
Rassistische Übergriffe auf Pfarrer in Elten
Nach Anfeindungen aufgrund seiner Herkunft geht Pfarrer Égidie Muziazia nun an die Öffentlichkeit
ELTEN. Fremdenfeindlichkeit und Hassrede: Damit muss sich die Gemeinde Elten nun auseinandersetzen. Nach rassistisch motivierten Übergriffen tritt Pfarrer Dr. Égidie Muziazia nun an die Öffentlichkeit, und auch das Bistum Münster meldet sich zu Wort. Bei einer Pressekonferenz im Pfarrheim der St.-Martinus-Kirche ergreifen Vertreter des Bistums sowie Eltener Partei für Pfarrer Muziazia, sprechen sich gegen Hetze und für mehr Solidarität, Toleranz und Nächstenliebe aus.
„Wir dachten, in Elten wäre die Welt noch in Ordnung, aber die Welt ist auch hier nicht mehr in Ordnung“, sagt Eltens Ortsvorsteher Albert Jansen. Er verurteilt den Hass, der Égidie Muziazia im Verlauf des vergangen Jahres entgegengebracht wurden.
Muziazia, der aus der Demokratischen Republik Kongo stammt, lebt seit 2006 in Deutschland, wurde 2011 zum Priester geweiht und von Bischof Dr. Felix Genn im vergangenen Jahr zum Leitenden Pfarrer von St. Vitus Elten ernannt.
Doch bereits unmittelbar vor seiner Amtseinführung gab es nach Aussage Muziazias rassistische Anfeindungen, zunächst in den Sozialen Netzwerken. In Facebook-Gruppen und unter Beiträgen, in denen Muziazia als neuer Geistlicher von St. Vitus vorgestellt wurde, beobachtete Nutzerin Tanja Meulemann abwertende Bemerkungen. Kommentare wie: „Was wollen wir hier mit einem schwarzen Pfarrer?“, hätten sie bereits auf Anhieb besorgt, wie sie beim Pressetermin berichtet: „Ich fand das ganz schlimm. Nur aufgrund seiner Hautfarbe solche Dinge zu schreiben und einen Menschen anzufeinden, ist furchtbar. Sie kannten ihn da schließlich noch überhaupt nicht.“
Allerdings waren die „feigen Kommentare“ auf Facebook, wie sie Meulemann beschreibt, nur der Anfang. So kam es Ende April in der Emmericher Innenstadt zu einem Vorfall, bei dem Muziazia von einem Mann bespuckt und als „Affe“ beleidigt wurde. Sogar Übergriffe vor seiner Haustür und auf sein Auto habe es gegeben. Dazu kommen regelmäßige Erfahrungen von Alltagsrassismus, die der Pfarrer in den vergangenen Monaten besonders häufig bemerkte. Seien es schräge Blicke, Bemerkungen an der Supermarktkasse wie: „Lass doch mal den Neger vor!“, oder im Rahmen der Sinterklaas-Feierlichkeiten im Dezember 2023, als er als „der echte Zwarte Piet“ bezeichnet wurde.
Muziazia selbst spricht aber auch von viel Zuspruch und Unterstützung in der Gemeinde: „Ich habe ein Jahr geschwiegen, weil ich nicht wollte, dass die Menschen in Elten wegen mir in ein schlechtes Licht gestellt werden. Ich möchte das, was mir passiert ist, nicht verallgemeinern. Ich mache einen klaren Unterschied zwischen den mir unbekannten Personen, die mich rassistisch angefeindet haben, und den anderen, vielen, mir wohlgesinnten Menschen, die es sowohl in der Pfarrei als auch in der Stadt und den Dörfern gibt. Manche haben in den letzten Tagen schon von den Anfeindungen erfahren, denen ich ausgesetzt war. Von sehr vielen habe ich daraufhin viel Hilfsbereitschaft und Solidarität erfahren. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Der große Beistand in der Bevölkerung habe Muziazia dazu ermutigt, dieses rassistische Verhalten nicht länger zu tolerieren und an die Öffentlichkeit zu treten.
