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Die Notfallretter im Einsatz – doch nicht immer und überall kommen sie rechtzeitig, wie eine Recherche des SWR ergeben hat. Foto: Bejamin Nolte/Adobestock
23. Juli 2024 · Michael Bühs · Niederrhein

Defizite in der Notfallrettung:Fragezeichen im Kreis Kleve

SWR-Recherche zeigt deutschlandweit Probleme auf – Kreis macht keine Angaben zur bestimmten Fragestellungen

KREIS KLEVE. In vielen Regionen Deutschlands gibt es massive Probleme in der Notfallrettung, wie eine Recherche des SWR ergeben hat, Dabei wurden alle 283 Rettungsdienst-Bereiche befragt und strukturelle Defizite offenlegt. Das Ergebnis: Viel zu oft kommen die Retter beim plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand zu spät. Die Folge: Geschätzt 10.000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland – obwohl sie laut des Deutsche Reanimationsregisters gerettet werden könnten.

Christian Hermanns, aktiver Notfallmediziner und Journalist, zeigte sich im ARD-Morgenmagazin von den Ergebnissen der SWR-Recherche nicht überrascht. „Wir diskutieren diese Themen [...] schon seit vielen Jahren. Dass wir zum Beispiel eine schlechte Laienhelfer-Reanimationsquote von nur knapp über 50 Prozent in Deutschland haben. Oder die immens steigende Zahl an Einsätzen, hier in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel pro Jahr um die acht Prozent. Da müssen wir dringend etwas tun.“

Hermanns betonte zwar, dass der deutsche Rettungsdienst „vorbildlich in der Welt“ sei. Alle Beteiligten machten seiner Ansicht nach „einen grandiosen Job. Aber im Hintergrund könnte einiges besser laufen.“ So fehle es in manchen Fällen an bestimmten Medikamenten, ein anderes Mal gebe es Personalprobleme und dadurch nicht besetzte Schichten. „Dann merken wir an der Einsatzstelle: Erste Hilfe funktioniert nicht so, wie sie laufen könnte“, berichtete Hermanns. Auch fehlende Betten auf Intensivstationen seien immer wieder ein Problem – ebenfalls aufgrund von Personalmangel.

Rettungsdienst kommt flächendeckend zu oft zu spät

Ein weiteres Problem hat die SWR-Recherche aufgedeckt: Der Rettungsdienst kommt beim plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand flächendeckend zu oft zu spät. Medizinische Fachgesellschaften geben hierzu strenge Anforderungen vor: In mindestens 80 Prozent der Reanimationen sollen die Retter in spätestens acht Minuten da sein. Tatsächlich aber erfüllen mehr als 80 Prozent der Rettungsdienstbereiche diese wichtige Vorgabe nicht – oder machten keine Angabe. Dies sei zwar zu befürchten gewesen, wie Matthias Fischer vom Deutschen Reanimationsregister sagt; dass es jedoch so schlecht ist, sei erschreckend. Ursache auch hier nicht selten: Personalmangel.

Wie es im Kreis Kleve aussieht, dazu macht der Bericht des SWR keine Angaben. Denn die Anfrage an den Kreis, wie oft der Rettungsdienst im Jahr 2022 in unter den von medizinischen Gesellschaften empfohlenen acht Minuten bei Reanimationsfällen vor Ort war, blieb unbeantwortet. Der Kreis Kleve beruft sich auf Anfrage der NN auf „den durch Rechtsprechung allgemein anerkannten Wert von zwölf Minuten“. Dieser sei im Rettungsdienstbedarfsplan für den Kreis Kleve als „geltende Hilfsfrist von zwölf Minuten (mit einem Zielerreichungsgrad von 90 Prozent) vom Kreistag beschlossen“. Ein deutschlandweiter Vergleich einer Acht-Minuten-Frist zwischen Städten und Landkreisen sei aus Sicht des Kreis Kleve „nicht nur irreführend, sondern fußt auf keiner gesetzlichen Grundlage“ – nur auf einer medizinischen Empfehlung.

Ein weiterer Punkt der SWR-Recherche war die Frage, wie viele Patienten das Krankenhaus lebend erreichten. Als Grundlage dienten statistische Berechnungen und Erwartungswerte des Reanimationsregisters: Konnten mehr Menschen als erwartbar lebend ins Krankenhaus transportiert werden? Oder lag der Wert über dem bundesweiten Durchschnitt? Allerdings machten nur 89 der der 283 Rettungsdienstbereiche in Deutschland Angaben dazu. Aus diesem Grund kombinierte das SWR-Team seine Daten mit einer Datenauswertung der Barmer Ersatzkasse, deren Institut für Gesundheitssystemforschung berechnet hatte, wie viele Patienten das Krankenhaus lebend erreichen sollten. Das Ergebnis dieser Kombination: In einem Viertel der Rettungsdienstbereiche sterben mehr Menschen auf dem Weg ins Krankenhaus als statistisch erwartet wäre. Auch der Kreis Kleve machte dazu keine Angaben. Auf Anfrage der NN heißt es: „Das Verfahren, bei einzelnen Kommunen abgefragte Daten mit den statistischen Angaben einer einzelnen Krankenkasse zu verschneiden und daraus Erkenntnisse zur Qualität der Notfall-Rettung für weitere Kreise zu ziehen, ist seitens des Kreises Kleve nicht nachzuvollziehen. Dies klingt wenig belastbar. Eine statistische Auswertung mit Blick auf die genannte Fragestellung hält der Kreis Kleve nicht für zielführend. Entsprechend liegen diesbezüglich keine Daten vor.“

Fortschreibung des Rettungsdienstbedarfplans im Kreis Kleve

Um aber in jedem Fall besser gerüstet zu sein für den Ernstfall, setze der Kreis Kleve aktuell die Fortschreibung des Rettungsdienstbedarfplans um. Im Mittelpunkt steht dabei der Bau von drei neuen Rettungswachen in Kleve-Donsbrüggen, Straelen und Kerken. Weiter habe man den traditionellen Rettungsdienst seit Jahren proaktiv um drei weitere Element ergänzt: die Laien-Reanimation, angeleitet durch Leitstellen-Mitarbeitende am Telefon; die „Mobilen Retter“, registrierte Ersthelfer in der Nähe des Einsatzortes, die durch eine App alarmiert werden; ein kreisweites Register mit Standorten der Laien-Defibrillatoren (AED-Register).

Den verstärkten Bedarf an Personal, den auch Christian Hermanns anmerkt, sieht man beim Kreis Kleve ebenfalls. Man habe mit einem „vergleichsweise sehr umfangreichen Ausbildungsprogramm“ reagiert. Seit 2023 durchlaufen jährlich 15 Teilnehmer eine „qualitativ hochwertigen Ausbildung“ zu Notfallsanitätern. In den drei- und fünfjährigen Ausbildungen befinden sich im laufenden Jahr insgesamt 42 Auszubildende. Hinzu kommen Rettungssanitäter-Ausbildungen. Weiter verweist der Kreis Kleve unter anderem auf ein „umfangreiches, eigenes Qualitätsmanagement, das seit 2013 jährlich vom TÜV auditiert und (re-)zertifiziert wird“.

Die Notfallretter im Einsatz – doch nicht immer und überall kommen sie rechtzeitig, wie eine Recherche des SWR ergeben hat. Foto: Bejamin Nolte/Adobestock

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