REES. Die Pandemie hat in sozialer Hinsicht besonders stark die Kinder in Mitleidenschaft gezogen. Das hat auch das Kollegium der Realschule Rees bemerkt, weshalb es nach Möglichkeiten suchte, die Folgen aufzuarbeiten und den Kindern zu helfen. Einen Partner haben sie nach den Sommerferien 2021 im „Remix“, dem Jugendhaus der Stadt, gefunden. Jetzt haben sie eine unbefristete Kooperationsvereinbarung unterschrieben. Eine externe Lerntherapeutin ergänzt das Hilfspaket für Schüler.

Die Idee kam auf, als wieder die Neuformierung der 7. Klassen anstand, nachdem zuvor Sechstklässler die Schule verlassen hatten und neue hinzustoßen waren. „Da fehlte die Klassengemeinschaft“, sagt die stellvertretende Rektorin Heike Schut.

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Das Kollegium hatte zudem festgestellt, dass nicht nur das Selbstwertgefühl einiger Schüler gelitten hat, sondern aufgrund fehlender Kontakte auch soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Rücksichtnahme, gegenseitige Wertschätzung, Respekt, Disziplin und Aufmerksamkeit nicht eingeübt werden konnten. „Wir haben bemerkt, dass die Fünftklässler unkonzentriert waren und keine Regeln kannten. Sie wussten gar nicht, wie der Unterricht vor Ort abläuft. Das fiel uns besonders in der Hausaufgabenbetreuung auf“, sagt Schut.

Konzentration lässt nach

Der stellvertretende Rektor Rüdiger Gockel ergänzt: „Gerade bei Fünftklässlern liegt die Konzentrationsspanne bei etwa zwei Stunden, ehe sie nachlässt.“ Er schätzt, dass übermäßiges Fernsehen und ähnliches in der Pandemie den Umstand verschärft habe. Zumal die Eltern zuhause trotz Homeoffice auch nicht immer ausreichend Zeit für die Kinder hätten aufbringen können. Auch der Ausgleich durch Sportvereine und Treffen mit Freunden sei lange nicht möglich gewesen.

Realschule Rees
Die Kooperationsvereinbarung ist unterzeichnet: (Vorne v.l.) Rüdiger Gockel (Realschule) und Norman Gebbing-Koltsch (Remix) mit (hinten v.l.) Heike Schut und Tina Simons (Remix).

So blühte schließlich die Idee einer Zusammenarbeit mit dem Remix und einer Vereinbarung auf. Um die Klassengemeinschaft aufzubauen und das Miteinander zu fördern, verbrachten die 7. Klassen bereits einen ganzen Schultag mit den Sozialarbeitern um Remix-Leiter Norman Gebbing-Koltsch. Hier arbeiteten sie im Bereich des Sozialen Lernens und sammelten in erlebnisorientierten Übungen positive Erfahrungen im Miteinander.

Die 5. Klassen hingegen verbrachten zwei halbe Tage hier. Bereits diese Maßnahme habe Wirkung erzielt, wie die Lehrer berichten. So hätten sich die Schüler nicht nur im Remix wohl gefühlt, sondern es seien auch schon Verbesserungen im Umgang miteinander zu beobachten. Manche Schüler, sagt Schut, würden sich schon selbst für ein gutes Miteinander einsetzen, etwa, wenn jemand einmal die Ruhe störe. „Die Fünftklässler behandeln ‚Soziales Lernen‘ zudem einmal in der Woche im Unterricht“, ergänzt sie.
Ziel ist, diese Zusammenarbeit mit dem Remix zu verstetigen. Auch flexible Maßnahmen gehören zum Paket: So kommen auch die Lehrer, die eine Streitschlichter-Ausbildung durchlaufen, in die Räumlichkeiten des Jugendhauses, um dies in einem eher unbelasteten Umfeld zu tun.

