam bekannt, weil man all das selbst erlebt, selbst gesehen hat. Schadebergs Bilder scheinen irgendwie geheimnisfrei, sind leicht zugänglich, wirken lapidar – nicht zu Ende gedacht. Aber eben hier scheint das Programm zu liegen – es ist die Aufforderung zum Nacherleben einerseits und die Chance zum Erinnern andererseits. Schadebergs Bilder sind nicht die Bilder eines anderen – irgendwie steht man vor ihnen und erlebt die Illusion, man sei selbst dort gewesen und habe wohlmöglich selbst auf den Auslöser gedrückt. Schadeberg feiert den Moment, ist ein Liebhaber des offenen Endes. Alles ist irgendwie ganz normal.

Schadeberg ist einer, der viel gesehen und viel erlebt hat. 1931 in Berlin geboren „absolvierte er bereits als Jugendlicher ein Praktikum bei der Deutschen Presseagentur in Hamburg“, heißt es im Begleittext. Schon scheint sich Schadebergs Blick auf die Welt zu entschlüsseln. Es ist der Blick eines Berichterstatters. „Ich bin Fotograf und nicht Künstler“, sagt Schadeberg und man beginnt zu ahnen, was er meint. Schadeberg hat die Welt gesehen, lebte in Südafrika, arbeitete dort als Cheffotograf der Lifestyle Zeitschrift „Drum Magazine“. Was in der Gocher Ausstellung zu sehen ist, sind Bilder fernab des Lifestyles, wie er heute buchstabiert wird.
Schadeberg lebte in London und arbeitete in den 70-er Jahren für namhafte Zeitschriften in Europa und Amerika. Er lehrte an der New School in New York und der Central School of Art & Design in London, an der Hamburger Kunsthochschule.

All das verschwindet hinter den Bildern – es tut nichts zur Sache. Schadebergs „Viva Europa Viva!“ ist ein Schaufenster ins Normale. Nicht mehr. Nicht weniger. Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 5. Juni. Der Katalog „Viva Europa Viva!“ (155 Seiten) kostet 37 Euro.

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