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Harald Kleinecke als Olaf Niemann. NN-Foto: Rüdiger Dehnen
26. September 2025 · Heiner Frost · Kleve

Kleineckes Niemandsland

Theatrale Tragikomödie über die Abnabelung in einer ehemals geteilten Stadt

KLEVE. Olaf ist 18. Er entgeht seiner Einberufung zur Bundeswehr durch den Umzug in eine ‚geteilte Stadt‘: Berlin in den 70-ern des 20. Jahrhunderts. Das ist das Ausgangsszenario für „Niemandsland“ – eine Tragikomödie von und mit Harald Kleinecke – zu sehen am 3. und 31. Oktober (jeweils um 20 Uhr) im Klever Theater im Fluss.

Das Stück beginnt mit Olafs Ankunft in der ... fast hätte man ja „Hauptstadt“ geschrieben. Aber Berlin-West in den 70-ern war eine Insel.

Dramaturgisch setzt Kleinecke die Ankunft mit einer „Einkleidung“ in Szene. „Ich komme mit meinen Koffern ein und werde dann zu Olaf. Setze eine Perücke auf, ziehe eine Jeansjacke an. Die Leute sehen mir dabei zu.“ Ein Umzug also im doppelten Sinn.

Es ist einer von Kleineckes ersten Probentagen. Noch ist von der Bühne nicht viel zu sehen. Auch ausgeleuchtet ist noch nichts. Was soll‘s: Theater ist ohnehin 90 Prozent Phantasie.

Nicht nur die Bühne ist sparsam möbliert – auch das Stück selbst. Kleinecke: „Es tauchen andere Personen auf, aber die werden nur dadurch ‚sichtbar‘, dass ich mit ihnen spreche.“ Ein Theatersolo also.

Niemandsland sei, sagt Kleinecke, nicht zuletzt eine Studie über die Abnabelung. Da ist die Familie: Die Mutter taucht am Telefon auf und wenn es laut wird, hält Olaf den Hörer auf Armlängenweite.

Da wäre der Großvater, der zwei Kriege erlebt hat. „Ich werde niemals schießen“, sagt Olaf, der Wehrdienstverweigerer und der Großvater sagt: „Wenn ich damals nicht geschossen hätte, wärst du jetzt nicht hier.“

Und dann ist da die Frau aus dem Osten: Olaf sieht sie durchs Fenster seines Zimmers. Er wird sie besuchen. Er wird in Kontakt zum Grenzpersonal kommen – er, der Dichter werden möchte. Er, der ungelenke Gedichte verfasst in einer Sprache, die weit entfernt vom wirklichen Leben in Reimform ihre lyrischen Bahnen zieht.

Kleinecke: „Natürlich gibt es auch einen Soundtrack zum Stück.“ Musik von den Doors ist zu hören, von Pink Floyd und David Bowie. Man taumelt durch eine längst vergangene Zeit – durch gebrauchte Gedanken, die verkleidet wiederkehren.

Wie heißt eigentlich das Stück?„Niemandsland“, sagt Kleinecke und erzählt, dass er zuerst „Niemannsland“ geschrieben hatte. Der Grund ist Olafs Nachname: Niemann. Man erwischt sich beim spontanen Wunsch, das Stück möge doch Niemannsland heißen: Schon tut sich eine poetische Ebene auf. Sie macht die geteilte Stadt zum Territorium einer Flucht nach innen. Berlin als Symbolstaffage für den Zustand eines Einzelnen, einer Geschichte, einer Teilung, einer Nation. „Niemandsland“ ist übrigens keine neue Produktion. Kleinecke hat es 2000 oder 2001 erstmals gespielt. „Ich müsste das nachschauen.“ Muss er nicht. Spielt ja keine Rolle. Niemandsland – ein tragikomischpoetisches Solo aus einem Deutschland, das es so nicht mehr gibt. Ein Vergangenheitsschaukasten. Ein Stück über Teilung, Abnabelung, Annäherung und Entfremdung.

Harald Kleinecke als Olaf Niemann. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

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