
Nach der Brandung die Stille
Eröffnung des Haldern Pop Festivals – Besucher sind von „unglaublichem Konzert“ begeistert
HALDERN. 8. August, 12 Uhr. Das Eröffnungskonzert des Haldern Pop. Nach dem Auftrittsapplaus fliegt ein „sshhh“ durch die Kirche. Als die Welle abgeebbt ist, treffen Palestrina und Minimal Music aufeinander – nur, dass Palestrina nicht Pala-estrina ist und Minimal nicht Minimal.
Auf der Bühne: Cantus Domus und Anushka Chkheidze. Chor hier – Frauenklangpower dort. Als die Klänge den Raum zu füllen beginnen, weiß man, warum man hier ist. Das sind die Momente, die sich klingend einbrennen. Das hier ist ein Konzentrat aus kreativer Stille. Töne, die selbst aus Ruhe gebaut zu sein scheinen. Man kratzt an der Unmöglichkeit, Gehörtes zu beschreiben. Die da vorn auf der Bühne, die eigentlich Altarraum ist, knüpfen mit ein paar Akkorden einen Teppich, auf dem man über das Elend des Gegenwärtigen laufen kann, ohne die Traurigkeit zu vergessen.
Man denkt an Walser: „Von allen Stimmen, die aus mir sprechen, ist meine die Schwächste.“ Macht nichts. Jetzt haben andere für 45 Minuten das Sagensingenklingen. Irgendwie liegt Melancholie in der Luft. Wenn nach diesen Tönen die Welt verglühen würde – es wäre ein würdiger Abschied gewesen. Mitten ins aufgeputschte Jetzt werden von da vorn Friedensklänge ins Ohr gepflanzt – in einer vollen Kirche. Da vorn tragen sie aus unterschiedlichen Klangvergangenheiten eine zerbrechliche Gegenwart zusammen.
Geister wehen durch den Raum: Palestrina, Duruflé, Steve Reich – dazu feiern Synthesizerklänge aus den 80ern Wiederauferstehung im neuen Gewand. Da vorn entstehen keine Schubladenklänge – was da im Raum schwebt, lässt sich nur schwer kartieren: Gottseidank. Das setzt sich etwas Unerhörtes zusammen. Das Konzert: Ebbe, Flut, Ebbe: Der Schlussapplaus: eine Brandung. Die Seele: grundgereinigt. Man könnte abreisen. Natürlich bleibt man. Klänge als Heilpflaster und Trosthafen. Vielleicht ist man zu alt, um das Schöne unbeschadet zu überstehen. Es wird weitere magische Momente geben.
Man geht zum EisAmt – Erfeischung tanken. Am Nebentisch unterhalten sich zwei. „Unglaubliches Konzert. Du kommst rein. Volle Kirche. Die Leute quatschen. Dann, als die Künstler kommen, Applaus und dann Stille. Von jetzt auf gleich. Erlebst du echt nur in Haldern.“ Und: „Unglaubliches Konzert. Dafür wäre ich 500 Kilometer gefahren. Und wenn nichts mehr käme – es hätte sich auf jeden Fall gelohnt.“

Das Haldern Pop begrüßt seine Gäste. NN-Foto: HF Foto: Heiner Frost
Das Eröffnungskonzert in der Halderner Kirche bietet am Donnerstag viel Frauenpower. NN-Foto: HF
