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Foto: Guido Werners
2. November 2024 · Michael Bühs · Emmerich

Alfons in Emmerich: „Ich habe etwas zu sagen“

Seinen ersten Auftritt hat er bei „Kalkofes Mattscheibe“, seine Umfragen mit dem Puschelmikrofon bei „Verstehen Sie Spaß?“ machen ihn in ganz Deutschland bekannt: Emmanuel Peterfalvi alias Alfons. Am 12. November ist der Kabarettist zu Gast in Emmerich. Zuvor hat er sich die Zeit für ein Interview mit den NN genommen.

EMMERICH. Kabarett im Stadttheater Emmerich: so weit, so gut, so bekannt. Nichts Neues. Dass ein Künstler aber einen Tag nach seinem Auftritt noch eine Schulklasse in der Hansestadt besucht, ist schon besonders. Am Dienstag, 12. November, 20 Uhr, gastiert Emmanuel Peterfalvi, bekannt als „Alfons“, der Franzose mit dem Puschelmikrofon, in Emmerich mit seinem Programm „Alfons – jetzt noch deutscherer“. Einen Tag später besucht er im Rahmen seines Projekts „Alfons spielt für Schulen“ das Willibrord-Gymnasium und spricht mit Schülern, diskutiert mit ihnen über Demokratie. Eine Herzensangelegenheit, wie er betont. Um Demokratie geht es auch in seinem aktuellen Programm, ebenso um die deutsche Staatsbürgerschaft – seit 2017 hat der gebürtige Franzose zwei Pässe – und was seine Großmutter damit zu tun. Über diese Themen spricht er auch im NN-Interview, für das er sich die Zeit nimmt, während er auf „Schreibklausur“ in Frankreich ist, für sein neues Programm. „Ich schreibe gerne in Ruhe, am liebsten in der Natur. Dafür habe ich einen Rückzugsort in der Provence gefunden“, erzählt er.

Alfons, wie hat Ihr Schulprojekt seinen Anfang genommen?

Alfons: Es ist mehr oder weniger zufällig passiert. Ich habe mein aktuelles Programm in Mainz gespielt. Nach der Vorstellung sagte eine Lehrerin, ihre Schüler müssten es unbedingt auch sehen. Dass ich erst in zwei, drei Jahren wieder in Mainz spielen würde, war ihr egal. Sie wollte einen Bus mieten und zu einem meiner nächsten Auftritte fahren. Ich hatte schon öfters gehört, dass es ein gutes Programm für Schüler sei – aber noch nie so dezidiert, dass jemand einen Bus mieten wollte. Also sagte ich: Wenn Sie das machen, komme ich danach in Ihre Klasse und spreche mit Ihren Schülern. Und tatsächlich kam die Klasse mit einem Bus zu einem Auftritt – also fuhr ich noch einmal nach Mainz und besuchte die Schüler.

Wie war dieser Besuch?

Alfons: Es war so genial, dass ich sofort entschieden habe, es nicht bei einem Mal zu belassen.

Wie läuft das Projekt ab?

Alfons: Die Klassen erhalten im Vorfeld von uns Material, mit dem sie im Unterricht arbeiten. Dann besuchen sie das Stück. Es ist ein Programm, bei dem viel gelacht wird – aber nicht nur, es regt auch zum Nachdenken an. Ich spiele das „normale“ Programm, es ist keine Schülervorstellung. Denn für viele Schüler ist es ihr erster Theaterbesuch, und ich möchte, dass sie alles mitbekommen. Und am nächsten Tag besuche ich dann die Klasse in ihrer Schule.

Wie läuft das ab?

Alfons: Der Schulbesuch hat sich von einer Fragerunde zu einem Workshop entwickelt. Ich gebe Impulse, zum Beispiel durch eine Frage oder ein kurzes Video. Dann gibt es Diskussionen. Es gab beispielsweise eine Umfrage, nach der 40 Prozent der Jugendlichen in Deutschland die Demokratie nicht wichtig finden; manche meinten, man sollte es mal mit einer Militärherrschaft probieren. Das fand ich sehr erschreckend. Deshalb ist es mir so wichtig, mit den Jugendlichen zu reden. Aber eigentlich rede ich gar nicht so viel – ich höre vielmehr zu, das ist wichtiger.

Und es funktioniert?

