
„Kanusport ist Familiensport“
Von Rhein über Loire bis Colorado River: Emmericher Kanuverein (EKV) feiert sein 100-jähriges Bestehen
EMMERICH. Alles beginnt mit einem Faltboot. Walter Tillmanns kauft es 1923 und legt damit den Grundstein für einen Verein, der zwei Jahre später gegründet wird und nun sein 100. Jubiläum feiert: der Emmericher Kanuverein (EKV). Der Verein hat eine bewegte Geschichte hinter sich – wie so manches Gewässer, auf dem gepaddelt wird; seine Mitglieder haben im Laufe der Jahre unzählige Flüsse nicht nur in Deutschland, sondern weltweit befahren.
Zur Geschichte des Vereins gehören zweifelsfrei die Boots- und Vereinshäuser. Das erste entsteht auf dem Grundstück der Dampfölmühle, der Holzschuppen bietet gerade mal Platz für zwölf Boote. Bereits das zweite Haus, gebaut auf dem Grundstück des Hauptzollamtes, fasst rund 50 Boote. Wie so viele Gebäude, wird auch dieses im Zweiten Weltkrieg im Bombenhagel zerstört. 1949 findet die erste Versammlung nach Kriegsende statt, 22 Mitgliedern nehmen daran teil. Nur ein Jahr später wird neben der Hofmeisterei ein neues Bootshaus errichtet.
In den folgenden zehn Jahren entwickelt sich der Kanuverein in Emmerich enorm weiter, die Mitgliederzahlen steigen. So wird das Bootshaus schnell zu klein, und zwischen 1959 und 1962 wird ein neues Vereinsheim errichtet – rund 8.300 Arbeitsstunden investieren die Kanuten in den Bau. 1986, mit dem Ausbau des Containerhafens, muss sich der EKV nach einer neuen Bleibe umschauen. Im August beginnt der Bau des Vereinsheims an der Kupferstraße, das am 23. April 1989 eröffnet wird und bis heute die Heimat der Kanuten ist.
Doch was wären Kanuten ohne Wasser? Und so verlassen die Emmericher schon früh die heimischen Gewässer rund um die Hansestadt. 1936 nimmt eine sechsköpfige Delegation an einer Sternfahrt auf Flüssen und Kanälen rund um Berlin statt – Anlass ist der Gewinn der Goldmedaille für Deutschland bei den Olympischen Spielen in Berlin.
In den 1960er Jahren sind die Emmericher Kanuten immer wieder „per Anhalter“ unterwegs, wenn sie für Wochenendtouren oder Urlaubswanderfahrten größere Strecken absolvieren wollen. „Sie sind mit ihren Faltbooten direkt an die fahrenden Rheinschiffe herangepaddelt und haben sich von den Berufsschiffern flussaufwärts mitnehmen lassen, bis nach Duisburg oder auch zur Lorelei“, erzählt Gaby Geerlings-Wasse, die aktuelle 1. Vorsitzende des EKV. „Dann sind sie wieder rheinabwärts gepadddelt, haben unterwegs gezeltet oder bei befreundeten Kanuvereinen übernachtet.“
Im Laufe der Jahre werden die Faltboote nach und nach von Kajaks aus GFK abgelöst; die ersten dieser Boote entstehen in Eigenarbeit. Gleichzeitig führen die Urlaubsfahrten und Abenteuertouren die Emmericher auch ins benachbarte Ausland, etwa nach Frankreich auf die Ardèche und Loire. Ab den 1970er Jahren werden auch Wildwasserflüsse befahren.
Bis heute sind die Kanuten aus Emmerich auf Nord- und Ostsee gepaddelt, durch die wilden Schluchten von Tarn und Verdon, auf den Seen Schwedens sowie auf Flüssen in Finnland und Norwegen. Selbst andere Kontinente haben EKV-Mitglieder bereist, sind beispielsweise in den USA auf dem Colorado River durch den Grand Canyon gepaddelt und in Südafrika auf dem Fluss Oranje.
Im Mittelpunkt der sportlichen Aktivitäten des EKV stehen – als Freizeit-Wandersportverein – nicht Wettkämpfe. Vielmehr beziehen sich Wertungen und Abzeichen auf die Kilometerleistungen, sprich die Strecke, die im Verlauf eines Jahres zurückgelegt wird. Entsprechend gibt es auch bei den Gruppen, die unterwegs sind, keine Alterseinteilung; stattdessen entscheidet die Art des Gewässers – Fluss, See, Wildwasser –, wer dabei ist.
Besagte Gruppen sind jedoch mehr als dies: „Kanusport ist Familiensport“, betont Gaby Geerlings-Wasse. Dies bezieht sich eineseits auf den Zusammenhalt im Verein, auf die Verantwortung, die die Mitglieder füreinander übernehmen. Und für die Natur, wie Geerlings-Wasse hervorhebt: „Schon immer gilt für uns Kanuten, die Natur bewusst wahrzunehmen und sorgsam zu behandeln.“ Andererseits ist der Begriff „Familiensport“ auch wörtlich zu nehmen: Immer wieder wird das Paddel von einer Generation an die nächste weitergegeben. So auch bei Familie Geerlings: „Mein Vater hat mit 17 mit dem Kanusport angefangen“, erzählt Gaby Geerlings-Wasse und fügt schmunzelnd hinzu: „Ich wurde quasi in den Verein hineingeboren.“ Auch die Vorstandsarbeit liegt in der Familie. „Solche Beispiele gibt es aber viele bei uns im Verein“, betont Geerlings-Wasse. „Jung und alt paddeln zusammen.“
An diesem Wochenende feiert der EKV nun sei 100-jähriges Bestehen, verknüpft dies mit dem Bezirksabpaddeln. Zahlreiche Kanuten befreundeter Vereine aus dem deutschen und niederländischen Raum sind dabei, unter anderem wird auch Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze Grußworte zum Vereinsjubiläum sprechen.
Wer mehr über den Kanusport und den EKV erfahren möchte, findet unter www.emmericher-kanuverein.de weitere Informationen, meldet sich per E-Mail an info@ekv-1925.de oder schaut einfach beim Vereinsabend jeden Mittwoch ab 19 Uhr im Bootshaus an der Kupferstraße vorbei.

Auf dem Rhein lassen sich ganz neue „Seiten“ von Emmerich entdecken. Foto: EKV
Emmericher Kanuten in den 1930er Jahren. Foto: EKV
