KLEVE/WEINSTADT. Manchmal bedarf es einer harten Landung. Einer, die einen aus dem Gleichgewicht und dazu bringt, nochmal ganz neu über sein Leben nachzudenken. Für Greta und Jan Navel kam dieser Moment vor vier Jahren. Damals standen sie vor einer Entscheidung: Weitermachen wie bisher? Oder „raus aus dem goldenen Käfig“ und abseits des vorgeebneten Weges neue Kraft tanken? Sie entschieden sich für letzteres. „Wir möchten mit unserer ganz persönlichen Geschichte motivieren, mutig und positiv durchs Leben zu gehen, die eigene Komfortzone mit all ihren Sicherheiten zu verlassen und die Welt zu entdecken“, sagen die beiden. Schneller, höher, weiter? Das war mal.

Für mehrere Wochen waren Greta und Jan in den Bergen des Himalayas unterwegs. Das erste Mal die Sonne über dem Mount Everest aufgehen sehen – ein unvergesslicher Moment für die beiden. (Foto: privat)

Beide blicken auf „Bilderbuch-Karrieren“ in einem Großkonzern der Automobilindustrie zurück. Über zehn Jahre waren sie in einem in Süddeutschland ansässigen Unternehmen in leitenden Positionen tätig. Greta Navel, geboren als Greta Bernhardt in Kleve und aufgewachsen in Bedburg-Hau, verließ nach dem Abitur am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium die niederrheinische Heimat, um in Baden-Württemberg Maschinenbau zu studieren. Dann lernte sie den Betriebswirt und Wirtschafts-Ingenieur Jan kennen – und verliebte sich. 2018 holte eine Krankheit das Paar auf den Boden der Tatsachen zurück. „Da haben wir die Notbremse gezogen“, sagt Greta. Die Reaktion des Arbeitgebers, als die beiden ein „Sabbatical“ ansprachen? „Absolut positiv“, sagt Jan.

-Anzeige-

Zwölf Monate “Auszeit”

Auf dem Gipfel des Kilimandscharo in Tansania haben sich Greta und Jan verlobt. In der Hoffnung, dass ihre Zukunft nicht so eisig und stürmisch wird, wie das Wetter in der Gipfelnacht. (Foto: privat)

„Wir waren selbst überrascht, wie offen unser Anliegen aufgenommen wurde“, sagt Greta. Man einigte sich auf eine zwölfmonatige Auszeit mit anschließender Wiedereinstellung. Dann ging es ans Kofferpacken. „Wir haben die Wüste Gobi in der Mongolei durchquert, sind mit der Transsibirischen Eisenbahn von Sankt Petersburg bis nach Peking gereist, zum Everest Basecamp gewandert, haben uns auf dem höchsten Berg Afrikas verlobt und noch vieles mehr erlebt“, möchten die beiden keine einzige Sekunde missen. „In dieser Zeit haben wir angefangen, davon zu träumen, die Welt zu umrunden“, sagt Greta. Es blieb beim Traum. Vorerst.

Alles auf Anfang?

Der Wiedereinstieg in die alten Jobs – ernüchternd. „Unsere Arbeit hat uns viel abverlangt, uns fast rund um die Uhr gefordert“, erinnern sich die beiden, wie sich das „Hamsterrad“ wieder in Bewegung gesetzt hat. Doch so richtig fanden sie nicht zurück in den alten Trott. Als sie den mutigen Entschluss fassten, ihre gut bezahlten Jobs zu kündigen, sei das keine „Flucht“ gewesen. Im Gegenteil: „Es geht um die Verwirklichung eines Lebenstraums“, sagen sie. Das Ziel: Einmal mit dem Auto um die Welt. Wichtigstes Utensil: das Expeditionsmobil. Praktisch: Gretas Vater hat eine eigene Werkstatt in Bedburg-Hau und die beiden angehenden Weltenbummler kennen sich mit Autos sehr gut aus.

