
Lebensqualität bis zum letzten Atemzug
Das Hospizhaus Brücke Friedel in Walbeck feiert am Montag, 7. April, sein 25. Jubiläum
Mit dem Tod ihres Bruders gab sie diesen Plan allerdings auf. „Danach wollte ich keine Hospiz-Arbeit mehr machen. Wenn in meiner Familie jemand gegangen ist, kam ich nicht so gut damit zurecht“, verrät Paternus. Ihr Entschluss änderte sich erst ein Jahr später durch einen Traum von einem Bild mit einem alten Segelschiff und einer untergehenden Sonne. „Darunter stand geschrieben: ‚Das Vermächtnis Karla Paternus‘.‘ Mehrmals im Traum sagte ich: ‚Nein, das mache ich nicht mehr‘“, erzählt sie. Mit einem wiederholten „Doch“ habe eine Stimme sie allerdings vom Gegenteil überzeugt. Wenig später machte sie sich daran, ihren alten Plan in die Tat umzusetzen.
Im Namen des Hauses fand sich schließlich sogar ihr Bruder Friedel wieder. Passend: Friedel bedeutet übersetzt Frieden. „Genau den möchten wir unseren Gästen und deren Angehörigen geben.“ Und die Brücke im Namen? „Sie trägt und verbindet Menschen und das Irdische mit dem Göttlichen“, erläutert Karla Paternus.
Als ihr heutiger Vermieter ihr das Gebäude in Walbeck anbot, war sie zunächst skeptisch: zu weit weg, so ihr Gedanke. „Ich wollte eigentlich nach Xanten“, gesteht sie mit einem Lächeln. Dann fuhr ihr mittlerweile verstorbener Ehemann mit ihr nach Walbeck zur Besichtigung – und Karla Paternus verliebte sich. „Ich sagte zu meinem Mann: ‚Willi, das ist es!‘ Wir haben davor gestanden wie kleine Kinder. Schon die Straße fand ich toll.“ Als auch der Mietpreis stimmte, geriet der Stein endgültig ins Rollen. Mit ein paar Risiken, versteht sich: Zusätzlich zu den Ersparnissen aus ihrer Naturheilpraxis musste sie für die Renovierung und Einrichtung des Hauses mehrere Kredite aufnehmen. „Ich dachte: ‚Oh mein Gott, hoffentlich geht das alles gut.‘ Aber mein Mann sagte: ‚Falls du pleite gehst, hast du mich.‘ Also habe ich angefangen.“
Wie man heute weiß, ist das Unterfangen geglückt. Das Hospiz ist gewachsen und gediehen: von acht auf elf und schließlich auf 16 Zimmer. Möglich machte das die Hinzunahme der benachbarten Physiotherapie und vor circa vier Jahren ein neuer Anbau. „Ich liebe dieses Haus“, sagt Karla Paternus noch heute, 25 Jahre später. „Ich hätte es gerne gekauft, aber dafür hatte ich nie das Geld.“
Heimelig und herzlich
Für den Charakter des Hospizes spielt das keine große Rolle. Wer das Gebäude betritt, spürt schnell die heimelige Atmosphäre und auf gewisse Weise auch die Herzlichkeit, mit der die 23 Vollzeit-Mitarbeiter ihre Gäste ver- und umsorgen. Warme, anregende Farben, große Wandbilder und Malereien, der Garten mit seinem Wasserlauf und Pavillons, die Hauskatze, die konfessionsfreie Kapelle – die Einrichtung ist auf das Wohlbefinden der Gäste ausgerichtet, ungeachtet ihrer Hintergründe. „Das Ziel ist, dass die Gäste auf ihrem letzten irdischen Weg gestärkt werden und Lebensfreude erfahren“, sagt Karla Paternus. Pflegedienstleiterin Carmen Evers-Andres ergänzt: „Meist verbinden die Menschen Hospize mit dem Krankenhaus-Stil.“ Erste Sorgen und Ängste würden sich daher für gewöhnlich schnell wieder verflüchtigen.
Das Team ermöglicht seinen Gästen einen flexiblen Alltag und richtet sich dabei stets nach ihren Bedürfnissen. „Wir kochen hier auch alles selbst“, sagt Karla Paternus. Dabei gehen die Mitarbeiter ebenfalls gerne auf Wünsche ein. „Wenn sich jemand ein Steak wünscht, dann kaufen wir eines.“ Vom Geruch bis zum Geschmack: „Es geht um die Lebensqualität bis zum letzten Atemzug.“ Daher gibt es auch keine unnötigen Regeln: Zigaretten oder ein Glas Wein? Kein Problem. „Dafür ist der Wintergarten da“, sagt Paternus.