Übungen für zwischendurch

Ein anderer Baustein für das Vorhaben der Schule ist die Einbindung der Entspannungspädagogin und Lerntherapeutin Marita Hünting, die aus Isselburg anreiste. Mit einer eigenen Praxis kümmert sie sich unter anderem um Kinder mit ADHS.

Mit der als „Brain Gym“ bezeichneten Gehirngymnastik zeigt sie den Realschülern in Rees, wie man mit Entspannungsübungen den Schul-Alltag besser meistern und fit bleiben kann. Sie besucht jede 5. Klasse einmal, um die Übungen vorzuführen. Danach integrieren die Lehrer und Schüler sie selbst in den Alltag. „Für die Zeit danach haben wir Plakate mit den Übungen bekommen“, sagt Schut. Brain-Gym aktiviert und verbessert Lern-, Konzentrations- und Gehirnleistungen. Wie Hünting erläutert, würde die unvollkommene Integration der Sinne und der Gehirnfunktionen häufig unzureichendes Lernen unter Stress verursachen. Die Folge von Lernstörungen seien dann oft Verhaltensauffälligkeiten, Kontakt- und Wahrnehmungsstörungen.

Mit Brain-Gym sollen ganz unterschiedliche Probleme der Schüler angepackt werden: Konzentrationsprobleme, Lese-, Schreib- und Rechenschwierigkeiten, Schulangst, Versagens­ängste, mangelndes Selbstvertrauen, Motivationsprobleme, Ausdauermangel sowie Hyperaktivität und Verträumtheit.

Die dafür vorgesehenen, einfachen Übungen setzen die Reeser Realschüler durchaus mit Offenheit um, wie die Klasse von Lehrerin Bettina Kilian beweist. Zum Beispiel die anfängliche Atemübung: Augen schließen, nach hinten lehnen und ganz im Sinne der Achtsamkeit auf die Atmung und die Bewegungen des Körpers dabei achten. Dann einatmen, bis fünf zählen, ausatmen und bis acht zählen.

Um gut für die Anforderungen des Schullebens gewappnet zu sein, muss man sich auch um seinen Körper kümmern, erklärt Hünting. Diesen Umstand vermittelt sie den Fünftklässlern mithilfe eines Computer-Vergleichs. So einer braucht Energie, wenn man auf seine Festplatte zugreifen will – wie auch der Mensch, wenn er seinen Kopf anstrengt. Nur geht es dann weniger um Strom, sondern vielmehr um ausreichend Wasser. „Damit ich hier oben gut funktioniere“, sagt sie und tippt sich an den Kopf. „Um besser denken zu können.“

Es zeigt sich zudem, dass viele der Schüler das Problem Kopfschmerzen kennen. Aber auch dafür gibt es eine passende Übung: eine Schulter hängen lassen, eine Hand darauf legen und den Kopf von links nach rechts bewegen. Dann dasselbe mit der anderen Schulter.

Ohrenmassage hilft

Hat man hingegen Probleme, seinem Gegenüber zuzuhören und ihm zu folgen, kann auch eine Massage der Ohren wahre Wunder wirken. Wieder andere Übungen mit Überkreuzbewegungen sollen den Schülern helfen, angesichts ihrer Sorgen – vielleicht über eine Klassenarbeit – beide Gehirnhälften zu aktivieren. Auch Muskelentspannung sei wichtig, um große Aufgaben gut zu bewältigen. Vorm Schreiben zum Beispiel: einfach mal die Hand schütteln, dann eine feste Faust formen und diese wieder im Anschluss öffnen. Nach einer Wiederholung ist dann die nächste Hand dran.

Das klingt vielleicht für manch einen gewöhnungsbedürftig, den Schülern von Bettina Kilian gefällt die Übungsstunde aber sichtlich gut. Das zeigt nicht nur ihre Mitarbeit und Aufmerksamkeit, wenn Hünting etwas sagt. „Die Stunde ging so schnell um“, sagt einer der Schüler am Ende der Übungseinheit.

Die Realschule Rees finanziert ihr Vorhaben mithilfe des Pakets „Ankommen und Aufholen“ des Landes NRW.

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