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Stes auf der Suche nach neuen Ehrenamtlern (v.l.): Fritz Reintjes, Helma Bertgen und Gerd Hermsen. NN-Foto: HF
17. Januar 2025 · Heiner Frost · Goch

Ein ganz besonderes Ehrenamt

Gesetzliche Betreuer kümmern sich um Menschen, die es allein nicht schaffen

GOCH. Haus der Diakonie, Goch, Brückenstraße 4. Helma Bertgen holt mich am Empfang ab. „Schön, dass Sie kommen konnten.“

Auf dem Weg in die erste Etage: Bilder im Treppenhaus. Ein Mosaik: Fotografien von Menschen. Alle wirken gesprächsbereit. Irgendwie offen. In großen Buchstaben der Satz: „Wir machen Ehrenamt sichtbar.“ Dazu – etwas kleiner gedruckt: „Diakonie im Kirchenkreis Kleve e. V. – Betreuungsverein.“ Um eben den soll es gehen. Auf dem Gang zu Bertgens Büro: noch mehr Fotos. Helma Bertgen und vier Kollegen (Christof Sieben, Christian Waterkotte, Nadine Bremer, Sara Urselmanns) sind – wie soll man sagen – Betreuer für die Betreuer. „Momentan haben wir hier fast 600 Menschen, die sich ehrenamtlich um andere kümmern“, erklärt Bertgen, „und es wäre schön, wenn Sie etwas darüber schreiben.“ Betreuer, erfahre ich, gibt es nie genug. Genau ist von ‚rechtlichen Betreuern‘ die Rede. Früher hieß es ‚gesetzliche Betreuung‘

Zeit für Definierendes. Was bedeutet eigentlich Betreuung? „Jeder Erwachsene“, lese ich in einem Faltblatt, „vertritt grundsätzlich seine Interessen und entscheidet für sich selbst.“ Dann das Entscheidende: „Wenn Menschen dazu nicht mehr in der Lage sind und keine [entsprechende] Vollmacht vorliegt, wird eine rechtliche Betreuung eingerichtet.“ Erstinstanzlich ist dafür das Amtsgericht zuständig, das in einem entsprechenden Fall einen Gutachter beauftragt. Wie wird das Gericht auf entsprechende Menschen aufmerksam? Helma Bertgen: „Da gibt es ganz unterschiedliche Wege. Viele Menschen glauben, dass in erster Linie Behörden einen solchen Prozess in Gang setzen. Es kann aber auch ganz anders sein. Nehmen wir an, Sie stellen fest, dass Ihr Nachbar oder Ihre Nachbarin – vielleicht im vorgerückten Alter – keinerlei Bezugspersonen hat. Nehmen wir an, Sie bekommen mit, dass er oder sie im Winter bei Minusgraden plötzlich im Schlafanzug unterwegs ist. Das könnte Grund genug sein, sich Sorgen zu machen und sich an eine Behörde zu wenden.“ Es könnte aber auch ganz anders sein. Könnte ja sein, dass jemandem einfach das Leben aus den Fingern gleitet. Ich schaue wieder in die Info-Broschüre. „Rechtliche Betreuungen werden vorrangig von Angehörigen übernommen. Aber: Auch sozial engagierte Personen können zu rechtlichen Betreuern bestellt werden.“ Bertgen: „Wir unterscheiden Berufsbetreuer, ehrenamtliche Betreuer und betreuende Angehörige.“ Seit zwei Jahren schreibt ein Gesetz vor, dass ehrenamtliche Betreuer, die keine Angehörigen sind, sich einem Betreuungsverein anschließen müssen. Im Kreis Kleve gibt es die Lebenshilfe (rechte Rheinseite), den Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) und den Betreuungsverein der Diakonie. „Ehrenamtliche Betreuer sind übrigens rechtlich den Berufsbetreuern gleichgestellt“, erklärt Bertgen.

Sie erwähnt auch den Begriff „Fremdbetreuer“. „Das sind die Menschen, die mit den zu Betreuenden in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen.“ Eigentlich sei das kein wirklich gutes Wort, meint Bertgen, „aber noch haben wir kein Besseres“. Das Verhältnis bei den ehrenamtlichen Betreuern sei, so Bertgen, ziemlich ausgewogen. „Vielleicht gibt es ein paar mehr Frauen.“ Noch eines sagt Bertgen: „Gesetzliche Betreuung ist irgendwie kein klassisches Ehrenamt.“ Das stimmt.

