GOCH. Zwischen 4.000 und 5.000 Kunstwerke sind es, die die Mönchengladbacher Sammlerin Hiltrud Neumann im Laufe ihres Lebens erworben hat. 2015 schenkte sie ihre Sammlung dem Museum Goch, das sich nun – nach dem Tod von Hiltrud Neumann Ende September – um den umfangreichen Nachlass kümmert.

Und dabei gibt es Unterstützung: Seit dem 1. September dieses Jahres absolviert Natascha Frieser ein Forschungsvolontariat im Museum Goch. Die junge Frau ist Kunsthistorikerin und hat ihren Master in Kunstgeschichte an der Universität zu Köln gemacht. Sie wird sich in den nächsten zwei Jahren vornehmlich der Aufgabe widmen, den Nachlass, der sich noch in Mönchengladbach befindet, aufzuarbeiten. Das Forschungsvolontariat wird zu 90 Prozent vom Minis­terium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW gefördert; die restlichen zehn Prozent kommen von der Stadt Goch. Das Programm soll die Forschung in den Kunstmuseen in NRW stärken, insgesamt 1,3 Millionen Euro wurden vom Land dafür bereit gestellt.

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Breite Kulturlandschaft im Rheinland

„Wir haben uns natürlich sofort um ein Forschungsvolontariat beworben und den Zuschlag bekommen“, berichtet Museumsdirektor Dr. Stephan Mann. Im Rahmen einer städtischen Ausschreibung fiel die Wahl schließlich auf Natascha Frieser. „Einer der Schwerpunkte meines Studiums waren die Künstler und die Kunstwerke des Rheinlandes; das Rheinland ist eine breite Kulturlandschaft“, begründet sie ihre Entscheidung für Goch. So vielfältig wie die Kulturlandschaft war auch das Interesse von Hiltrud Neumann. „Die Bandbreite ist enorm, sie hat in keinster Weise materiell gesammelt und auf Investition gesetzt; sie hat nur das, was ihr Freude machte, gesammelt und Kunst als Begleitung ihres Lebens verstanden“, erläutert Dr. Mann. So wartet auf Natascha Frieser eine Aufgabe, bei der es auch darum geht, die Qualität zu beurteilen. Es könne durchaus sein, dass manche Stücke nicht „museal“ genug seien. In diesem Fall dürfe das Museum, als testamentarisch eingesetzter Erbe, auch Verkäufe tätigen, so Dr. Mann.

Kunst als Begleitung des Lebens

„Sammeln. Bewahren. Forschen.“ lautet das Motto des Volontariats. „Es ist eine große Sammlung, also stellt sich für mich die Frage, wie ich vorgehe – und dies auch im Hinblick auf andere Sammlungen“, sagt Natascha Frieser, die in einem ersten Schritt für jedes Kunstwerk Inventarnummern vergibt; Name, Titel, Entstehungsjahr, Technik und Maße aufnimmt sowie eine Beschreibung und eine Interpretation ergänzt. Auch der Zustand der Werke und eine mögliche Restaurierung sind Themen, mit denen sich Natascha Frieser beschäftigen muss.
Eine anspruchsvolle Aufgabe, die in zwei Jahren wohl nicht komplett zu schaffen ist. Aber der Anfang ist getan.

Natascha Frieser wird sich in den kommenden zwei Jahren mit der Sammlung von Hiltrud Neumann beschäftigen.NN-Foto:CDS

„Wir haben nun die große Chance, dicht an die Sammlung heranzukommen; wenn wir das jetzt nicht machen, geht unendlich viel verloren“, bekräftigt Dr. Mann. Denn komme ein Kunstwerk im Museum an, sei die Arbeit im Hintergrund größtenteils schon getan. Die Sammlung von Hiltrud Neumann besteht aus vielen Werkgruppen. „Im Anschluss an die Inventarisierung soll jeweils ein Arbeitsheft erstellt werden; vielleicht als Anfang einer Sammlung von Heften. Zum Schluss könnte man über eine Gesamtpublikation nachdenken“, berichtet Dr. Mann.

So gibt es für Natascha Frieser, die auch schon Einblicke in die anderen berufsbegleitenden Abläufe des Museums bekommen hat, keinen typischen Arbeitstag. Ein regelmäßiger Austausch mit den anderen Forschungsvolontären über die verschiedenen Aspekte der Museumsarbeit findet alle zwei Monate beim Kolloquium statt. „Man lernt sich kennen und erfährt, wie in anderen Museen gearbeitet wird“, begrüßt Natascha Frieser diese Möglichkeit, die durch eine Kooperation mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf angeboten werden kann; wenn auch im Moment – coronabdingt – nur digital

„Eine kluge Ausrichtung“ nennt Museumschef Dr. Mann das Forschungsvolontariat. „Die Volontäre können die Zeit nutzen und schauen, was in anderen Museen passiert, denn diese Generation übernimmt in zehn Jahren die Museen. Sie kennen dann die Museumslandschaft und NRW.“ Und nicht zuletzt seien die Forschungsvolontäre eine wichtige Unterstützung in der täglichen Arbeit: „Museen werden zunehmend als Eventlocation wahrgenommen, man muss mit immer größeren Ausstellungen aufwarten. Dadurch wird oft vergessen, dass ein Museum von Hause aus ein kulturelles Zentrum ist.“ Das kulturelle Erbe für die Zukunft zu erhalten, dafür fehle es oft an Personalbestand, was vor allem kleinere und mittlere Museen betreffe. „In Goch sind wir mit fünf bis sechs Ausstellungen im Jahr restlos ausgelastet“, sagt Dr. Mann, „wir sind aber auch das Sprachrohr für die Öffentlichkeit und müssen Kunst- und Kulturgeschichte sichtbar machen.“ Dafür müsse dann auch etwas da sein, was sichtbar gemacht werden könne – womit sich der Kreis zur Sammlung Hiltrud Neumann und dem Forschungsvolontariat von Natascha Frieser wieder schließt.

„Kunst ist nicht nur ein Hobby; sie bereichert und erweitert den Horizont und sollte keine ,Pflichtveranstaltung‘ sein“, macht Natascha Frieser ihre Überzeugung deutlich, „und unter diesem Gesichtspunkt ist sie systemrelevant.“

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