
GenmodifizierteGetränke? Lebensmitteltechnologien der Zukunft diskutiert
Studierende an der Fontys Universität Venlo wägen innovative Ideen ab – alles mit der Hilfe eines Spiels
NIEDERRHEIN.Die Umwelt verändert sich, der Klimawandel hält Einzug. Landwirte kämpfen mit schlechten Erträgen bei ihren Ernten und die Haltungskosten für Zuchttiere steigen. Wo die Probleme immer größer werden versuchen kluge Köpfe kreative Lösungen zu finden, um die Zukunft der Lebensmittel- und Agrarindustrie zu sichern. Auch an der Fontys Universität in Venlo ist dieses Thema präsenter als je zuvor. Studierende diskutieren hier über moralische Fragen rund um neue Lebensmitteltechnologien. Alles mit der Hilfe eines Brettspiels.
Das „Moral Food“-Game regt zum Nachdenken und zwischen den Spielenden auch zu einer Diskussion über ihre eigenen Werte und ihr Handeln an. Kreiert am Fontys Standort in Eindhoven, übernahmen die Venloer das Konzept und passten es an ihre Bedürfnisse an. Gespielt wurde bis jetzt nur mit Studierenden auf dem Uni-Campus, es sollen zukünftig aber beispielsweise auch Experten im Bereich Landwirtschaft oder Lebensmitteltechnologie eingeladen werden. Das Ziel: neue Perspektiven schaffen. „Mit dem Moral Food Game versuchen wir herauszufinden, welche Werte uns motivieren, bestimmte Lebensmittel zu konsumieren – sei es Fleisch, kein Fleisch, kultiviertes Fleisch oder Insekten-basierte Alternativen. Eine zentrale Frage ist, ob diesen Entscheidungen dieselben Werte zugrunde liegen. Was motiviert uns und was hält uns davon ab, neue Lebensmittel auszuprobieren?“, sagt Dr. Sonja Floto-Stammen, Dozentin an der Hochschule und leitende Forscherin des Projekts.
Jedes Spiel läuft in drei Runden mit je sieben Spielern, die zu unterschiedlichen Themen verschiedene Positionen einnehmen. Die erste Runde beschäftigt sich mit einem aktuellen Fallbeispiel: Die Teilnehmer diskutieren, ob ein Himbeerdrink, der mit einem genmodifizierten Aroma hergestellt wird, auf einem Sportfest angeboten werden soll. Im Spiel wird das Getränk von einem Biotechnologiekonzern entwickelt, diesem liegt auch in der Realität ein echtes Unternehmen zugrunde, welches daran interessiert ist, zu erfahren, wie sie durch bessere Technologie und Kommunikation Konsumenten ansprechen können. Chantal Vogt, studentische Assistentin in der Research Group Business Innovation, moderiert die Spielrunden. Sie stellt den Studierenden die Fragestellung und das Unternehmen vor. Die Teilnehmer – in diesem Fall Studierende der Fontys – nehmen aus verschiedenen Gründen teil: Einige interessieren sich besonders für das Thema oder das Spiel selbst, während andere auch Studienpunkte sammeln möchten.
Während der Durchgänge des Spiels diskutieren die Teilnehmer intensiv, wer den Drink ausprobieren würde, wer strikt dagegen ist und wer ihn unter bestimmten Bedingungen trinken würde. Viele äußern Bedenken hinsichtlich der Transparenz: „Wichtig ist mir, dass die Konsumenten wissen, was sie dort kaufen – ein Produkt, das mit einer neuen Methode produziert wurde“, sagt ein Teilnehmer. Ein anderer ergänzt: „Ich finde es richtig, Innovationen anzubieten, solange man die eigene Entscheidung treffen kann.“ Die Diskussion zeigt ein breites Spektrum an Meinungen: Skepsis gegenüber der Genmodifizierung, Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit eines solchen Angebots auf einem Sportfest, aber auch Offenheit. Interessant ist das Thema der Genmodifizierung im Hinblick auf den Klimawandel und sich damit ändernde Pflanzbedingungen, wie Floto-Stammen beschreibt: „In der Research Group suchen wir nach Lösungen für aktuelle Probleme. Mit dem ‚genom-editing‘ könnten Ackerpflanzen zum Beispiel robuster gegenüber Feuchtigkeit werden. In dem Moral Food Game kann man in der Gruppe geordnet darüber diskutieren und an verschiedenen Ansätzen anknüpfen.“
Ob man überhaupt offen für diese neuen Ansätze der Problemlösung ist, ist manchmal fast schon eine Debatte für sich. Interessant wird es im Spiel in diesem Zusammenhang, als die Grundwerte der Teilnehmer ins Spiel kommen. „Ich finde es besonders wichtig, dass ein Problem gelöst wird“, meint ein Teilnehmer. Ein anderer ergänzt: „Für mich persönlich muss nicht unbedingt ein Problem gelöst werden, es muss aber ein klarer Vorteil vorhanden sein.“ Am Ende der Diskussion stimmen die meisten zu, dass ein genmodifizierter Himbeerdrink eine interessante Option sein könnte, vorausgesetzt, es werden transparente Informationen bereitgestellt und man hat die Freiheit, selbst zu entscheiden. „Ich wusste nicht, was mich erwartet, aber es war wirklich spannend, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Das ist wirklich relevant, was da mit neuen Lebensmitteln passiert“, reflektiert ein Teilnehmer.
In den kommenden Wochen laufen elf weitere Spielrunden, die auf Deutsch, Englisch oder Niederländisch gespielt werden. Die bisherigen Ergebnisse fließen in die Weiterentwicklung des Spiels ein, das als Tool für den Unterricht und zur Messung von Werten genutzt wird. Die Forschungsgruppe Business Innovation und die Maastricht University arbeiten in diesem Projekt eng zusammen. „Das Moral Food Game zeigt, dass Entscheidungen nicht nur von der Technologie, sondern auch von den Werten abhängen, die uns leiten. Ein spannender Schritt in Richtung einer nachhaltigen Zukunft der Lebensmittelindustrie“, sagt Dozentin Sonja Floto-Stammen abschließend.