
„Leselust statt Lesefrust“ in Emmerich
„Leseflamme“ entfacht an der Gesamtschule die Freude am Lesen
EMMERICH. Ein warmer Raum, bunte Bücherregale, gemütliche Teppiche und das Rascheln von Seiten – wer die neue „Leseflamme“ an der Gesamtschule Emmerich betritt, spürt sofort: Hier geht es nicht um Pflichterfüllung, sondern um Begeisterung. Unter dem Motto „Lesen entfacht die Flamme des Wissens“ ist im Herzen der Schule ein besonderer Ort entstanden, an dem Kinder und Jugendliche lesen, träumen, lernen und wachsen dürfen.
Die „Leseflamme“ ist weit mehr als eine klassische Schulbücherei. Sie ist ein Ort der Ruhe und Inspiration, ein „Sockenraum“, in dem die Schüler ihre Schuhe ausziehen, um es sich gemütlich zu machen und ganz in ihre Bücher einzutauchen. Die Idee dahinter: Lesen soll mit positiven Emotionen verbunden sein – entspannt, warm und persönlich. „Wir wollten einen Raum schaffen, der Kinder wirklich einlädt, zu lesen und dabei zu sich selbst zu finden“, erklärt Eva Grobelny. „Lesen ist der Schlüssel zur Welt – wer liest, versteht, fühlt und wächst.“
Die Gestaltung spiegelt diese Haltung wider: Helle Farben, moderne Regale, Sitzkissen, kleine Rückzugsnischen und eine ruhige Atmosphäre machen die Leseflamme zu einem Ort, an dem man gerne verweilt – allein, in kleinen Gruppen oder gemeinsam mit einer Lehrkraft.
Hinter der gemütlichen Kulisse steckt ein klares pädagogisches Ziel. Die „Leseflamme“ soll helfen, die Lesekompetenz der Schüler zu stärken, schwächere Leser zu motivieren und starke Leser gezielt zu fordern.
Das Team um Adriane Baumann und Eva Grobelny sieht Lesen als Grundlage allen Lernens – nicht nur im Fach Deutsch, sondern auch für Mathematik, Naturwissenschaften oder Gesellschaftslehre. „Wer Texte verstehen und deuten kann, hat in jedem Fach bessere Chancen, erfolgreich zu lernen“, sagt Baumann.
Lesen wird hier nicht als isolierte Aktivität verstanden, sondern als kreativer und sozialer Prozess. Die Schüler gestalten den Raum aktiv mit – etwa durch eigene Buchempfehlungen, Lese-Listen für Mitschüler oder kleine Vorleseaktionen, bei denen sie selbst zu Lesebotschaftern werden.
Das Motto „Leselust statt Lesefrust“ beschreibt treffend, was die „Leseflamme“ erreichen möchte: Freude am Lesen wecken und den Zugang zu Büchern so niederschwellig wie möglich gestalten. Deshalb gibt es neben Klassikern und Jugendromanen auch Comics, Sachbücher, fremdsprachige Titel, Großdruck-Ausgaben und Hörbücher.
So können Kinder mit ganz unterschiedlichen Lesefähigkeiten oder Interessen etwas Passendes finden – vom schnellen Schmökern bis zur intensiven Lektüre. „Lesen soll hier nicht als Pflicht, sondern als Vergnügen erlebt werden“, betont Grobelny. „Wir möchten, dass die Kinder merken, wie viel Genuss und Ruhe im Lesen steckt.“
Die „Leseflamme“ steht nicht nur einzelnen Klassen offen, sondern wird vielseitig genutzt: in Fachstunden, Vertretungsstunden, zur Betreuung von Nichtschwimmern, in AGs und Projekten und bald auch in den Pausen, wenn die Organisation abgeschlossen ist.
Besonders beliebt ist die Idee, Lesungen in verschiedenen Sprachen anzubieten – passend zur Internationalität der Schülerschaft. Auch jahrgangsübergreifende Projekte, Buchvorstellungen und Kooperationen mit der Stadtbücherei sind in Planung. Geplant sind außerdem Autorenlesungen, das Kennenlernen von Lesestrategien und -methoden sowie eine „Nacht der Leseflamme“, bei der die Kinder mit Schlafsäcken und Taschenlampen zwischen den Bücherregalen lesen dürfen.
Die „Leseflamme“ schafft nicht nur einen neuen Lernort, sondern auch einen Gegenpol zur Reizüberflutung des digitalen Alltags. Sie bietet Raum für Ruhe, Rückzug und Konzentration – und fördert Kompetenzen, die im Zeitalter von Smartphones und schnellen Informationen besonders wertvoll sind: Aufmerksamkeit, Fantasie und Ausdauer.
Baumann und Grobelny sind überzeugt: „Wenn Kinder hier erfahren, dass Lesen etwas Schönes, Entspannendes und Wertvolles ist, dann nehmen sie diese Haltung auch mit nach Hause – und in ihr ganzes Leben.“ Die „Leseflamme“ zeigt, dass Lesen wieder zu einem gemeinschaftlichen Erlebnis werden kann – und dass aus einer kleinen Idee eine große Bewegung entstehen kann: Eine Schule, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern die Flamme der Neugier und Begeisterung am Leben erhält.

Kinder der 5. Klasse, die in der Leseflamme lesen. Foto: privat