Pro und Contra zum Nationalpark Reichswald
Der Kreis Kleve stimmt in einer Briefwahl über die Bewerbung um einen Nationalpark auf den Flächen des Reichswalds ab. Der Verein „Unser Reichswald“ und die Initiative „Internationalpark Reichswald“ haben dazu ihre zehn wichtigsten Argumente einmal sachlich zusammengefasst.
Der Klever Kreistag hatte sich bereits das erste Mal am 23. März dieses Jahres mit einer Mehrheit von CDU, FDP und einer Stimme der Vereinigten Wählergemeinschaften mit 33 zu 26 Stimmen gegen eine Bewerbung ausgesprochen. Nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren stimmte der Kreistag am 26. September erneut gegen eine Bewerbung, sodass es jetzt zu dem aktuell laufenden Bürgerentscheid gekommen ist.
Wer möchte, dass der Kreis Kleve eine Bewerbung abgibt, damit der Reichswald ein Nationalpark wird, muss die Abstimmungsfrage mit „Ja“ beantworten; wer dagegen ist, mit „Nein“. Die Briefwahlunterlagen müssen bis spätestens Mittwoch, 11. Dezember, 12 Uhr, beim Landrat des Kreises Kleve in der Kreisverwaltung an der Nassauerallee 15-23 in Kleve eingegangen sein.
In den vergangenen Wochen äußerten sich Befürworter und Gegner regelmäßig dazu, warum sie für oder gegen einen Nationalpark Reichswald sind. Die NN hat den Verein „Unser Reichswald“, der sich gegen eine Bewerbung ausspricht, und die Initiative „Internationalpark Reichswald“, die für eine Bewerbung ist, gebeten, ihre zehn wichtigsten Argumente einmal sachlich zusammenzufassen.
Gründe für einen Nationalpark Reichswald (Argumente der Initiative „Internationalpark Reichswald“)
1. Der Reichswald eignet sich auch von der Größe her mit 5.100 Hektar für einen Nationalpark. 10.000 Hektar Größe sind zwar ein internationaler Maßstab für Nationalparks, der in unserem hochindustrialisierten und dicht bevölkerten Land durchaus unterschritten werden kann, wie die Nationalparke Jasmund, Hainach und Kellerwald zeigen. Gerade im nordwestdeutschen Tiefland gibt es – leider - keinen anderen größeren Wald als den Reichswald und es ist der einzige Buchenwald in Deutschland auf Sand-Lös-Boden.
2. Es gibt auch jetzt schon einige wenige Naturschutzmaßnahmen im Reichswald, aber die Forstwirtschaft im Reichswald fällt weiterhin Bäume im ‚Teenageralter‘. Pflanzen und Tiere, die einen alten Baumbestand oder Totholz als Lebensraum benötigen, haben in einem Forst keine Chance, wohl aber in einem Wald, insbesondere in einem Nationalpark.
3. Die Behauptung, ein Nationalpark Reichswald gefährde die Existenz der umliegenden landwirtschaftlichen Gebiete, ist falsch. Das Land NRW plant keine Erweiterung des Nationalparks. Es könnte sich eine freiwillige Kooperation mit den Naturschutzgebieten auf niederländischer Seite ergeben, was dann zu einem fast 10.000 Hektar großen Internationalpark führen wird.
4. Der Zaun am Reichswald wird zum Schutz der Kulturlandschaft bestehen bleiben.
5. Die Stadtwerke Kleve und Goch haben inzwischen eingesehen, dass es einen Bestandsschutz für die Trinkwassergewinnung gibt, die Versorgung der Bevölkerung mit dem lebensnotwendigen Trinkwasser also keineswegs gefährdet ist. Ihre immer noch verbreiteten Bedenken bezüglich zukünftiger Einschränkungen wegen der Wasserqualität haben nichts mit der Einführung eines Nationalparks zu tun. Die hängen von Belastungen durch Ammoniak und Nitrat ab, die im Reichswald schon jetzt Probleme bereiten.
6. In einem Entwicklungs-Nationalpark, wie es der Reichswald einer sein würde, bleiben nach spätestens 30 Jahren 75 Prozent der Nationalparkfläche frei von steuernden menschlichen Maßnahmen, die Natur bleibt sich also selbst überlassen. Diese Flächen bleiben jedoch zugänglich für Besucherinnen und Besuchern – mit wenigen Schonzonen für besonders schützenswerte Tiere und Pflanzen.
7. Das Erleben von natürlicher Schönheit, Ästhetik, Kraft, Vitalität und Gewalt, dass sich so stark vom Erleben gepflegter Kulturlandschaften unterscheidet, wird durch gezielte Angebote der Umweltbildung unterstützt. Diese sprechen einerseits die emotionale Seite der Menschen an und dienen andererseits auch der Wissensvermittlung über die Lebensvorgänge in unserer natürlichen Umwelt, gestützt durch die Forschungstätigkeiten im Nationalpark.
8.+ 9. Dass Spaziergänger, Radfahrer und Reiter dafür ein Wege- und für Hunde ein Anleingebot beachten müssen, ist im Vergleich zu dem Mehrwert eines nicht bewirtschafteten Waldes, in dem die Wege nicht von schwerem Harvestern und LKW zerfurchtet und verdichtet werden, eine hinnehmbare Einschränkung, Die Möglichkeiten eines ökologisch vertretbaren sanften Tourismus machen Nationalparks zu Motoren einer regionalen Wirtschafts- und Strukturentwicklung, wie der Nationalpark Eifel zeigt. Den Kosten von etwa drei bis vier Millionen Euro für einen Nationalpark Reichswald stünden die Einnahmen aus der Tourismusbranche gegenüber.