In den eigenen vier Wänden einmal um die Welt

Mit dieser selbst ausgebauten G-Klasse möchten Greta und Jan die Welt bereisen. In Eigenregie haben die beiden das alte Schweizer Militär-Fahrzeug in ein Expeditions-Mobil verwandelt. (Foto: privat)

Die Wahl fiel auf eine alte Mercedes G-Klasse, Baujahr 1994, die beim Schweizer Militär als Funkwagen ausgedient hatte. „Wir haben das Fahrzeug komplett entkernt“, sagt Jan. Eigentlich seien nur die Karosserie und der Motor übrig geblieben. Wo einst die Antennen in die Luft ragten, befindet sich mittlerweile ein Dachzelt. In luftiger Höhe von 2,85 Metern. So behält man stets den Überblick. „Der Innenraum und die Technik sind so konzipiert, das wir auch einige Tage komplett autark unterwegs sein können“, führt Greta weiter aus. Zwei Solarpanels sorgen für Strom, mit Gas wird gekocht, das Abwasser bleibt in einem geschlossenen System. „Wir möchten abseits der klassischen Touristen-Routen fahren und unabhängig von der Infrastruktur sein“, sind sich die beiden einig, dass ein Stellplatz auf dem Campingplatz nur zweite Wahl sein soll. Während des Umbaus, der fleißig und tatkräftig von der Familie, Freunden und Handwerkern aus der Umgebung unterstützt wurde, hätten sich zudem viele weitere Türen geöffnet. „Wir haben zum Beispiel in einem Altenheim in Grieth als Test-Helfer gearbeitet“, erzählt Greta. Soziales Engagement. „Dafür hätten wir früher gar keine Zeit gehabt“, ist sie froh, dass sie ihre „alte Welt“ hinter sich gelassen hat.

Digitale Nomaden

Natürlich geht es aber auch nicht ganz ohne. Schließlich sind die finanziellen Reserven nicht unendlich. „Unseren Lebensunterhalt verdienen wir uns als digitale Nomaden“, erklären die Navels. Sie arbeiten für eine Unternehmensberatung, ein junges Start-Up. „Die sind da ganz anders aufgestellt“, sind sie froh, einen unkonventionellen Arbeitgeber gefunden zu haben. Ihren Job können sie überall erledigen, ein Büro gibt es nicht. „Alles, was wir brauchen, ist ein Laptop und eine Internetverbindung.“

Die Pandemie (und aktuell auch eine defekte Einspritz-Anlage) hat die beiden zwar unschön ausgebremst, aber die Planung steht und möglichst bald soll es losgehen. Die Wunsch-Route: Richtung Südosten. „Erstmal in wärmere Gefilde“, sagt Greta. Über den Balkan, Indien und China weiter in die Südsee und nach Amerika. „Im Moment ist das Reisen auf dem Land- und Seeweg wegen Corona noch sehr kompliziert“, weiß Jan. Allein die Beschaffung der notwendigen Zolldokumente erweise sich als Herausforderung. Entmutigen lassen sie sich davon aber nicht. „Plan B wäre eine Verschiffung nach Kanada und dann quer durch die USA“, so ihre Überlegung. Allerdings steht außer Frage: Wenn nicht jetzt, wann dann?! „Wir freuen uns auf alles, was da kommt“, sind Greta und Jan Navel zuversichtlich, dass ihr Abenteuer bald beginnen kann.

Wer möchte, kann – zumindest virtuell – mit auf die Reise gehen. „Wir möchten unsere Geschichte teilen, weil wir glauben, dass es vielen Menschen ähnlich geht.“ Mut machen, ein Netzwerk schaffen, Kontakte knüpfen, gern auch fachsimpeln oder Tipps austauschen. Einen Überblick verschafft man sich auf der Seite www.followthenavels.com, Kontakt per Mail an followthenavels@gmail.com und „folgen“ kann man auf Instagram unter followthenavels.

Vorheriger ArtikelGoch: Unbekannte brachen in Schule ein
Nächster ArtikelImpfung ohne Termin morgen in Wachtendonk