NIEDERRHEIN. Der Klimawandel nimmt zunehmend an Fahrt auf. Für unzählige Bereiche der Gesellschaft bedeutet das vor allem eines: Anpassung. Auch Friedhöfe sind davon nicht ausgenommen. Welche Veränderungen hier im Raum stehen, das weiß Kirill Smirnov, Inhaber von Blumen Velmans in Geldern.

Wenn er von den aktuellen Entwicklungen spricht, fällt schnell das Wort „Kampf“: „Bestimmte Bodendecker sind früher überall gewachsen, jetzt tun sie das nicht mehr. Sobald die Sonne knallt, verbrennen sie sofort“, erläutert Kirill Smirnov. Das gelte zum Beispiel für die Waldsteinia, aber auch Beetpflanzen wie Fuchsien und Petunien, früher Gang und Gäbe, seien heute viel seltener geworden. Sicherlich: Wenn es später ausreichend regnet, erholen sich die meisten Pflanzen wieder. Wenn sich die sattgrünen Gräber der Liebsten den Sommer über aber in ein tristes Braun färben, ist das nicht im Sinne der Angehörigen oder der Friedhofskultur im Allgemeinen. Angesichts dessen entscheiden sich sogar immer mehr Menschen dazu, komplett auf eine Sommerbepflanzung verzichten.

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Die Gärtner denken um

Daher bemühen sich Friedhofsgärtner bereits, Ersatz zu finden, der mit den neuen Bedingungen zurechtkommt. Der weniger durstige Thymian oder Sedum-Arten beispielsweise könnten solch ein Ersatz sein, kommen sie doch besser mit der Trockenheit zurecht. Die Theorie allein reicht dabei aber nicht: Wie gut sich die Pflanzen langfristig schlagen, muss immer erst der Langzeittest unter realen Bedingungen zeigen. Daher können die Gärtner aktuell auch nur schwer zielsicher für die Zukunft vorsorgen.

Friedhöfe
Die zunehmende Trockenheit erfordert eine angepasste Bepflanzung.

Ein Beispiel dafür, dass nicht immer alle Ideen aufgehen, zeigt der Fall der Stechpalme (Ilex). Diese wurde als Ersatz gewählt, als vor einigen Jahren der Buchsbaumzünsler dem Buchsbaum-Bestand zusetzte. Schnell stellte sich aber ein großes Problem heraus: „Er tut sich mit der Trockenheit sehr schwer.“

Angesichts der Umstände könnte man auch auf den Gedanken kommen, einer flächendeckenden Verwendung von Steinen den Vorzug bei der Grabgestaltung zu geben. In der Tat scheinen sich auch immer mehr Menschen dafür zu entscheiden, Smirnov rät von solchen Steingräbern aber grundsätzlich ab. „Steine bringen nur Probleme mit sich“, betont er. Zum Beispiel bei der Grabpflege. Denn anders als weitläufig angenommen sei sie keinesfalls einfach, denn Unkraut und herabfallende Blätter müssten umständlich per Hand gerupft und entfernt werden. Auch setzen die Steine bereits nach drei, vier Jahren Grün an und verlieren dementsprechend ihre Strahlkraft – von der nicht zu unterschätzenden Erwärmung an heißen Tagen mal abgesehen, die auch den Pflanzen auf dem Grab schnell den Rest geben kann. „Da muss man am Tag zwei oder drei Mal gießen.“ Dass dem Erhalt der Artenvielfalt damit ebenfalls kein Dienst erwiesen wird, ist ein weiterer Kritikpunkt.

Trockenere Böden auch auf den Friedhöfen

Die Bepflanzung ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Was sich ebenfalls beobachten lässt: Die Trockenheit in den deutschen Böden nimmt weiter zu, der Grundwasserstand nimmt ab. Smirnov verdeutlicht diese Entwicklung mit dem Grabaushub: „Bei Urnengräbern gehen wir 80 Zentimeter bis einen Meter tief: Die Erde dort ist staubtrocken.“

Für die Bewässerung auf Friedhöfen hat das bereits Folgen: Anstelle sich wie früher eher punktuell auf alles Frischgepflanzte zu fokussieren, müsse nun wesentlich flächendeckender bewässert werden – auch jene Sträucher, bei denen das früher nicht nötig gewesen sei. Das zieht wiederum weitere Folgen nach sich. Um dem nachzukommen, muss nämlich über den ganzen Tag hinweg gewässert werden, wobei nicht wenig Wasser verdunstet. „Es bleibt uns aber leider nichts anderes übrig“, sagt Smirnov. Gleichzeitig bedeutet das einen erhöhten Aufwand für die Gärtner, die deshalb teils andere Aufgaben nach hinten schieben müssen – wofür nicht alle Kunden Verständnis haben.

Gut ist jedoch, dass das alles nicht mehr händisch per Gießkanne geschehen muss, sondern über Schläuche und Gießfahrzeuge funktioniert. Überhaupt wirft der technische Fortschritt seine Schatten voraus: Zum Beispiel sind bereits erste Gießroboter in Großstädten im Einsatz. Auch Wasserspeicher-Granulat findet immer häufiger Verwendung – seit kurzem auch in Geldern. Hierbei wird das Granulat mit der Erde vermischt, um längerfristig mehr Wasser zu speichern. Aber inwieweit das tatsächlich hilft oder am Ende zu viel Wasser in der Erde lagert, auch das muss die Zeit erst zeigen.

Prioritäten setzen

Ob irgendwann nur noch das Nötigste bewässert werden kann oder zeitweise sogar ein Bewässerungsstopp nötig wird, mag man noch nicht mit Sicherheit sagen können, für möglich hält Kirill Smirnov solche Einschränkungen aber durchaus. Aber was würde das für die Friedhöfe bedeuten? „Dann müsste man sich entscheiden: Was möchte man erhalten und was nicht?“ In manchen Städten sorge man für derartige Extremfälle bereits mit Prioritäten-Listen für den jeweiligen Baumbestand vor. Aber auch die Grabgestaltung würde sich dann grundlegend verändern – hin zu mehr Steinen, wie es zum Beispiel schon jetzt in den Niederlanden, Italien und Frankreich der Fall sei.

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