Lokaltermin im Pflege- und Betreuungszentrum Haus am Heiligenweg in Goch. Treffen mit Fritz Reintjes (74) und seinem ehrenamtlichen Betreuer Gerd Hermsen (67). Hermsen ist Rentner und war davor Krankenpfleger aus Überzeugung. Eine gute Grundierung für das Ehrenamt als Betreuer. „Um so eine Betreuung zu machen, brauchen Sie ein soziales Grundverständnis – eine Grundverantwortung“, sagt Hermsen, der seit 1999 ehrenamtliche Betreuungen macht. Derzeit hat er fünf Klienten. „Ich spreche eigentlich nicht von Klienten“, sagt er, „ich spreche von zu Betreuenden.“

Reintjes und Hermsen sind seit einem Jahr ein „Paar“. Betreuung ist immer auch eine Form von Beziehungsarbeit. Die beiden Herren sind per Du. Im Fall Reintjes ist Hermsen vor allem für behördliche Dinge zuständig. Fritz hat – lange ist‘s her „lange und zu tief ins Glas geguckt“. So beschreibt es Fritz. Die Folge: Er benötigt Hilfestellung bei bestimmten Dingen. Hermsen: „Betreuungen decken ja die unterschiedlichsten Bereiche ab. Da kann es beispielsweise um Gesundheitsdinge gehen oder ums Vermögen. Ein weiterer Punkt wäre das Aufenthaltsbestimmungsrecht.“

In den letzten Jahren, sagt Hermsen, habe die Bürokratie mehr und mehr zugenommen. „Da ist es nützlich, dass ich mich bei Problemen an den Betreuungsverein der Diakonie wenden kann.“ Manches empfindet Hermsen als beschwerlich. „Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Klienten, der von Kindesbeinen an, kognitiv eingeschränkt ist. Da macht es doch keinen Sinn, dass da immer wieder nachgefragt wird, ob das Handycap noch besteht. Es handelt sich ja nicht um eine Erkrankung, wo Besserung zu erwarten ist. Es ist doch irgendwie klar, dass sich an diesem Zustand nichts mehr ändern wird.“ Klingt irgendwie nach Frust. Warum also trotzdem weiter Betreuungen? „Das hat etwas damit zu tun, dass von den Menschen, mit denen Sie zu tun haben, unglaublich viel zurück kommt. Da entsteht Motivation.“ Dazu komme, so Hermsen, eben dieses Gefühl einer sozialen Verantwortung für Menschen, die es ohne Unterstützung nicht durchs Leben schaffen würden. Derzeit hat Hermsen fünf Klienten. „Fritz“, sagt er, „ist ein sehr unkomplizierter Fall, weil sich die Betreuung nur auf einen kleinen Teil seines Lebens bezieht.“ Für Fritz ist Gerd eine wichtige Bezugsperson: „Wenn ich ein Problem habe, dann kann ich mich melden und Gerd kümmert sich. Das ist mir wichtig.“

Helma Bertgen ist beim Betreuungsverein für das „Pairing“ zuständig. Sie schaut sich die künftigen Ehrenamtlichen an – führt Gespräche - findet heraus, was den Menschen wichtig ist. Und es geht um beide Seiten. „Wichtig ist, dass es am Ende passt.“ Betreuungen sind nicht selten lang anhaltende Beziehungen. Ehrenamtliche Betreuer sind übrigens über den Betreuungsverein abgesichert. Wenn also beispielsweise ein Betreuer mit einem Klienten zum Arzt fährt und dabei einen Unfall hat, ist er versichert.

Die Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Betreuer wird ab dem 1. Januar 2026 von aktuell 425 Euro auf dauerhaft 450 Euro angehoben. Wer sich für das Ehrenamt interessiert, kann sich beim Betreuungsverein der Diakonie in Goch (Telefonnummer 02823/ 930236/25) melden.

Stes auf der Suche nach neuen Ehrenamtlern (v.l.): Fritz Reintjes, Helma Bertgen und Gerd Hermsen. NN-Foto: HF

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