Von der Wiege bis zur Wanne

KLEVE. „Da hätte doch auch der Koekkoek seine Freude gehabt?“, sagtfragt der Kollege anlässlich des Kolk-Termins in Rindern. Treffer. Mehr Idyll geht nicht.

Malerisch

Gleich denkt man an Gombrichs Geschichte der Kunst und erinnert: das Adjektiv ‚malerisch‘ war die Übertragung eines bildlichen Zustandes auf das Reale. Natur wurde als malerisch empfunden, weil sie bestimmten Bildern glich. Schluss mit den Exkursen ins Vergangene – zurück zum Kolk. Trugschlussalarm: Auch hier findet ja eine Kombination aus Jetzt und War statt.

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Neun Stationen

Im Projekt „Zeit im Beuys‘ Land – Kunst und Klimawandel“ finden sich sieben Foto-Installationen in niederrheinscher Landschaft. Der Kunstpfad, den es zu besuchen gilt, umfasst insgesamt neun Stationen und ist, wenn einer nicht gerade Powerwalking betreibt, eine 27-kilometrige Herausforderung, die wohl besser mit und auf dem Rad unternommen werden sollte Alles beginnt (Arenacum) und endet im Musealen (Museum Kurhaus Kleve) – beginnend mit der Wiege, endend bei Frühwerk und Badewanne. Zwischendurch: Natur pur plus Beuys. Den nämlich fotografierte dermaleinst, sprich 1978, Gerd Ludwig.

Sieben Foto-Installationen

Sieben großformatige Foto-Installationen zeigen quasi Beuys on the Road. Die Stationen im einzelnen: 1. Beuys‘ Bett im Museum Arenacum, 2. Am Kolk (Drususdeich), 3. Am Deich (Grindelwalde/Düffelward), 4. In der Düffel (Dingdung zwischen Keeken und Mehr), 5. Am Baum (Keekener Straße/ Mehr), 6. Am Dassendonkshof (Nieler Straße /Mehr), 7. In der Pappallee (Bruchsche Straße /Kranenburg), 8. Am Schloss Gnadenthal (Gnadenthal / Donsbrüggen) und 9. Vom Frühwerk zur Badewanne (Museum Kurhaus Kleve).

Niederrheinisches Seelenleben

Kann, soll, darf man von Wallfahrt sprechen? Da es um Beuys geht und damit irgendwie auch um das niederrheinische Seelenleben, scheint der Begriff tolerabel.
Man wirft einen Blick auf Beuys-Zitate und fragt sich, ob da einer prophetisch unterwegs war: „In 50 Jahren wird man nur noch Mühlen sehen. Dezentralisierte Energie ist im Kommen, die Atomkraftwerke setzen sich nicht durch.“ Man muss nicht weit wandern, um – die Republik ist im Wahlkampfmodus – auf andere Foto-Installationen zu stoßen, die zwar wohl nicht als Kunst-Aktion, wohl aber als „Botschaftsträger“ in die Landschaft gestellt sind. „Umwelt ist nicht alles. Aber ohne Umwelt ist alles nichts.“ „Zukunft kann man wollen oder machen.“ Zwei Sprüche aus einem Lager, dem der Mann mit Hut sich anfangs verbunden fühlte. Aber das wäre eine andere Geschichte.

Abschweifen ins Reale

Andererseits: Führt ein Kunstprojekt den Untertitel „Kunst und Klimawandel“ muss Abschweifen ins Reale erlaubt sein. Schließlich war Beuys sicherlich einer von den Künstlern, denen man ihr Interesse am Zustand der Welt auch werksseitig anmerken konntesollte. So passt das Radtourprojekt in die Zeit und in die Landschaft: der Niederrhein wird zum Anker, an dem sich vieles erklären lässt. Spekulieren ist auch erlaubt: Wie würde Beuys‘ Kunst aussehen, wäre er in Berlin groß geworden oder in Frankfurthamburgmünchen? Das Großwerden bezieht sich aufs Aufwachsen. Erwachsenwerden. Künstlerisch groß geworden ist Beuys in der Welt, aber die Welt ist ein Ort, der zwar fürs Globale taugen mag, aber keinen Fingerabdruck für Individuen herstellt. Kunst, hat Beuys gesagt, sei die einzige Form, in der Umweltprobleme gelöst werden könnten. Darüber ließe sich streiten. Streiten bedeutet Auseinandersetzung – Auseinandersetzung im Sinne von Beschäftigung.

Denkansätze

27 Kilometer „Zeit im Beuys‘ Land“ bieten reichlich Denkansätze, denn sie kombinieren Kunst und Einkehr. Wer sich Weg erleben möchte, hat bis zum 3. Oktober – dem Tag der deutschen Einheit also – Gelegenheit und wird – quasi im Vorbeiradeln – mit der Wahlkampfwirklichkeit und also ganz anderen „Sprüchen“ konfrontiert.

Ein Idyll. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Infos

Natürlich gibt‘s einen Flyer mit Reiseanleitung und Infos zum Projekt sowie eine Internetadresse: www.ArtandClimateChange.com. Erhältlich ist der Flyer in Kleve unter anderem im Rathaus, bei der Tourist Info, in den Museen Kurhaus Kleve und Arenacum, in der Stadtbücherei, im Kolpinghaus sowie in Kranenburg (Museum Katharinenhof, Tourist Info, Euregio-Realschule und im Rathaus in Bedburg-Hau.

Das Projekt im Internet

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