Weihbischof Rolf Lohmann verurteilt „die rassistisch motivierten Übergriffe auf Pfarrer Égidie Miziazia scharf! In unserer Gesellschaft gibt es keinen Platz für Intoleranz, Rassismus und Hass. Es bereitet mir Sorge, dass manche Teile der Gesellschaft versuchen, diese Fremdenfeindlichkeit wieder salonfähig zu machen. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist der zentrale Artikel unseres gerade erst gefeierten Grundgesetzes. Dabei ist nicht nur von der Würde des Deutschen die Rede, sondern von dem Menschen, unabhängig von seiner Herkunft oder Hautfarbe. Als Weihbischof möchte ich zusätzlich ergänzen: Die Würde des Menschen ist unantastbar, weil Gott sie garantiert.“
Neben Rolf Lohmann bekundet auch Bischof Dr. Felix Genn in einer Stellungnahme seinen Beistand zu Pfarrer Muziazia und appelliert an die Politik und die Gesellschaft: „Es braucht einen lauten Aufschrei der Menschenfreundlichkeit gegen diejenigen, die Rassismus propagieren. Wir müssen deutlich machen, dass wir mehr sind als die Rassisten in unserem Land. Wir werden ihnen dieses Land nicht überlassen.“
Albert Jansen richtet im Namen der Gemeinde Elten im Nachgang noch eine aufrichtige Entschuldigung an Égidie Muziazia und betont: „Égidie, du bist ein Glücksgriff für die Gemeinde. Du bist nicht nur ‚der‘ Pfarrer, du bist unser Pfarrer.“
Die Konfrontation in der Emmericher Innenstadt brachte Muziazia nach der Tat zur Anzeige. Laut polizeilichen Informationen konnte der Täter anschließend ermittelt werden. Dennoch sei der Fall einige Wochen später aufgrund von „mangelndem öffentlichen Interesse“ von der Staatsanwaltschaft Kleve eingestellt worden. Égidie Muziazia habe für seinen Mut, trotz der Demütigung zur Polizei zu gehen, lediglich einen „kleinen Dreizeiler“ über die Einstellung des Verfahrens erhalten, wie Albert Jansen berichtet.
Dieser „Dämpfer“, gepaart mit „der Scham und der Angst vor noch mehr Übergriffen“, hemme viele Betroffene, über die Anfeindungen, die ihnen widerfahren sind, zu sprechen, erläutert Renate Brunnett, Referentin für die Organisation Priester der Weltkirche im Bistum Münster. Die Solidarität und die Offenheit, auf Menschen mit Migrationshintergrund zuzugehen und ihnen Unterstützung und Interesse entgegenzubringen, sei daher immens wichtig.
Stefanie Reinders, stellvertretende Leiterin des Fachdiestes Integration/Migration der Caritas, hebt diese Bedeutung noch einmal hervor: „Die Anzahl der Übergriffe steigt an. Das beweisen auch Statistiken. Im letzten Jahr gab es etwa 50 Prozent mehr Fälle, die sogar vom Bundeskriminalamt verfolgt wurden. Mit in diese Zahl einbezogen sind aber noch nicht diese kleinen Nadelstiche, die Betroffene durch rassistische Sprüche oder komische Blicke erhielten. Langfristig führen auch diese Taten dazu, dass die Menschen ihren eigenen Wert hinterfragen.“ Lokal spricht Reinders von etwa 1.300 Menschen mit Migrationshintergrund, die jährlich von der Caritas betreut werden. Jeder von ihnen erlebe Anfeindungen mindestens einmal.
Das Bistum Münster möchte nun mit einem Demokratieförderungsprojekt wieder für mehr Toleranz und Nächstenliebe sorgen. Dabei können diejenigen, die sich besonders für Inklusion einsetzen, schon bald den „Katholischen Preis gegen Fremdenfeindlichkeit“ gewinnen.
Jacqueline KurschatkePressetermin im Pfarrheim der St.-Martinus-Kirche in Elten. NN-Foto: JK
