Premiere in neuer Location
Der Culturcreis Gelderland lud zum Doppelkonzert in die Lindenstuben
Das Publikumsinteresse war nach wie gegeben: Es war keinerlei Schwund bei den Eintrittszahlen festzustellen, aufgrund der höheren Kapazität im „Joker“ konnte die Zahl der Blues-Gäste sogar leicht gesteigert werden.
Die beiden Konzerthälften waren sehr unterschiedlich geprägt. Den Anfang machte eine blutjunge niederländische Blues-Rock-Band, die sich aber aufgrund ihrer bisher dreijährigen Tätigkeit mit Auslandstourneen in Deutschland, Belgien und Großbritannien und intensiver Bühnenpräsenz in ihrem Heimatland bereits Routine zugelegt hat. Die Tatsache, dass alle drei Musiker dieses Trios Musikstudenten sind, hat sich zusätzlich enorm positiv auf ihre technischen Qualitäten ausgewirkt.
Die „Meryn Bevelander Band“ ist stark am Blues Rock orientiert, trotz seines jugendlichen Alters von 21 Jahren hat Bandleader Meryn schon jede Menge Songs komponiert und getextet, dass es locker dazu reicht, 60 Minuten auf der Bühne zu füllen. Er übernimmt den alleinigen Gesangspart und spielt dazu eine variantenreiche Lead Guitar. In seinem älteren Bruder Florian (24) hat er einen kongenialen Partner am Schlagzeug und das Feuerwerk, das Bassgitarrist Kevin Clarence (23) entfachte, riss das Publikum mehrfach zu spontanem Sonderapplaus hin. Meryn und Florian stammen aus Nijmegen, Kevin aus Utrecht. Die einzigen Ausnahmen, die das niederländische Trio in Bezug auf Eigenkompositionen zuließ, bezogen sich auf ihre Idole Gary Moore und Joe Bonamassa. Als kleinen Showeffekt hatte Meryn die Idee, im letzten Stück, mit der Gitarre auf dem Rücken spielend, eine Runde durch das dicht gedrängte Publikum zu drehen.
Die zweite Konzerthälfte bestritt das routinierte Blues Quartett „Big Daddy Wilson“, dem der Sänger und Frontman den Namen verliehen hat. Die Zusammensetzung dieses Quartetts ist ungewöhnlich: Daddy Wilson ist ein Amerikaner aus North Carolina, der schon seit über zehn Jahren in Bremen lebt, Cesare Nolli an der Lead Guitar und Nik Taccori an den Drums stammen aus Mailand und Bassist Paolo Legramandi ist in Bergamo zu Hause. Außerdem zeichnet dieses Quartett aus, dass es zu den wenigen „Wiederholungstätern“ in der Geschichte des Culturkreises gehört, denn in 2019 – im Gasoline Club also – traten sie zum ersten Mal in Geldern auf.
„Big Daddy Wilson“ spielen schon über 15 Jahre in der gleichen Besetzung und sind der Soul Music viel enger verpflichtet als dem Blues Rock. In ihrer „playlist“ findet man drei Fünfer Blocks aus ihren letzten drei Alben, die allesamt in die fünf Jahre nach ihrem ersten Auftritt in Geldern passen, also waren diese Stücke auch für die meisten Zuschauer neu. Für ihre ungewöhnlich lang gestaltete Zugabe hatten sie sich eine raffinierte Idee einfallen lassen: den Rahmen gab „Country Boy“ ab, ein Song von Daddy Wilson, dessen Rhythmus den ganzen Rest der Zugabe bestimmte, unterbrochen durch Reminiszenzen an Musiker, die für den Geschmack der Band relevant sind: Solomon Burke, Temptations, Ben E. King, Marvin Gaye, Otis Redding. Zur Auflockerung dieses starken Soul-Blocks streuten sie zwischendurch noch einen Reggae ein: „Train“ von Peter Tosh .
Den Abschluss dieser extrem langen Zugabe bildete dann wieder eine Eigenkomposition : „Baby Don’t Cry“. Nach fast 120 Minuten Big Daddy Wilson kam dann auch der bisher wohl längste Einzelauftritt einer Band beim Culturkreis zum seinem wohl verdienten Ende. Allerdings: die drei Italiener ohne ihren Frontmann setzten dann immer noch ein kleines Häppchen drauf – ein akustisches A-Cappella-Ständchen ohne Verstärker, was beim Publikum auf begeisterte Reaktionen stieß.