10. Und schließlich: In einem Nationalpark sind Windkrafträder verboten. Gerade in unserer waldarmen Gegend wäre es verantwortungslos, wenn ein noch so kleines Stück Wald für Windparks vernichtet würde.
Gründe gegen einen Nationalpark Reichswald (Argumente des Vereins „Unser Reichswald“)
1. Mehr als 130.000 Menschen im Kreis Kleve beziehen ihr Trinkwasser aus dem Reichswald. In einem Nationalpark ist aufgrund des hohen Schutzstatus nicht sichergestellt, ob Neubau oder Modernisierung der Anlagen und Brunnen langfristig möglich sein werden. Die Stadtwerke Kleve und Goch bringen in einer Informations-Seite www.trinkwasser-im-reichswald.de ihre Bedenken zum Ausdruck.
2. Holz ist ein nachwachsender, klimafreundlicher Rohstoff, der in einem Nationalpark zum großen Teil ungenutzt bleibt und verrottet. Es wurden im letzten Jahr rund 20.000 Kubikmeter Holz im Reichswald geerntet. Dieses Holz geht bei einer Nationalpark-ausweisung mittelfristig einer Nutzung verloren und müsste dann im Zweifel über große Entfernungen transportiert werden.
3. Ein Nationalpark begünstigt Waldbrände durch den Anstieg von Totholz. Gleichzeitig behindert der eingeschränkte Zugang die Brandbekämpfung. Davor warnen auch unsere freiwilligen Feuerwehren. Ein zwangsläufiger Rückbau von Wegen würde die Erreichbarkeit von Brandherden erheblich beeinträchtigen.
4. Als Nationalpark wäre der Reichswald für Spaziergänger, Hundebesitzer, Reiter und auch Radfahrer nur noch eingeschränkt nutzbar. Ein Nationalpark sieht vor, mindestens 75% der Fläche sich selbst zu überlassen. Diese Flächen dürfen dann nicht mehr betreten und ein Großteil der Wege müssen dann zurückgebaut werden.
5. Natur- und Artenschutz im Reichswald sind bereits gegeben. Ein Nationalpark ist dafür nicht notwendig. Im Gegenteil. Die aktive Bepflanzung neuer Bäume wird eingeschränkt und der notwendige Umbau des Reichswald hin zu einem Laubmischwald behindert. Zudem können weitere ökologische Ziele auch ohne Nationalpark umgesetzt werden.
6. Ein Nationalpark kostet die öffentliche Hand viel Geld. Der Nationalpark Eifel hatte im Jahr 2023 Kosten von rund elf Millionen Euro. Wir finden, dieses Geld fehlt an anderen wichtigeren Stellen, vor allem im sozialen Bereich. An dem erhofften Anstieg von Tourismus im Reichswald bestehen erhebliche Zweifel. Zudem muss dafür die notwendige Infrastruktur von den Kommunen im Kreis Kleve finanziert werden.
7. Keiner kann verbindlich zusichern, dass ein Nationalpark im Reichswald nicht zu einem Wegfall der bestehenden Zäune führt und die Hirsche und Wildschweine sich ausbreiten. Die erwünschte Weidehaltung nach dem geforderten Tierwohl 4 im Umfeld ist dann in Gefahr. Auch ist zu befürchten, dass der Nationalpark bzw. entsprechende Bewirtschaftungsauflagen zukünftig auf die umliegenden landwirtschaftlichen und gartenbaulich genutzten Flächen ausgeweitet werden.
8. Das große Engagement der Jäger und Jägerinnen ist in einem Nationalpark in der bisherigen Form nicht mehr möglich. Es wird zu einer Reduktion des Abschusses von Hirschen und Wildschweinen kommen. Parallel kann es zu einer Ausbreitung des Wolfes kommen. Alles dies bestätigen Vergleiche mit anderen Nationalparken. Wenn dann auch noch der bestehende Zaun um den Reichswald geöffnet wird, wird dies zu einer erhöhten Gefahr von Wildunfällen führen.
9. Der Reichswald erfüllt nicht die Vorgaben gemäß Bundesnaturschutzgesetz für einen Nationalpark. Der Reichswald wird von zwei vielbefahrenen Straßen durchschnitten, beherbergt den englischen Soldatenfriedhof und nur rund zwölf Prozent der Fläche steht unter Naturschutz. Zudem ist die Fläche mit 5.100 Hektar nach internationalen Maßstäben zu klein. Im Falle einer Ausweisung kann im Grunde jede größere Waldfläche in Deutschland als Nationalparktauglich bezeichnet werden.
10. Aktuell sind im zuständigen Regionalplan Flächen für elf Windenergieanlagen entlang des Kartenspielerweg vorgesehen. Im Zuge der Nationalparkausweisung könnte es entsprechend zu einer Heraustrennung dieser Flächen kommen. Sollte es nicht dazukommen, werden alternativ sicher Windräder im Umfeld des Reichswalds geplant werden können. Alles in Allem wird ein Nationalpark die Windenergie um und im Zweifel auch im Reichswald nicht verhindern.