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Das Haus des Erinnerns und Gedenkens – eine Visualisierung. Grafik: Architekturbüro Hülsmann Thieme Minor
8. November 2024 · Heiner Frost · Kleve

Blick zurück – Blick nach vorn

Auf dem Synagogenplatz soll ein Gebäude entstehen, das die Transparenz der Demokratie abbildet

KLEVE. Unterhalb der Schwanenburg in Kleve: der Synagogenplatz. Eine Lücke – eben dort, wo einst jüdisches (Glaubens)Leben stattfand. Der Synagogenplatz: ein Ort des Erinnerns. Erinnern ist eine rückwärtsgerichtete Handlung. Man kann sich nicht nach vorn erinnern ..

Dass irgendwann auf dem Platz, an dem einst die Synagoge stand, der Blick nach vorn gerichtet werden soll – dass auf einem Platz, der Zeugnis für eine Auslöschung ablegt, künftig im Angesicht der Erinnerung Zukunft erfahrbar, planbar und denkbar werden könnte – dass eben dort ein lichter Ort für ein friedliches Miteinander entstehhen könnte, war ein Gedanke, der schon lange gedacht wurde und jetzt einer Verwirklichung ein großes Stück näher gekommen ist. Es geht um das „Haus des Erinnerns und Gedenkens“ am Synagogenplatz in Kleve.

Im Mai 2023 stimmte der Rat der Stadt Kleve (mit einer über 90-prozentigen Mehrheit) einem interfraktionellen Antrag zur Neugestaltung des Synagogenplatzes zu. Grundlage für die Neugestaltung: der Entwurf des Architekten Friedhelm Hülsmann. Wie geht man um mit einem Ort wie dem Synagogenplatz? Hülsmanns Entwurf: ein transparentes Gebäude – eines, das einen wichtigen Grundbestandteil der Demokratie sichtbar machen soll: Durchsichtigkeit. Durschaubarkeit. Hülsmann: „Der untere Teil des Gebäudes ist quasi eine Art offener Überdachung des jetzigen Platzes. Im Idealfall soll dieser Teil des Gebäudes dauerhaft für jeden zugänglich sein – so, wie es der Platz auch jetzt ist.“ In einem Konzeptpapier heißt es dazu: „Der Wunsch, den jetzigen Synagogenplatz als Ausgangspunkt des Erinnerns und Gedenkens unangetastet zu lassen, stellt besondere Anforderungen an eine hier zu errichtende bauliche Anlage. Der Gedanke ist, Ein Gebäude innerhalb der ehemaligen Grundmauern zu errichten, dessen Erdgeschoss offen, jedoch mit zwei Etagen überbaut ist, die multifunktionale Räumlichkeiten beherbergen.“ Ron Manheim, der seinerzeit (vor 15 Jahren) den Anstoß gab, spricht von einem Gebäude, das Ort (und also Heimstatt) für einen respektvollen Umgang der Menschen miteinander sein solle. „Es geht darum, einen Ort des Treffens, der Diskussion und des Zuhörens zu schaffen.“

Friedhelm Hülsmann wiederum spricht aus architektonischer Sicht von einem „einfachen Gebäude“ und meint – neben der „Durchsichtigkeit“ – auch die Anforderungen an eine leicht zu bedienende Technik. Ein Problem bei der Verwirklichung: Ein gläsernes Gebäude wird bei sommerlichen Temperaturen schnell zum Treibhaus. „Wir haben dafür eine Lösung gefunden.“ Der gesamte Baukörper wird in ein Textilgewebe „eingesponnen“, das zur Verschattung dient, ohne dabei die Sichtbarkeit zu verstellen.

„Die Umsetzung des Vorhabens verantwortet eine rechtsfähige Bürgerstiftung, die Träger und Betreiber des Hauses wird und für dessen nachhaltige Bewirtschaftung verantwortlich zeichnet“, heißt es im Nutzungskonzept. Das Haus stehe allen Personen, Vereinen und Institutionen zur Nutzung offen, die sich im Sinne der Stiftungssatzung den folgenden Aufgaben verpflichtet fühlen: der Erinnerung des Gedenkens an die Geschichte des Judentums am Niederrhein, die individuelle Geschichte jüdischer Familien in Kleve und am Niederrhein, die Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust in Kleve und am Niederrhein.“ Konkrete Gestalt könne das unter anderem in Formaten wie Gedenkveranstaltungen, Vorträgen und Konferenzen, annehmen, Antidiskriminierungsarbeit in Schulen, Vereinen, Unternehmen und sonstigen Institutionen finden.

Zum Thema Finanzierung heißt es: Zur Finanzierung von Bau und laufendem Betrieb des Hauses werden öffentliche und private Gelder in Form von Spenden und Fördermitteln eingeworben. Friedhelm Hülsmann veranschlagt die Kosten für die Errichtung auf vier Millionen Euro. Dieser Betrag gelte allerdings nicht unbefristet. Bis Ende 2028 soll nun das Geld zusammengebracht werden. Fertig werden könnte das Projekt 2029.

Gleichzeitig mit den Entwürfen für das „Haus des Erinnerns und Gedenkens“ wurde auch die Satzung für die „Treuhänderische Bürgerstiftung Haus des Erinnerns und Gedenkens“ vorgestellt. Auszug: „Die Stiftung versteht sich als Ausdruck bürgerschaftlichen Engagements, das ein zentrales städtisches Grundstück, private Geldmittel und den Einfallsreichtum, die Einsatzbereitschaft und die Arbeitskraft der örtlichen Bevölkerung zur Förderung der friedlichen und respektvollen Gemeinschaft und zur Fortentwicklung von Stadt und Region Kleve zusammenführt. Bei ihren Aktivitäten wird sie geleitet von der Achtung der anderen und Andersdenkenden, von den Gedanken der Toleranz und Solidarität, von der Achtung der Grundrechte und der Rechte von Minderheiten.“

Es warten also bauliche und ideologische Herausforderungen auf höchstem Niveau, um aus dem Erinnern eine lebbare Perspektive werden zu lassen. Man wünscht gutes Gelingen.

Das Haus des Erinnerns und Gedenkens – eine Visualisierung. Grafik: Architekturbüro Hülsmann Thieme Minor

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