NIEDERRHEIN. Ist man jetzt in Veert auf der Brigittenstraße unterwegs und lässt den Blick zur St. Martini-Grundschule schweifen, sticht schnell ein Bild von Pippi Langstrumpf ins Auge, an der Wand direkt neben dem Seiteneingang. Als Startschuss der Streetart-Aktion „Pippi goes bananas“ hat der aus Rheinberg stammende Künstler Thomas Baumgärtel die Kinderbuch-Ikone mit Spraydosen und tatkräftiger Unterstützung von Schülerinnen an die Wand gezaubert. Vor allem ist es ein Zeichen der Anerkennung für die Kinder und Pädagogen.

Baumgärtel erkennt man am Eröffnungstag seiner neuen Aktion schnell an der gelben Jacke, auf deren Rücken eine Bananenzeichnung prangt. Die Banane ist seit vielen Jahren sein Markenzeichen und gleichzeitig ein Erkennungsmerkmal, das er nutzt, um weltweit Orte als Orte der Kunst auszuzeichnen. Die Frucht steht dieses Mal zwar nicht im Mittelpunkt, findet sich aber trotzdem auffällig wieder, scheinen sie doch über dem im Handstand befindlichen, eigenwilligen Rotschopf vom Himmel zu fallen. Das Mädchen ist für Baumgärtel das denkbar geeignetste Symbol dieser Aktion, bei der er sein Bild an Schulen und Kitas mal plakatiert, mal sprayt. Die Martinischule macht den Anfang, 14 weitere Einrichtungen folgen.

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Ein Kind der Pandemie

Die Kunst-Aktion ist, wie aktuell vieles, von der Pandemie geprägt. Zum einen geht es dem Künstler darum, etwas Freudiges in die Welt zu bringen, gerade angesichts vieler Einschränkungen. „Wenn die Leute keine Kunst anschauen können, muss ich wieder die Kunst auf die Straße bringen. Für mich heißt das wieder ‚back to the roots‘“, erklärt er. In Zeiten der Pandemie ist er jeden Sonntagmorgen mit seinem 10-jährigen Sohn im Auftrag der Streetart unterwegs. Er ist überzeugt: „Die Kunst heilt mehr als die Leute so glauben.“

Und so wie seine Bananen Kunst- und Kultureinrichtungen kennzeichnen, entstand schließlich auch die Idee mit Pippi Langstrumpf als Symbol für die Kinder, aber auch für die über die Maßen engagierten Pädagogen. „Ich kam darauf, da die Kinder mitunter das größte Opfer gebracht haben“, sagt Baumgärtel. Der lange Verzicht sei für sie besonders schwerwiegend. „Für Kinder ist ein Jahr verdammt lange. Das ist in der Jugend eine wichtige Lebenszeit.“ Er weiß, dass es jetzt starke Persönlichkeiten braucht. Und wer eignet sich wohl besser als die stärkste Frau der Welt? Schließlich ist sie eine Person, die sich nicht unterkriegen lässt – und genau diese Einstellung braucht es derzeit.

Verborgene Talente

Mit Schablonen, die er noch am Tag zuvor fertig gestellt hat, macht sich Baumgärtel unter tatkräftiger Mithilfe von vier Schülerinnen der Klasse 3a ans Werk. Die vier sind genau die richtigen, wie sich herausstellt: Sie kennen und mögen Pippi Langstrumpf, zum Beispiel deshalb, weil sie manchmal Verbotenes tut, auf Dinge klettert, weil sie einfach macht, was sie möchte und sich nicht verbiegt. Und so wie Pippi Mut beweist, tun das auch die Schülerinnen, indem sie sich trotz anfänglicher Zurückhaltung zum ersten Mal ans Sprayen wagen.

Nacheinander üben sie die richtige Entfernung beim Sprühen sowie die korrekte Handbewegung. Stück für sie Stück bringen sie alle einen Teil von Pippi auf die Schulwand, Baumgärtel übernimmt den Rest. Erst der grundlegende Körper, dann die Details, darunter Gesichtszüge. Die Farben sind auffällig bunt: Rot-orange die Haare, gelb die Kleidung. Auch die Wangen leuchten rosig auf. So ist am Ende ein echter Blickfänger entstanden. „Sie sieht aus wie die echte Pippi“, sagen die Schülerinnen. Ein besseres Lob kann sich ein Künstler wohl kaum wünschen.

Ausstellungen in
Geldern und Goch

Daniela Claßen, kommissarische Leiterin der Schule, zeigt sich von der Aktion begeistert. Darauf gestoßen hat sie Rainer Niersmann von der Stadt Geldern. „Kunst in der Schule ist eine tolle Sache, zumal wir aktuell nicht dafür rausgehen können“, sagt sie. Im vergangenen Jahr hätten viele Projekte ausfallen müssen, „daher sehnen wir uns alle danach.“
Netter Nebeneffekt: Ursprünglich hatten schon die Veerter Pfadfinder ein Bild an die Schulwand gemalt, das musste jedoch wegen Sanierungsarbeiten weichen. Jetzt gibt es wieder einen adäquaten Ersatz.

Auch Bürgermeister Sven Kaiser freut sich darüber, den Künstler in Geldern begrüßen zu dürfen. Er findet nicht nur die Aktion und die damit einhergehende Botschaft super, sondern lobt zudem, „wie er die Kinder miteinbezieht“.
Wer sich selbst von den Werken Baumgärtels überzeugen möchte, kann neben dem Bild an der Schule auch Ausstellungen besuchen. Seine „German Urban Pop Art“, ausgewählte Werke aus den letzten zehn Jahren, können bis Dienstag, 15. Juni, in der Gelderner Galerie PR8, Schulstraße 8, bestaunt werden. Auch das Museum Goch, Kastellstraße 9, hält im selben Zeitraum Werke von ihm bereit.

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