Einjährige Reise: Mobile Klinik erreicht Syrien
Aktion Pro Humanität berichtet von ersten Erfolgen des neusten Hilfsprojekts
Aktiv in Syrien ist die APH bereits seit den Kriegszeiten in 2017. Nachdem es 2023 in der Türkei und in Syrien zum großen Erdbeben kam und die Zeichen auf Krisen- und Katastrophenhilfe standen, kam der APH zusammen mit Erzbischof Jacques Mourad der Gedanke für eine mobile Praxis, um dabei zu helfen, die medizinische Grundversorgung der circa 20.000 Menschen am Ostrand des Bistums Homs sicherzustellen – nahe und teils in der syrischen Wüste.
Dank der Mithilfe zahlreicher Akteure und Spender hat sich der umgebaute Mercedes-Sprinter-Bus zwar bereits im September 2024 von Kevelaer aus auf den Weg nach Syrien gemacht, an der türkisch-syrischen Grenze stießen Anestis Ioanidis und sein Team von human plus jedoch auf Probleme: Dort verlangte man für einen einfachen Transit-Vorgang Gebühren in Höhe von 10.000 Euro und den Wechsel auf einen türkischen Fahrer. „Wir haben sofort gesagt, dass das nicht in Frage kommt, weder das eine, noch das andere“, sagt die Vorsitzende der Stiftung, Dr. med. Elke Kleuren-Schryvers.
Ihren Weg nach Syrien fand die mobile Praxis schließlich innerhalb eines Jahres über den Landweg nach Griechenland und von dort – nach langer Wartezeit und mehreren israelischen Angriffen auf die Häfen in Beirut und Latakia – per Schiff. Als große Hilfe stellten sich dabei die Vorbereitungen von human plus und des Erzbischofs mit seinen Kontakten heraus.
Heute – in der kalten Winterzeit mit Minusgraden – dreht das Team bereits jede Woche mit acht Stunden und 30 Patienten pro Tag seine Runden durch vier Städte und größere Dörfer: Al-Qaryatayn, Mahin, Sadad und al-Hafar – circa 80 Kilometer östlich von Homs. Der syrische Arzt christlichen Glaubens, der Internist Dr. Fehmi Raddah, wird dabei von einem muslimischen Krankenpfleger und einem Chauffeur unterstützt. „Damit strahlt das Projekt nach außen auf die Menschen in der Region den unerschütterlichen Geist der Geschwisterlichkeit aus. Interreligiosität ist das A und O bei solcher humanitären Arbeit“, sagt Kleuren-Schryvers.
Die Ausstattung der fahrenden Praxis kann sich sehen lassen. „Es ist ein vollausgerüstetes mobiles Krankenhaus. Wir haben es mit Equipment ausgestattet, was auch in Europa üblich ist und nicht mit altem Zeug, das keiner mehr haben will“, sagt der stellvertretende Stiftungsvorsitzende Dr. med. Rüdiger Kerner. Dazu gehören Infusionsmöglichkeiten, Wärmedecken, eine Heizung oder auch ein mobiles Ultraschallgerät, das für Untersuchungen bei Bauschmerzen genauso zum Tragen komme wie für Gefäße oder bei der Schlaganfall- und Herzinfarktdiagnostik. Über den Batteriespeicher können die Menschen direkt in ihren Häusern medizinisch versorgt werden. Hinzu kommen weitere Pluspunkte wie Kühlmöglichkeiten für Impfstoffe, ein Dieselaggregat und ein Allrad-Antrieb.
Derzeit behandelt Dr. Fehmi Raddah Kinder und Erwachsene, Schwangere jedoch nicht. Für die Zukunft besteht jedoch die Überlegung, an bestimmten Tagen auch einen Gynäkologen oder mindestens eine Hebamme in den Dienst zu nehmen. Der medizinische Dienst selbst ist für die Patienten kostenlos, die meisten Medikamente müssen sie jedoch selbst in den Apotheken kaufen. „Für besondere Fälle gibt es aber Unterstützung“, sagt Elke Kleuren-Schryvers.
Natürlich verschlingt das Projekt damit auch ein gewisses Budget: „Es bewegt sich derzeit bei 2.600 Euro im Monat. Davon entfallen 300 Euro auf den Arzt und 200 auf den Krankenpfleger und den Chauffeur.“ Dieses Budget stemmt die APH für die nächsten drei Jahre. „Da bitten wir um Hilfe“, sagt Kleuren-Schryvers. Egal ob Familie, Einzelpersonen oder Unternehmen – jede Hilfe zählt.
Aber wie sieht es mit der Sicherheit aus? Immerhin sei das Gebiet IS-Hochburg gewesen, sagt Rüdiger Kerner. Die große Phase des IS-Terrors sei derzeit vorbei, sagt Elke Kleuren-Schryvers. „Der Erzbischof sagte uns, dass sich der Gesundheitsminister sehr positiv über die mobile Klinik geäußert hat, die ja nach dem Assad-Sturz eines der ersten privatgesellschaftlichen Engagements in Syrien war.“ Das Projekt sei damit bekannt im Land. Für etwaige Schwierigkeiten wolle man sich allerdings das Dekret des Ministers sichern, um es notfalls vorzeigen zu können. „Die Sicherheit ist nicht zu 100 Prozent zu garantieren, aber sie ist ungleich besser als zu Zeiten des Krieges und des Assad-Regimes.“
Wie Erzbischof Jacques Mourad jedoch immer wieder betone, müssten Hilfsprojekte wie dieses stets mit einer politischen Botschaft einhergehen: Das Land brauche Frieden und eine klare staatliche Ordnung, die alle dort lebenden Ethnien, Religionen und Co. respektiere, so der Erzbischof. „Das schreibt er auch uns immer wieder“, sagt Kleuren-Schryvers. Das sei ein wesentlicher Punkt für die Entwicklung des Landes, das schon früher ein Vielvölkerstaat war, wie Rüdiger Kerner erwähnt. TL
Dr. Fehmi Raddah mit einem seiner Patienten.
Erzbischof Jacques Mourad mit der mobilen Praxis in Syrien. Foto: privat