Neben der Versorgung durch palliativ-medizinisch-pflegerische Dienstleistungen haben sowohl Gäste als auch Angehörige die Möglichkeit, zu spielen, zu malen, zu singen, zu musizieren, zu quatschen – oder einfach nur still Zeit miteinander zu verbringen. „Oft braucht es nicht viele Worte“, sagt Karla Paternus. Auf diese Weise gingen dem Tod oft noch schöne Stunden voran.
Fragt man sie nach Ratschlägen für den richtigen Umgang mit Todkranken, schüttelt sie nur mit dem Kopf. Dafür seien die Bedürfnisse der Menschen zu individuell. Nur eines kann sie mit Sicherheit sagen: „Wer kann, sollte für seine Angehörigen da sein.“
Der Natur ihrer Sache entsprechend unterstützen Hospize diesen Ansatz, Brücke Friedel ist da keine Ausnahme: Hier haben Angehörige nicht nur die Möglichkeit, zu übernachten. „Es gibt auch keine festen Besuchszeiten. Die Tür steht immer offen“, betont Carmen Evers-Andres. Da es ein weiteres erklärtes Ziel ist, die Menschen in schwierigen Zeiten zu stärken und aufzufangen, haben die Mitarbeiter immer auch ein offenes Ohr für ihre Gäste und deren Angehörige. Das schließt eine Nachsorge nach dem Todesfall mit ein. „Viele Angehörige besuchen uns im Nachgang noch ein paar Mal, weil sie Zeit brauchen und sich hier auch sehr wohl gefühlt haben.“
Steigender Bedarf
Doch wie sieht überhaupt die allgemeine Lage aus? „Der Bedarf an Hospizplätzen ist riesig“, sagt Karla Paternus. „Wir haben das Gefühl, dass es immer mehr wird.“ Viele Anfragen kämen von den Krankenhäusern, viele jedoch auch aus privatem Umfeld, erläutert Carmen Evers-Andres. „Aber Zusagen können wir leider keine machen.“ Stattdessen bleibe nur, die Warteliste abzuarbeiten.
Das ist aber nicht die einzige Herausforderung. Geht es um die Finanzierung, seien auch die Bedarfstagessätze viel zu niedrig, zumal es bei den Geldern für Hospize unverständlicherweise teils große Unterschiede gebe – im Gegensatz zur einheitlichen Summe für Krankenhäuser. „Die Hospize müssen um jeden Pfennig feilschen. Häufig werden die Kosten nicht gedeckt“, sagt Evers-Andres. „Oft bezahlen wir die Einkäufe sogar aus eigener Tasche“, führt Karla Paternus fort. Umso bedeutender seien für das Hospiz die Spenden, betonen die beiden Frauen.
Ein weiterer Klotz am Bein sei die ausufernde Bürokratie. Nicht selten unnötig, stehle sie vor allem Zeit für das Wesentliche: den Menschen. „Das ist aber ein Problem, das es überall in der Pflege gibt“, sagt Paternus.
Die Motivation und den Spaß am Leben möchte man sich im Hospizhaus Brücke Friedel davon aber nicht nehmen lassen. Für Montag, 7. April, um 10 Uhr – zur selben Uhrzeit, an dem das Hospiz vor 25 Jahren eröffnet wurde – ist eine kleine Feierstunde geplant. Zusammen mit den Gästen, Angehörigen und ehemaligen Angehörigen, dem Vermieter, den mit dem Hospiz arbeitenden Ärzten und Apothekern sowie der stellvertretenden Bürgermeisterin Bärbel Wolters soll es ein schönes Beisammensein mit einem kleinen Frühstücksbuffet geben.
Wie andere Hospize auch freut sich das Team Brücke Friedel außerdem nach wie vor über weitere Unterstützung, zum Beispiel in Gestalt ehrenamtlicher Helfer. Dafür braucht es nur zwei Dinge, wie Karla Paternus weiß: „Den Willen und das Herz am rechten Fleck.“
Die hauseigene Kapelle ist konfessionslos und bietet somit ungeachtet der kulturellen Hintergründe allen Gästen einen Ort der Stille und des Gebets. Foto: Thomas Langer

Im Hospizhaus Brücke Friedel sollen sich die Gäste wohlfühlen. Das spiegelt auch die Einrichtung wider, zu der auch dieser Wunsch-Baum gehört. Angefertigt hat ihn einst Karla Paternus‘ mittlerweile verstorbener Ehemann. Foto: Thomas Langer
Die Gründerin Karla Paternus (l.) blickt mit ihrer Tochter und Pflegedienstleiterin Carmen Evers-Andres (r.) zurück auf 25 Jahre Hospizhaus Brücke Friedel. NN-Fotos: Thomas Langer
