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Erwin Ramacher nimmt das Kunstwerk ins Visier. NN-Foto: Rüdiger Dehnen
25. März 2025 · Heiner Frost · Kleve

Der Kunst-Schütze im Kurhaus

„Wand getroffen. Professor Kunde lebt“ schreibt der Fotograf... doch worum geht es hier eigentlich?

KLEVE. Die Handlung würde für einen Krimi taugen: Ein Mann geht ins Museum und Minuten später sind Schüsse zu hören. Fünf an der Zahl. Der Schütze – er heißt Erwin Ramacher – wird nicht festgenommen. Nachdem er die Schüsse abgefeuert hat, packt er seinen Revolver ein und verlässt das Haus, als ob nichts gewesen wäre.

Schlechtes Drehbuch? Nein. Verrückte Wirklichkeit. Die Schüsse im Museum Kurhaus sind Teil der Vorbereitung einer Ausstellung, die am kommenden Sonntag um 11.30 Uhr eröffnet wird: Barry Le Va – in the state of flux. La Va (1941-2021) gilt, liest man, als Erneuerer der Skulptur nach 1960. Kuratorin der Ausstellung ist Susanne Figner. Das Kunstwerk, bei dessen „Herstellung“ der Schießstandsachverständige Erwin Ramacher behilflich war, heißt „Shots from the End of a Glass Line“. Figner zeigt Le Vas Skizzen und beginnt zu erklären. „Dass wir das Werk zeigen können, gestaltete sich schwieriger als ich zunächst angenommen hatte.“ Klar – du kannst nicht einfach in einem Museum fünf Schüsse mit einem Revolver abfeuern. Es braucht eine Ausnahmeerlaubnis gemäß Paragraph 12 Absatz 4, Satz 3a zur „Durchführung von 5 Schüssen auf eine Vorsatzschale vor der Beschusswand“. Punkt 3a regelt die Zulässigkeit des Schießens außerhalb von Schießstätten für Mitwirkende an Theateraufführungen und diesen gleich zu achtenden Vorführungen. „Sinn und Zweck dieser Erlaubnis ist es, das Kunstwerk des Künstlers Barry Le Va gemäß den künstlerischen Vorgaben naturgetreu darzustellen. [...] Es handelt sich hierbei nicht um eine interaktive Ausstellung, auf der im Beisein von Besuchern geschossen wird. Das Kunstwerk ist mit Hilfe des Schießstandsachverständigen und die zu platzierenden Schüsse einmalig zu erstellen.“ Jetzt endlich weiß man also, was unter einem Kunstschützen zu verstehen ist. Montag, 24. März, 16 Uhr. Erwin Ramacher hat – gemäß der Ausnahmeerlaubnis – ab jetzt 60 Minuten Zeit, um die genehmigten fünf Schüsse abzugeben. „Die hierzu verwendete Waffe nebst Munition wird vom Erlaubnisinhaber bereitgestellt. Die zum Beschuss übliche Schutzausrüstung ist ausnahmslos zu verwenden. Beim Beschuss ist darauf zu achten, dass sich keine Besucher oder Mitarbeiter des Museums im gleichen Raum befinden.“ So also klingt Verwaltung, wenn Kunst und Gesetz „zum Zwecke der naturgetreuen Darstellung eines Kunstwerks“ eine Allianz eingehen. Auf der Seite des Künstlers klingt die Sache anders: „Glassline endet, wenn die Röhre aufhört eine Röhre zu sein und zum Punkt auf der Wand wird (perspektivische Entfernung).“ Eigentlich sollen also die Schüsse auf die Wand durch eine gläserne Röhre abgegeben werden. Figner: „Das ließ sich so nicht realisieren.“ Die Kugel könne abprallen und Menschen gefährden, sagt Ramacher. Außerdem sei der Abstand zu groß, um mit einer Handfeuerwaffe mitten ins Rohr zu treffen. Ramacher schießt also fünf Mal „daneben“, anschließend wird das Metallrohr (kein Glas) angeschraubt. Das Kunstwerk ist fertig. Laut war‘s. Ramacher hatte gewarnt.

So sieht das fertige Kunstwerk aus. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

So sieht das fertige Kunstwerk aus. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Kuratorin Susanne Figner mit einer Patronenhülse. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Kuratorin Susanne Figner mit einer Patronenhülse. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Erwin Ramacher nimmt das Kunstwerk ins Visier. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

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