Alfons: Aber ja. Ich sage den Schülern: Ihr habt nur eine Verantwortung – ihr müsst mir sagen, was ihr denkt! Das will ich hören. Dabei kommt heraus: Manche lehnen Demokratie ab, andere argumentieren dafür. Wichtig dabei ist, zuzuhören und zu versuchen, die anderen zu verstehen. Es gibt oft kontroverse Diskussionen. Am Ende gibt es immer noch unterschiedliche Meinungen, manche Schüler haben ihre Meinung geändert, andere nicht. So soll es ja auch sein. Ich sage ihnen dann: Das alles bedeutet Demokratie. Und auch wenn ich gleich weg bin, müsst ihr weitermachen.

Wie ist es dazu gekommen, dass sich in Ihrem Programm so vieles um das Thema Demokratie dreht?

Alfons: Es geht primär um meine Einbürgerung. Ich erzähle, weshalb ich mich entschieden habe, neben der französischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen und weshalb ich so lange für diese Entscheidung gebraucht habe. Ich erzähle zum Beispiel, dass ich von Olaf Scholz, als er noch Bürgermeister von Hamburg war, das Angebot der deutschen Staatsbürgerschaft bekam. Als ich den entsprechenden Brief erhielt, war ich sehr geehrt. Später habe ich erfahren, dass er diesen Brief 150.000-mal verschickt hat. Ich erzähle aber auch, dass ich viel über meine Oma nachgedacht habe, gerade in der Zeit, nachdem mir die deutsche Staatsbürgerschaft angeboten wurde.

Weshalb gerade dann?

Alfons: Meine Oma hat Auschwitz überlegt, und ich habe mich oft gefragt: Was hätte sie gedacht, wenn ich jetzt Deutscher werde? Will ich diesen Schritt überhaupt gehen? Als Kind habe ich viel Zeit mit meiner Oma verbracht. Ich habe sie viel gefragt, auch über ihre Zeit in Auschwitz, und sie hat viel erzählt. Nur eine Sache habe ich damals nicht verstanden: Sie hat die Deutschen nie gehasst – weshalb? Das habe ich sie auch gefragt: Du hast so viele schreckliche Dinge erlebt, weshalb hasst du die Deutschen nicht? Sie meinte damals, ich sei noch zu jung, um ihre Gründe zu verstehen, versprach mir aber, es mir später zu erklären. Sie ist allerdings vorher verstorben. Ich habe später dann etwas gefunden, das ihre Ansicht erklärt hat.

Hat Ihre Großmutter Sie sehr geprägt?

Alfons: Ohne sie wäre ich heute nicht der Mensch, der ich bin. Sie hatte eine starke Persönlichkeit. Toleranz und Ablehnung von Hass waren ihr immer sehr wichtig im Leben. So etwas wie damals darf nie wieder passieren, das war ihr Ziel. Und sie war ein sehr lustiger Mensch, hat viel gelacht – deshalb gibt es auch in meinem Programm viel zu lachen, das hätte sie so gewollt.

Wie schlagen Sie auf der Bühne den Bogen von Ihrer Großmutter zum Thema Demokratie?

Alfons: Wenn jemand sagt, Hitler sei nicht so schlimm gewesen und dafür 30 Prozent bekommt, und ein Parteikollege sagt, die Nazi-Zeit sei ein Vogelschiss in der deutschen Geschichte, dann ist das falsch. Ich bin jetzt Deutscher, es ist auch mein Land, ich muss mich darum kümmern. Wenn solche Leute Erfolg haben, dann ist es meine Pflicht, über meine Oma zu berichten. Denn es gibt ja immer weniger Zeitzeugen, die berichten können. Ich sehe darin eine Verpflichtung: Ich habe etwas zu sagen, gerade den jungen Menschen. Dabei ist mir aber auch eines wichtig: Es soll ein lustiger Abend werden, keiner soll mit Schuldgefühlen den Saal verlassen.

Funktioniert es?

Alfons: Ich bekomme so viel positives Feedback wie für kein anderes Programm. Viele Zuschauer schreiben mir erst Monate später, weil das Programm sie so lange beschäftigt hat, sie es so lange verarbeitet haben. Es ist ein Wohlfühlabend, der das Herz erreichen und massieren soll.

