Lebensraum für Spechte, Hirschkäfer & Co.
Land will Wildnisentwicklungsgebiete im Kreis Kleve miteinander verbinden und erweitern
KLEVE. Am Freitag hat Umweltminister Oliver Krischer gemeinsam mit Christoph Gerwers, Landrat des Kreises Kleve, Wälder besichtigt, die der natürlichen Entwicklung überlassen werden sollen. Rund 300 Hektar landeseigener Flächen im Reichswald sollen hierzu in das landesweite Netz der Wildnisentwicklungsgebiete aufgenommen werden. Fachleute des Landesamtes für Natur, Umwelt und Klima und des Landesbetriebes Wald und Holz Nordrhein-Westfalen werden die Kulisse in den nächsten Monaten begutachten, um die genaue Abgrenzung zu erarbeiten. Die Flächen ermöglichen auch die Vernetzung von bestehenden Wildnisentwicklungsgebieten und Naturwaldzellen.
Insgesamt gibt es in Nordrhein-Westfalen bereits mehr als 100 Wildnisentwicklungsgebiete, 75 Naturwaldzellen sowie besondere Schutzzonen im Nationalpark Eifel. Die Landesregierung hat beschlossen, das Netz der Wildnisentwicklungsgebiete im Landeswald bis 2026 sukzessive um 5.000 Hektar zu erweitern und zu stärken. Vor Ort betonte Minister Krischer: „Die Wälder im Kreis Kleve sind Teil unseres Naturerbes. In den Wildnis-Entwicklungsgebieten kann sich die biologische Vielfalt frei entfalten. Davon profitieren viele Arten, die in unbewirtschafteten Wäldern wertvollen Lebensraum finden. Gleichzeitig können Besucherinnen und Besucher erleben, wie die Natur nach und nach in ihre eigenen Kreisläufe zurückfindet.“ Die geplanten Erweiterungsflächen sind als Naturschutzgebiet und als europäisches Fauna-Flora-Habitat-Gebiet geschützt. Der Vorschlag verbindet zwei schon vorhandene kleinflächigere Teile eines Wildnisentwicklungsgebietes und zwei Naturwaldzellen zu einem zusammenhängenden Gebiet. Durch die Aufnahme in das Netz der Wildnisentwicklungsgebiete ermöglichen sie künftig die Entwicklung natürlicher Wälder.
Ministerin Silke Gorißen: „Die Landesregierung unterstützt die Ziele der Wildnisentwicklung. Deshalb stärken wir das bestehende Netz der Wildniswälder und stellen sukzessive weitere Flächen des landeseigenen Waldes für eine natürliche Entwicklung zur Verfügung. Hier können die Bürgerinnen und Bürger Wildnisentwicklung erleben und gleichzeitig fördern wir die Biodiversität.“ Bei den neuen Wildnisentwicklungsgebieten handelt es sich um Flächen im Eigentum des Landes Nordrhein-Westfalen. „Wald und Holz NRW wird sich auch um die neuen Wildnisentwicklungsgebiete kümmern. Oberstes und langfristiges Ziel ist dabei ein Zulassen und Beobachten natürlicher Prozesse der Waldentwicklung. Wo es notwendig ist, fördern unsere Försterinnen und Förster vor Ort aktiv die Naturnähe und machen die Gebiete mit gezielten Angeboten für Besucherinnen und Besucher erlebbar“, erläutert Thomas Kämmerling, Leiter Wald und Holz NRW.
Den Startschuss für die gemeinsame Wildnis-Initiative gaben Umweltminister Oliver Krischer und Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen am 8. Juli im Siebengebirge. Auch die geplanten Wildnisentwicklungsgebiete im Kreis Kleve sind hierzu ein Baustein. Zusammen mit den bestehenden Schutzgebieten sollen damit künftig gut 15 Prozent des Landeswaldes und zwei Prozent der Gesamtwaldfläche von Nordrhein-Westfalen der natürlichen Waldentwicklung überlassen werden. In den vergangenen zwei Monaten hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen bereits 1500 Hektar in verschiedenen Landesteilen gemeinsam mit den Zuständigen vor Ort vorgestellt. Mit den neuen Flächen im Kreis Kleve wächst diese Zahl auf rund 1800 Hektar an.
In Wildnisentwicklungsgebieten können Bäume ihr natürliches Höchstalter erreichen und als Alt- und Totholz wertvollen Lebensraum für seltene und gefährdete Arten bieten. Viele Arten sind gerade auf solche Wälder mit unterschiedlichen Altersphasen und vielfältigen Strukturen angewiesen. Schwarzspechte bauen bevorzugt in alten Buchen ihre Höhlen, die später auch von Hohltauben, Fledermäusen und Käuzen genutzt werden. Auch der seltene Hirschkäfer mit seinen geweihartigen Oberkiefern, der Urwaldrelikt-Käfer Eremit und Bockkäfer finden in alten Bäumen wertvollen Lebensraum. Zudem ziehen sich Wildkatzen bevorzugt in ungestörte Refugien von ungenutzten Wäldern zurück und ziehen dort ihre Jungen groß. Neben der großen Bedeutung für den Erhalt der biologischen Vielfalt unterstützen Wälder mit natürlicher Entwicklung auch den natürlichen Klimaschutz, dienen der Forschung, fungieren als wichtige Referenzfläche in Zeiten des Klimawandels und ermöglichen zudem attraktive Naturerfahrungen.„Mit der Ausweisung von rund 300 Hektar Wildnisgebieten im Reichswald leistet NRW einen wichtigen Beitrag für mehr Biodiversitäts- und Artenschutz und setzt damit eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung um“, sagt Dr. Volkhard Wille, natur- und umweltpolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion. „Sie sind ein essenzieller Bestandteil einer nachhaltigen Landesentwicklung“, fasst Wille die Bedeutung der Wildnisgebiete zusammen.