Fridays For Future
Die Klimaaktivisten stellten Vertretern der Stadtverwaltung und Ratsmitgliedern ihre Forderungen vor. NN-Foto: SP

KLEVE. Im Juni 2019 hat die Stadt Kleve – als bundesweit 23. Stadt – auf Initiative der Klever Fridays For Future-Organisation (FFF) den symbolischen Klimanotstand ausgerufen. Wenn es nach den Klimaaktivisten geht, soll die Stadt Kleve in den nächsten Jahren eine weitere Vorreiterrolle einnehmen und sich beim Thema Klimaschutz nicht nur auf Maßnahmen der EU sowie der Bundes- und Landesregierung verlassen, sondern auch selbst welche ergreifen. „Klimaschutz in Kleve kann gelingen“, sagt Jannik Berbalk von der Fridays For Future-Bewegung. Gemeinsam mit weiteren Aktivisten von FFF hat er einen Forderungskatalog an die Politik und die Stadt Kleve erstellt.

Mit sehr viel Fleißarbeit haben sie auf 20 Seiten Daten und Fakten zu den Themen Klimawandel in Kleve, Landwirtschaft, Umwelt, Ernährung und Konsum, Energie und Mobilität sowie nachhaltige Stadtentwicklung aus den verschiedensten Quellen zusammengefasst. Darüber hinaus geben die Aktivisten selbst Klimafolgeanpassungsmaßnahmen. Diese seien in der jetzigen Zeit wichtiger denn je. „Kleve leidet schon jetzt an den Folgen des Klimawandels“, sagt Berbalk, „die Hitze und Dürre nehmen bereits deutlich zu. Auch Wassermangel und Überschwemmungen treten häufiger auf. Kleve wird sich auf den Klimawandel stärker vorbereiten müssen. Wir müssen handeln – und dafür bleibt nur noch wenig Zeit.“

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1,5-Grad-Ziel

Längst sei klar, dass der Klimawandel von Menschen verursacht werde. „Diese Erkenntnis ist nicht neu, allerdings wichtig für das Verständnis, wie der Klimawandel eingedämmt werden kann: Durch uns! Noch ist es nicht zu spät, dass 1,5 Grad-Ziel von Paris einzuhalten und so die Klimaerwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Doch die Zeit drängt! Zehn Jahre früher als 2018 vorhergesagt, werden wir schon 2030 die 1,5 Grad-Marke erreichen, wenn die Staaten, Regierungen und Menschen dieser Welt weiter machen wie bisher. Deshalb müssen wir jetzt vor Ort mit einem Wandel beginnen, welche nicht auf die Regierungen dieser Welt wartet“, fordert Berbalk.

Fridays For Future
Jannik Berbalk von FFF übergab Kleves Bürgermeister Wolfgang Gebing symbolisch den Forderungskatalog. NN-Foto: SP

Ihre Ziele für die Stadt Kleve haben die Aktivisten in verschiedene Bereiche eingeteilt. Für die Sektoren Landwirtschaft und Umwelt wollen sie Folgendes: Einen langfristigen Umbau zur klimafreundlichen Landwirtschaft, die Aufnahme von landwirtschaftlichen Emissionen in die Fortschreibung des Klimagutachtens für 2025 und die Entwicklung klimaresistenter Biotopverbunde im Gebiet der Stadt Kleve. „Um klimaneutral zu werden, brauchen wir eine Reduzierung des Tierbestandes. Es muss eine flächendeckende Nutztierhaltung geben“, sagt Jule Schwartz von FFF. Außerdem müssten Anreize für andere Haltungsformen geschaffen und die Biodiversität gefördert werden. „Landwirte brauchen aber auch mehr Wertschätzung. Sie brauchen ein besseres Mitspracherecht“, sagt Schwartz. Denn Maßnahmen könnten nicht über ihre Köpfe hinweg beschlossen werden. Im Bereich Ernährung fordert die Klimaaktivisten zudem, dass die Lebensmittelverschwendung zum Beispiel durch Food Sharing-Projekte bekämpft werde.

Weniger Individualverkehr

Für den Sektor der Mobilität sieht FFF eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs innerhalb des Stadtgebietes, den Ausbau des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen auf 50 Prozent bis 2035, den Ausbau des ÖPNV innerhalb des Stadtgebietes und eine Klimaneutralität im Verkehrssektor bis spätestens 2040 als unabdingbar an. „Bislang beträgt der Anteil der Fußgänger am Straßenverkehr nur 21 Prozent; die des ÖPNV sogar nur ein Prozent. Bis 2030 muss es eine echte Alternative zum Auto geben“, sagt Lotte Rohde von FFF. Die Stadt Kleve sei aktuell jedoch für Autofahrer gebaut. „Eine Fahrt mit dem Fahrrad ist zurzeit abenteuerlich“, sagt Rohde. Das müsse sich ändern.

Entsiegelungskonzept

Jannik Berbalk sprach sich zudem für ein Entsiegelungskonzept für die Stadt Kleve aus. „Wir brauchen wieder mehr freie Flächen“, findet der Klimaaktivist. Sein Herzensanliegen ist aber besonders der Bereich Energie. „Bis 2030 brauchen wir 80 Prozent erneuerbare Energien im Stromsektor; bis 2035 sogar 100 Prozent“, sagt Berbalk. Im Heizungssektor solle die Klimaneutralität bis spätestens 2040 erreicht werden. „Hier haben wir bei unseren Zielen berücksichtigt, dass wir mehr Zeit brauchen. Wir können nicht in zehn Jahren alle Heizungen austauschen. Zudem haben viele Handwerksfirmen einen Fachkräftemangel“, sagt Berbalk. Die Defizite in diesem Bereich müssten jedoch an anderer Stelle durch ein frühes Erreichen eines Zieles kompensiert werden. Fridays For Future fordert daher, dass die Stadtwerke in naher Zukunft ausschließlich echte Ökotarife anbieten.

Bei Detlev Koken von der Ratsfraktion der Grünen stieß das auf Skepsis. Er befürchtete, dass in diesem Fall sich einige Kunden von den Stadtwerken abwenden könnten, weil Mitbewerber günstiger seien. FFF hielt dagegen: Denn Ökostrom sei nicht zwingend teurer, da aktuell unter anderem der Russland-Ukraine-Konflikt die Energiepreise in die Höhe treibe.

Bei Verwaltung und Politik kam der Forderungskatalog insgesamt allerdings gut an. Die Klimaaktivisten erhielten von allen Seiten sehr viel Lob. Es obliege nun der Verwaltung und der Politik, aus diesen Forderungen „smarte Ziele“ zu formulieren, welche die Stadt Kleve in den nächsten Jahren klimatechnisch auf einen guten Weg brächten, sagte etwa CDU-Ratsmitglied Andrea Kamps.

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