War es schwierig, ein Programm zu schreiben, das Humor und Ernsthaftigkeit derart eng miteinander verknüpft?

Alfons: Es ist immer schwer, ein Programm zu schreiben. Aktuell schreibe ich am neuen Programm, in dem es um noch mehr Demokratie geht. Ich will nicht einen Gag nach dem anderen bringen, das ist nicht mein Ding. Ich möchte die Menschen schon sehr gerne zum Lachen bringen, ich muss sie aber auch tiefer erreichen, gerade in dieser verrückten Welt, in der wir leben und wo man sich fragen muss: Was ist los mit uns Menschen?

Noch einmal zurück zum Schulprojekt: Wenn Sie jetzt in Emmerich zu Gast sind und die Schulklasse besuchen, gehen Sie das Ganze ähnlich an wie beispielsweise damals in Mainz.

Alfons: Es ist nie ähnlich, weil ja die Jugendlichen nie ähnlich sind. Ich spreche mit ihnen kaum über das Stück oder die Vergangenheit, sondern über das Jetzt und das Morgen. Auch die Diskussionen sind immer anders, weil die Jugendlichen einfach anders sind.

Wie fällt das Feedback aus?

Alfons: Die Klassen bedanken sich oft und viel, dabei muss ich mich eher bedanken. Diese Besuche sind für mich sehr bereichernd. Deshalb mache ich den Schülern inzwischen auch immer ein Angebot und sage ihnen: Schreibt mir heute in zehn Jahren eine Nachricht! Ich möchte wissen, was aus ihnen geworden ist, wie es ihnen ergangen ist, was aus ihren Träumen geworden ist. Da ich das Projekt aber erst vor etwa anderthalb Jahren gestartet habe, muss ich auf die ersten Nachrichten noch etwas warten.

Haben Sie den Eindruck, dass Sie die Schüler erreichen?

Alfons: Auf jeden Fall waren es bisher alles sehr interessante Begegnungen und sehr interessante Diskussionen. Die Schüler waren in der Regel froh, dass ich zu ihnen gekommen bin und ihnen zugehört habe. Das ist ihnen wichtig. Sie hören zu, wollen aber auch Dinge sagen. Ich denke also schon, dass ich sie erreiche, dass auch das Stück sie erreicht. Obwohl es nicht für Schüler geschrieben ist. Anfangs war ich deshalb unsicher, ob es sie vielleicht langweilen würde. Durch Rückmeldungen, die ich anonym bekomme, weiß ich, dass sie es manchmal etwas lang finden, es sie aber berührt. Auch deshalb werde ich das aktuelle Programm noch lange spielen; es ist mein erfolgreichstes. Viele kommen ein zweites oder drittes Mal, bringen dann ihre Kinder, Verwandte oder Freunde mit.

Gibt es auch Hürden bei Ihrem Schulprojekt?

Alfons: Es gibt ein Finanzproblem. Ich mache es zwar ehrenamtlich, dennoch kostet es Geld. Wir wollen den Schülern ja Arbeitsmaterial zur Verfügung stellen, außerdem die Theaterkarten vergünstigt anbieten, damit sich alle Schüler den Besuch leisten können. Deshalb bin ich dabei, eine gemeinnützige Organisation zu gründen, um Spenden für das Projekt zu sammeln (Kontakt per E-Mail an schule@alfons-fragt.de; d. Red.), das vermutlich einen Großteil meines künftigen Arbeitslebens einnehmen wird. Denn auch zu meinem nächsten Programm wird es bestimmt ein Schulprojekt geben.

Eine abschließende Frage: Was erwartet die Besucher am 12. November in Emmerich?

Alfons: Eine Überraschung, die die Lachmuskeln beansprucht und der Seele guttut.

Verlosung

Die NN verlosen 3 x 2 Tickets für das Gastspiel von Alfons in Emmerich. Einfach eine E-Mail mit Name, Anschrift, Telefonnummer und dem Betreff „Alfons“ an gewinnspiel@nn-verlag.de senden. Einsendeschluss ist Mittwoch, 6. November. Die Namen der Gewinner werden unter www.niederrhein-nachrichten.de veröffentlicht.

Vorverkauf

Karten gibt es in den Geschäftsstellen der NN in Kleve und Geldern und www.niederrhein-nachrichten.de/ticketshop.

Foto: Guido Werners

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