Prävention in der Tabuzone
Aufklärung über ein Tabuthema: Sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen
KREIS KLEVE. Wenn Alina Hünnekes und Peter Franke in die Klassen der weiterführenden Schulen gehen, dann sprechen sie über ein Tabuthema. Über sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Ein Thema, das eigentlich niemand wahrhaben möchte.
„Es macht betroffen“, sagt auch Peter Franke. Schon allein, wenn man sich die Statistiken anschaut. So gebe es in jeder Klasse ein bis zwei Schüler, die bereits Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht haben. 50 Prozent der Opfer sind zwischen sechs und zehn Jahren.
Mehr als 75 Prozent kennen den oder die Täter vor der eigentlichen Tat. Alina Hünnekes und Peter Franke arbeiten beide für die Caritas in Kleve. Zusammen mit Katja Kleinebenne bilden sie die Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen im nördlichen Kreis Kleve. Seit 2022 gibt es diese. Ihr Ziel ist es, Kinder und Jugendliche zu schützen, Betroffene zu stabilisieren und gemeinsam mit Partnern im Hilfesystem passende Maßnahmen zu entwickeln. Neben der Einzelfallhilfe setzt die Fachstelle seit mehr als einem Jahr verstärkt auf Prävention.
Elf Schulen besucht
Und genau hier kommen Alina Hünnekes und Peter Franke ins Spiel. Die Sozialarbeiterin und Kindheitspädagogin sowie der Diplom-Sozialpädagoge haben ein Programm entwickelt. Es heißt „GrenzenStark – Grenzen setzen, Stärken zeigen“ und richtet sich an Schüler der 6. und 7. Klassen. „Wir waren in diesem Jahr bereits an elf weiterführenden Schulen. Unsere Erfahrung zeigt: Wenn man den Kindern und Jugendlichen Zeit und Raum gibt, dann sprechen sie auch darüber“, berichtet Alina Hünnekes. Und das geben sie: einen geschützten Raum und fünf Schulstunden Zeit.
Eis brechen
„Zuallererst stellen wir uns und die Fachberatungsstelle vor und fangen mit einem Spiel an“, berichtet Alina Hünnekes. Wenn das Eis gebrochen sei, ginge es anschließend um Kinderrechte und Gewaltbegriffe. Hier nehmen sie sich Tablets zu Hilfe und sind immer wieder erstaunt, welche Begriffe von den Schülern heutzutage als ganz normal und selbstverständlich verwendet werden. Es folgt ein Block der Aufklärung: „Hands-off“- und „Hands-on“-Taten, Grenzverletzungen, sexuelle Übergriffe, strafrechtliche Formen von sexualisierter Gewalt. „Tabuthemen, über die niemand sprechen möchte, die wir aber mit unterschiedlichen Methoden aufarbeiten. Im besten Falle gehen die Kinder am Ende der Einheit gestärkt nach Hause. Denn die eigene Grenze zu erkennen und zu definieren ist in diesem Kontext die wohl wichtigste Ressource, die wir haben“, meint Peter Franke. Stefanie Bodden-Bergau von der Kreispolizeibehörde Kleve, Dienststelle Kriminalprävention, formuliert es deutlicher: „Nein sagen. Der beste Schutz ist Selbstbewusstsein – auch Erwachsenen gegenüber.“
Nein sagen
Wenn die Zeit es erlaubt, dann unterstützt Kriminalbeamtin Stefanie Bodden-Bergau das Präventionsprogramm „GrenzenStark“ und klärt vor allem über die strafrechtlich relevanten Taten auf. Wenn die Zeit es nicht erlaubt, dann übernehmen Alina Hünnekes und Peter Franke auch diesen Part. Die beiden kommen immer zu zweit in die Klassen. So haben die Kinder und Jugendlichen neben der eigentlichen Lehrkraft oder der Schulsozialarbeit sowohl einen weiblichen als auch einen männlichen Ansprechpartner der Caritas vor Ort. Zudem sei es auch schon einmal vorgekommen, dass Schüler den Raum verlassen haben. „Darauf können wir zu zweit besser reagieren“, sagt Alina Hünnekes.
Kooperation
Bei dem Präventionsprogramm für weiterführende Schulen bleibt es übrigens nicht. So hat die Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt der Caritas bereits eine Kooperation mit „Theater im Fluss“ abgeschlossen. „2026 wird es ein Theaterstück für Grundschulkinder geben, das wir dann inhaltlich begleiten werden“, freut sich Peter Franke über die Ausweitung der Präventionsarbeit. Wer sich für die Präventionsangebote interessiert, kann sich gerne bei der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Kreis Kleve wenden. Die Fachberatungsstelle bietet neben Programmen für Schulen auch Fortbildungen für Fachkräfte an. Kontakt unter Telefon 02821/7209-300 oder per E-Mail an fachberatungsstelle@caritas-kleve.de