
Eine Kalkarer Initiative gegen den Hausärztemangel
Mediziner, Stadtverwaltung und Wirtschaftsförderung arbeiten zusammen
Im Klever Gebiet der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), zu denen neben Kalkar auch Kleve, Kranenburg und Bedburg-Hau gehören, fehlen aktuell 13 Hausärzte – Tendenz steigend. „Durch den Abgang der Babyboomer verschärft sich die Situation immer mehr“, weiß Kalkars Bürgermeisterin Britta Schulz. „Wenn man das Gebiet noch etwas weiterzieht – also rein in den Kreis Wesel Richtung Xanten und Wesel – fehlen sogar 30 Hausärzte für diese Region“, ergänzt Sebastian Vollmar, ebenfalls niedergelassener Allgemeinmediziner in Kalkar. Allein in diesem Jahr würden zudem zwei Kollegen altersbedingt ihre Kassenzulassung aufgeben. Nachfolger seien bislang jedoch nicht in Sicht.
Dass dringender Handlungsbedarf herrscht, ist auch in Kalkar nichts Neues. Doch die Mediziner, Stadtverwaltung und Wirtschaftsförderung wollen dem vehement entgegentreten und haben die Initiative „Ärztliche Versorgung Kalkar (ÄVK)“ gegründet.
Mit ihrer Hilfe soll eine einzelfallabhängige, bedarfsgerechte Unterstützung bei der Gründung oder Erweiterung einer Praxis gewährt werden. Der Fokus solle im ersten Schritt auf die hausärztliche Versorgung gerichtet werden. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse könnten aber ebenso dazu genutzt, auch Anreize für Fachärzte zu schaffen.
„Die Initiative ,Ärztliche Versorgung Kalkar (ÄVK)‘ ruht auf drei Säulen“, erklärt Kalkars Wirtschaftsförderer Bruno Ketteler. Säule eins sei die Unterstützung potentieller Interessenten durch in Kalkar ansässige Ärzte. „Wir bieten interessierten Medizinern ein kollegiales Netzwerk mit konkreten Hilfestellungen praktischer Art und gegenseitige Unterstützungen“, erläutert Pamela Nüße, die dazu auch Ärzte bei sich hospitieren lässt.
Denn viele Mediziner hätten eine völlig falsche Vorstellung von der Arbeit als Hausarzt. „Ich bin Mutter von drei schulpflichtigen Kindern. Als ich in die Hausarztpraxis vor zehn Jahren eingestiegen bin, war mein Jüngster gerade ein Jahr alt – und ich kann sagen, dass ich in dieser Zeit Familie und Beruf super miteinander vereinbaren konnte“, sagt Nüße. Dabei sei auch ihr Mann in Vollzeit als Polizist beschäftigt, „und damit viel unterwegs“. Sie habe aber die Nachmittage immer bei ihren Kindern sein können. „Wenn ich nicht da bin, vertritt mich jemand anders. Ich kann als Selbstständige zudem entscheiden, wann und wie viel ich arbeite. Das konnte ich in der Klinik nicht. Mit Schicht- und Wochenenddiensten hätte ich nicht so viel Zeit mit der Familie verbringen können“, sagt Nüße.
Das bestätigt auch Frank Voeten, niedergelassener Allgemeinmediziner in Xanten-Vynen: „Ein Hausarzt verfügt faktisch über ein hohes Maß an eigengesteuerter Arbeitszeit.“ Diese Flexibilität mache die Tätigkeit auch interessant für den Quereinstieg von Fachärzten anderer Bereiche wie Anästhesie.
Sebastian Vollmer möchte angehenden Hausärzten darüber hinaus die Angst vor der Bürokratie und den Abrechnungen nehmen. „Da können wir in kollegialer Sicht unterstützen und helfen“, sagt Vollmer. Da er das alles vor noch nicht allzu langer Zeit selbst durchlebt habe, sei die Hilfe sicherlich noch einmal konkreter. Auch vor den Abrechnungen brauche man keine Angst haben. Hierfür gebe es ebenso Hilfen und ein Praxisteam, das zur Seite stehe. „Und das ist auch wirklich ein Team. Da gibt es keine Hierarchie wie im Krankenhaus“, betont Vollmer.
Zwei Kalkarer Hausarztpraxen verfügen zudem über eine entsprechende Weiterbildungsbefugnis. Quereinsteiger können für einen Zeitraum zwischen zwölf und 24 Monaten eine finanzielle Förderung von bis zu 7.500 Euro pro Monat erhalten. Über 400 Ärzte aus Krankenhäusern oder aus anderen Fachbereichen haben dieses Ange-
bot in den vergangenen Jahren NRW-weit genutzt.
Die zweite Säule der Initiative „Ärztliche Versorgung Kalkar (ÄVK)“ sei die Unterstützung durch die Stadt Kalkar. Stefan Urselmans, Fachbereichsleiter Bürgerdienste, wird für allgemeine Fragestellungen zu Fördermittelangeboten zur Verfügung stehen. „Was viele Mediziner nicht wissen, ist, dass das Land NRW und die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein in Summe bis zu 130.000 Euro für angehende niedergelassene Ärzte zur
Verfügung stellen,“ sagt Urselmans und ergänzt: „In welchem Umfang die Stadt Kalkar darüber hinaus einen Investitionskostenzuschuss oder Liquiditätshilfen im Gründungsjahr gewährt, bedarf noch der Beratung in den städtischen Gremien.“ Finanzielle Sorgen bräuchten Hausärzte, die eine Praxis übernehmen oder sich selbst in neuen Räumlichkeiten niederlassen – was aktuell aufgrund der 13 offenen Kassenplätze im Klever KV-Gebiet leicht möglich wäre – nicht haben, bestätigen auch die drei Allgemeinmediziner Nüße, Vollmer und Voeten.
Die Wirtschaftsförderung Kalkar zeichnet sich darüber hinaus für die dritte Säule der Initiative verantwortlich. „Wir koordinieren die unterschiedlichen Aktivitäten und unterstützen potenzielle Ärzte bei der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten oder
Grundstücken“, sagt Wirtschaftsförderer Ketteler. „Gemeinsam mit den übrigen Akteuren möchten wir Medizinern den Start in Kalkar so leicht wie möglich machen.“
Sollte es nicht möglich sein, mehr Hausärzte in die Region zu locken, sehe die Zukunft allerdings düster aus: „Ich nehme jetzt schon nur noch zugezogene Patienten an. Ansonsten bin ich ausgelastet“, sagt Nüße. Bei den anderen beiden Allgemeinmedizinern sieht das genauso aus – mit unschönen Folgen für die Patienten. Denn Patienten von Ärzten, die in den Ruhestand gehen und für die kein Nachfolger gefunden wird, könnten kaum bis gar nicht auf die anderen Hausärzte verteilt werden. „Wir können ja nicht mehr wie arbeiten“, begründet Nüße. Am Ende treffe der Hausärztemangel also immer den Patienten.
Sabrina PetersGemeinsam wollen ansässige Ärzte, die Stadt Kalkar und die Wirtschaftsförderung Ärzte für die Nicolaistadt gewinnen. Sebastian Vollmar, Pamela Nüße, Frank Voeten (vorne v.l.) und Stefan Urselmans, Britta Schulz und Bruno Ketteler (hinten v.l.) stellten die Initiative „Ärztliche Versorgung Kalkar vor. NN-Foto: SP

Redakteurin in Xanten, Kalkar, Rheinberg und Alpen sowie Büderich und Ginderich