
Ärger am RE: Lokführer lässt Senioren in Goch am Bahnsteig stehen
Eisenbahngesellschaft Transdev Rhein-Ruhr bezieht Stellung auf Anfrage der NN
KEVELAER/GOCH. Wenn Edith Zimmermann (86) und ihr Lebensgefährte Hans Joosten (91) gemeinsam von ihrer Wohngemeinschaft in Kevelaer aus in die umliegenden Ortschaften fahren möchten, sind sie auf den ÖPNV angewiesen. Doch Bahnfahren bedeutet für die beiden nach einem Vorfall auf dem Rückweg in die Wallfahrtsstadt nun nur noch Sorge: Weil Joosten auf den Rollstuhl angewiesen, und ein Zustieg ohne Hilfe für die beiden nicht möglich ist, ließ sie ein Lokführer am Bahnsteig in Goch einfach stehen.
Eine Stunde lang mussten sie anschließend bei kühlem Herbstwetter auf den nächsten Zug in Richtung Kevelaer warten. Eine Zumutung, finden die beiden: „Seit dem Vorfall sind wir nicht mehr Bahn gefahren, weil wir Sorge haben stehen gelassen zu werden. Es kann uns jederzeit wieder passieren. Der Lokführer hat uns wörtlich gesagt, dass er uns so nicht mitnehmen kann“, berichtet Zimmermann. Hans Joosten ergänzt, „Dass es so etwas überhaupt gibt, habe ich gar nicht verstehen können. Das ist mir in meinem gesamten Leben noch nicht passiert. Normalerweise bin ich kein Mensch, der schnell wütend wird, doch diese Situation ging an meine eigene Moral.“ Zimmermann habe in der Situation noch versucht, den Zugführer auf seine allgemeine „Beförderungspflicht“ hinzuweisen, doch „darauf hat er gar nicht reagiert und ist mit dem Zug einfach weiter gefahren.“ Joosten und Zimmermann vermuten, dass es in der Regionalbahn zu wenig Personal gegeben habe. Der Lokführer hätte aus seiner Fahrerkabine demnach aussteigen und selbst an der Tür helfen müssen.
Erst im Juni hatte Joosten sein Auto verkauft und sich vom Fahren verabschiedet. „Mein Arzt hat schon früher gesagt, dass ich mir das mit dem Fahren überlegen sollte, doch da habe ich mich noch fit gefühlt. Gesundheitlich ging es aber schleichend immer schlechter. Aus eigenem Interesse und weil mein Arzt mir zunehmend riet, nicht mehr zu fahren, habe ich es dann sein lassen“, berichtet Joosten weiter. Das Fahren mit dem öffentlichen Nahverkehr zwei- bis dreimal die Woche, habe seitdem überwiegend reibungslos geklappt, berichten die beiden. „Egal, wo wir hingefahren sind, es hat sich eigentlich immer jemand gefunden, der uns geholfen hat und freundlich war. Auch vom Zugpersonal. Trotzdem möchten wir darauf aufmerksam machen, was uns passiert ist“, sagt Edith Zimmermann.
Denn der Vorfall in Goch war nicht der einzige. Bei einer weiteren unfreundlichen Begegnung in Kevelaer erfolgte der Zustieg in die Regionalbahn nur nach vorheriger Diskussion mit dem Lokführer. Auch dieser habe anschließend selbst an der Zugtür mit der Rampe geholfen. In einem dritten Fall verzichteten Joosten und Zimmermann dann sogar selbst auf die Mitfahrt, um dem Lokführer keine Umstände zu bereiten. „Wir dachten uns dann auch selbst, dass wir dem Mann das nicht zumuten können“, sagt Edith Zimmermann.
Die zuständige private Eisenbahngesellschaft Transdev Rhein-Ruhr, die mit ihren Regionalzügen großflächig am Niederrhein vertreten ist, teilte auf Anfrage der NN mit, dass der Triebfahrzeugführer, der am Vorfall in Goch beteiligt gewesen ist, inzwischen nicht mehr im Unternehmen beschäftigt sei, und man ihn aus diesem Grund nicht mehr zu diesem Sachverhalt befragen könne. Weiter schreibt das Unternehmen: „Grundsätzlich legen wir großen Wert auf einen respektvollen und hilfsbereiten Umgang mit allen Fahrgästen. Unser Zugpersonal ist dafür bekannt, mit großem Engagement und Verantwortungsbewusstsein für die Sicherheit und das Wohl unserer Reisenden zu sorgen. Alle Mitarbeitenden werden regelmäßig geschult und sind ausdrücklich dazu angehalten, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten Unterstützung zu leisten – insbesondere dann, wenn Reisende Hilfe beim Ein- oder Ausstieg benötigen.“ Wieso es unter diesen Voraussetzungen überhaupt zu den Vorfällen in Goch und Kevelaer gekommen ist, bleibt weiter unklar. Die Transdev Rhein-Ruhr versichert in ihrer Stellungnahme aber abschließend: „In unseren Zügen stehen mobile Rollstuhlrampen zur Verfügung, die von unserem Personal eingesetzt werden, um mobilitätseingeschränkten Fahrgästen den sicheren Zustieg zu ermöglichen. Diese Unterstützung gehört selbstverständlich zum täglichen Serviceverständnis unserer Teams. Unabhängig vom konkreten Fall ist es uns wichtig, die Sensibilität für die Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Fahrgäste weiter zu fördern. Themen wie Barrierefreiheit und Hilfsbereitschaft haben deshalb in unseren Schulungen und Dienstunterrichten einen festen Platz.“
Am Bahnhof in Goch ereignete sich der Vorfall von Edith Zimmermann und Hans Joosten. NN-Foto: J. Kurschatke
