
Großer Zulauf für die Verbraucherzentrale Kleve
Modell „mobil und digital“ verzeichnet mehr als 2.000 Verbraucheranfragen innerhalb eines Jahres
Mehr als 2.000 Verbraucheranliegen, bei denen die Verbraucherzentrale Kleve in 50 Prozent der Fälle mit einer Erfolgsquote von 80 Prozent einschreiten musste: Die ersten Zahlen zeugen von einem Erfolg. „Das spart den Ratsuchenden nicht nur viel Ärger, sondern oft auch viel Geld“, sagt Dr. Iris van Eik, Mitglied der Geschäftsleitung der Verbraucherzentrale NRW. Ihr Beispiel: eine Energieabrechnung, die eine Nachzahlung von 10.000 Euro nach sich ziehen sollte. „Durch unser Einschreiten, nachdem die Verbraucherin es mehrfach selbst vergebens versucht hatte, ist es am Ende in ein Guthaben von 300 Euro gemündet.“ Ein Fall, der nicht selten sei.
Drei Säulen
Die bisherigen Erfolge im Kreis Kleve dürften auch an dem zugrunde liegenden Modell liegen, dass laut van Eik eigens auf den ländlichen Raum zugeschnitten worden und auf eine „fruchtbare Multiplikatorenlandschaft“ gestoßen sei. „Wir sind mit der Bilanz sehr zufrieden“, sagt sie.
Carmen Hesse, Leiterin der Verbraucherzentrale Kleve, und ihre Kollegin Ruth Hamstra haben ihr Büro zwar im Klever Kreishaus, sind mit dem Schwerpunkt Information und Prävention jedoch kreisweit unterwegs – die erste von drei Säulen, die das Gesamtangebot bilden: Mit bislang 46 Aktionen und Veranstaltungen – teils in Kooperation mit lokalen Partnern wie der Hochschule Rhein-Waal, den Volkshochschulen oder der Arbeiterwohlfahrt – erreichen sie die Bürger dort, wo sie leben: in allen Kommunen. So soll eine möglichst schnelle und bequeme Problemlösung gewährleistet werden. „Kein Bürger würde vom Süden des Kreises nach Kleve fahren“, ist sich van Eik sicher.
Bei den jeweiligen Veranstaltungen bieten Hesse und Hamstra bei Bedarf auch eine Erstberatung an. Dabei haben sie alle Gesellschaftsschichten im Blick: von den Jugendlichen, bei denen es laut Hesse häufig um Verträge und Identitätsdiebstahl im Internet gehe, bis zu den Senioren, die man zum Beispiel zu den Themen Energie, Gesundheit (Stichwort: IGeL-Leistungen) und Internet berate.
Reicht das erste Angebot vor Ort nicht aus, können die Menschen im Kreis Kleve ihren priorisierten Zugang beim zentralen Service in NRW in Düsseldorf geltend machen, um so eine vertiefende Beratung zu erhalten – per Telefon, Mail oder Video, 40 Stunden in der Woche. Sollte eine Rechtsberatung und -vertretung nötig sein, steht sie Bürgern des Kreises Kleve zumindest noch bis 2028 kostenlos zur Verfügung. Bis dahin ist die Finanzierung nämlich durch Kreis und Land gesichert.
Als dritte Säule des „mobil und digital“-Ansatzes kommt schließlich die „digitale Selbsthilfe“ zum Zuge, die zum Beispiel Online-Seminare, interaktive Bildung und Checktools umfasst.
Die Themen der Verbraucher
Aber was beschäftigt die Verbraucher im Kreis Kleve überhaupt? 44 Prozent der Fälle drehen sich um das Thema Energie, das sich in zwei Blöcke teilen lasse, erklärt Dr. Iris van Eik: Energie sparen – „Balkonkraftwerke waren ein großes Thema“ – und Energierechtsberatung, also wenn es um Verträge und die damit einhergehenden Probleme mit den Energielieferanten geht.
Auf Platz zwei folgen die Alltagsverträge. Sie machen 39 Prozent der Anfragen aus, zum Beispiel bezüglich Telefonie und Internet. Denn: „Es gibt nicht nur seriöse Anbieter“, sagt van Eik. Für viel Aufruhr habe vor allem 1N-Telecom gesorgt. „Ein Unternehmen, dass schon mit seinem Namen für Probleme sorgt. Es ist nicht die Telekom, hat aber gezielt versucht, die Kunden von ihr wegzulocken. Unwissend haben viele Ratsuchende unterschrieben und ungewollt den Anbieter gewechselt.“ Auch der Online-Handel gehöre mittlerweile zum Alltag und spiegele sich entsprechend in den Hilfsanfragen wider. „Manche Ratsuchende haben ein Paket mit Steinen bekommen, nachdem sie ein Handy bestellt hatten“, nennt sie ein Beispiel.
Sieben Prozent der Anfragen entfallen auf Kredit- und Finanzprobleme. Oft stelle das Team dann jedoch fest, dass es letztlich um Geldsorgen gehe. „Wir sind in das örtliche Hilfesystem eingebunden und versuchen dann zum Beispiel frühzeitig, den Weg zur Schuldnerberatung zu ebnen.“ Dennoch überprüfe man immer auch die Forderungshöhe, denn: „Nicht selten ist eine Forderung unberechtigt“, betont van Eik. Vor allem das Mahn- und Inkassowesen sei ein Feld für sich mit vielen Problemen. „Die Gebühren sind oftmals horrend. Da können wir uns einschalten.“
Die letzten drei Prozent entfallen auf den Bereich Reise und Mobilität – hier gehe es nicht nur um verlorengegangenes Gepäck und falsch beschriebene Unterkünfte, sondern auch um Insolvenzen der Reiseveranstalter.
Das der Klever Verbraucherzentrale zugrunde liegende Modell wurde zuvor bereits in Höxter ausgetestet und extern wissenschaftlich ausgewertet: „Uns wurde grundsätzlich bescheinigt, dass der Ansatz mit der Kombination aus lokaler Informationsarbeit und digitaler Beratung richtig ist und den ländlichen Raum gut abdeckt“, sagt Dr. Marle Kopf, Regionalleiterin der Verbraucherzentrale NRW.
Einen Wehrmutstropfen nennt sie dennoch: „Es gibt Menschen, die eine persönliche Beratung von Angesicht zu Angesicht brauchen.“ Das könnten Menschen mit Sprachbarrieren sein, oder Menschen mit wenig Bezug zu moderner Technik. „Wir wollen niemanden von unserer Hilfe ausschließen“, betont Kopf. Die Handlungsempfehlung aus der Untersuchung laute daher, ein kleines Grundangebot an Präsenzberatung auszutesten. Gemeint sei damit ein regelmäßiges Angebot an einem festgelegten Ort – ein Rat, an den man sich halten wolle, sagt Kopf. „Wir werden diese Veränderung mit der Kreisverwaltung besprechen und den Ansatz bedarfsgerecht anpassen.“
Thomas Langer