“Schlüsseldienst-Prozess”: Angeklagter räumt Wucher ein

Im „Schlüsseldienst-Prozess“ sagte der 60-jährige Angeklagte erstmals aus

KLEVE/GELDERN. Fast auf den Tag genau drei Jahre, nachdem der sogenannte „Schlüsseldienst-Prozess“ das erste Mal vor dem Klever Landgericht verhandelt wurde, äußerte sich der heute 60-jährige Angeklagte zu den Vorwürfen. „Wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte, würde ich niemals mehr damit anfangen. Ich habe sehr viel Leid über meine Familie gebracht“, sagte der Gelderner, der mittlerweile im sechsten Jahr in Untersuchungshaft sitzt.

Schlüsseldienst-Prozess
Der 60-jährige Gelderner (m., am ersten Prozesstag) wurde 2018 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er sitzt noch immer in Untersuchungshaft. NN-Foto: SP

2018 wurde er von der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Kleve wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, Steuerhinterziehung und Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Sein 41-jähriger Mitangeklagter bekam eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Da sowohl die Revision der Staatsanwaltschaft vollumfänglich als auch der Einspruch der Angeklagten in Teilen Erfolg hatten, gab der Bundesgerichtshof (BGH) das Verfahren an die 1. große Strafkammer des Landgerichts Kleve zurück, die den Fall seit Mitte November neu verhandelt (die NN berichtete).

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Vor einer coronabedingten Zwangspause hatte bereits der 41-jährige Weezer im “Schlüsseldienst-Prozess” seine „ehrliche Reue“ im Verfahren kundgetan. „Ich habe als Kaufmann nur die Zahlen gesehen“, sagte er. Gemeinsam mit seinem Mit-Angeklagten soll er die „Deutsche Schlüsseldienstzentrale“ (DSZ) mit Sitz in Geldern betrieben und dabei in den Jahren 2007 bis 2016 66 Millionen Euro erwirtschaftet haben. Laut Urteil aus dem Jahr 2018 sollen sie jedoch nur 36 Millionen Euro beim Fiskus angegeben haben, da sie davon ausgegangen seien, dass die Monteure selbstständig seien.

Verschiedene Grau-Bereiche

Dass sie Unrechtes getan hätten, sei ihnen erst jetzt richtig bewusst geworden, sagten beide Angeklagten. „Ich hatte mir damals unter Scheinselbstsändigkeit immer etwas anderes vorgestellt. Ich wusste, dass wir in verschiedenen Grau-Bereichen unterwegs waren, aber wenn ich gewusst hätte, dass ich hier mal als Straftäter sitze, hätte ich das niemals gemacht“, sagte der 41-Jährige. Sicherheit habe ihm damals gegeben, dass die „Deutsche Schlüsseldienstzentrale“ zahlreiche Prozesse gegen Monteure und Kunden gewonnen habe. Heute wisse er aber, dass die DSZ dennoch nicht korrekt gearbeitet habe und potenzielle Kunden mit falschen Werbeanzeigen, in denen mit ortsansässigen Schlüsseldiensten geworben wurden, die es nicht gab, massiv getäuscht habe.

Auch die Arbeit der Monteure sei viel zu teuer gewesen. „Wenn ich heute 500 Euro für eine Türöffnung bezahlen soll, denke ich auch sofort an Betrug und Wucher“, sagte der 60-jährige Angeklagte. Den geständigen Einlassungen seines Mitangeklagten während des gesamten Verfahrens schloss er sich an. Es sei ihm damals aber ebenfalls nicht bewusst gewesen, dass er Unrechtes getan habe: „Sonst hätte ich niemals meinen Sohn mit in die Firma geholt. Es war, wie ein Geschwür, das ausgeufert ist.“

Zum Schluss seiner Aussage nutzte der 60-Jährige noch die Gelegenheit, sich zu entschuldigen: „In erster Linie muss ich mich bei meiner Familie entschuldigen, der ich viel Leid zugefügt habe, aber auch beim Angeklagten, dem ich auch Leid zugefügt habe.“

Am kommenden Donnerstag möchte die 1. große Strafkammer das Urteil im “Schlüsseldienst-Prozess” verkünden.

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