Urteil im Mühlhoff-Prozess

KLEVE/UEDEM. Der letzte Verhandlungstag im Prozess um die Brandstiftung bei der Uedemer Firma Mühlhoff brachte nach rund neun Stunden ein Urteil: Vier Jahre, sechs Monate für den Angeklagten, in dem die Kammer den (einzigen) Täter sieht. Kann man objektiv sein? Ja. Dann ist dieser Text jetzt zu Ende. Ein Schuldiger ist gefunden, dem Gesetz Genüge getan. Klappe zu.

Zwei Konzerte und ein Vielleicht

Aber was passiert, wenn man mitdenkt? Immerhin Folgendes: Man fühlt sich, als seien da ein paar Menschen in einem ganz anderen Konzert gewesen.
Abends eine SMS vom Nachbarn. Der hat das Urteil schon mitbekommen und schreibt: „Viereinhalb Jahre. Da waren sich die Richter doch wohl ganz sicher.“ Antwort: „Die Richter vielleicht …“

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Was sind Zweifel?

Was, fragt man sich nach dem Ende dieses Prozesses, was hätte eigentlich passieren müssen, damit diese Kammer Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten gehabt hätte? In einem Indizienprozess kann es nur selten absolute Sicherheiten geben. Man hört zwei Plädoyers und denkt sich, dass es zwei Wirklichkeiten gibt. Da ist ein Staatsanwalt, der sicher ist: Der Angeklagte ist der Täter. Das Alibi, das er von seiner Frau bekommen hat: falsch. Jemand, der den Angeklagten hätte belasten – ihm also die Schuld in die Schuhe schieben – wollen, hätte doch mehr Spuren gelegt, die auf den Angeklagten deuten. Ja – so geht es natürlich auch. Dass ein Sohn bezüglich der Kleidungsstücke, die in einem Rucksack am Tatort gefunden wurden, zweimal sagt, dass dergleichen millionenfach produziert wird, wird so quittiert: er verfüge nur über einen beschränkten Wortschatz. Sieben Jahre und sechs Monate fordert der Staatsanwalt. Zuvor ist er von dem Vorwurf der schweren Brandstifung (maximales Strafmaß: 15 Jahre) abgerückt. Jetzt handelt es sich um Brandstiftung (Höchststrafmaß: Zehn Jahre).

Nur ein paar Fragen oder: Kann passieren?

Die Verteidigerin des Angeklagten hält ein brilliantes Plädoyer. Sie hat da einfach mal ein paar Fragen. Mit jeder Frage rappelt es im Indizienkarton. Aber bitte: man ist ja kein Jurist. Juristen, denkt man, denken anders. Aber man denkt auch: Was, bitte schön, hätte gereicht, um die Kammer zu einer zweifelnden Kammer zu machen? Ein Rucksack: darin Werkzeug, das am Tatort höchstwahrscheinlich nie eingesetzt wurde. An manchen Teilen des Inhalts: DNA-Spuren des Angeklagten. Kein Wunder, wenn es sich um eines seiner T-Shirts handelt. Alle Spurenträger, darauf weist der Verteidiger hin: mobil. Das Beweismittel – eine Tür, in die ein irgendwie geartetes Loch irgendwie hineingeraten zu sein scheint: nicht mehr vorhanden. Kann passieren? Vielleicht doch besser nicht, wenn seriös ermittelt wird. Von der Tür wurden keine Spuren gesichert.

Vernichtet

Die Meldungen einer Alarmanlage wurden nicht etwa von den Ermittlungsbehörden ausgelesen sondern (im Auftrag der geschädigten Firma) durch eben die Firma, durch die die Alarmanlage installiert wurde. Kann passieren? Besser nicht. Aber: halb so wild. Da muss es ja noch die Platine geben, von der all das ausgelesen wurde. Kleine Einschränkung: Die Platine wurde nach dem Auslesen der Daten vernichtet. Kann passieren? Besser nicht.
Hauptsache, Staatsanwaltschaft und Kammer stimmen überein, wenn es darum geht, dass der Angeklagte ein Motiv hatte und der Rucksack ihm gehörte. Ach ja: An dem Fleece-Shirt, das im Rucksack vorgefunden wurde, befanden sich Tierhaare. Wenn sie von den Hunden des Angeklagten stammten, wäre das doch nützlich. Tun sie aber nicht. Kann natürlich auch passieren.

Die überwertige Idee

Zugegeben: Natürlich kann der Angeklagte Täter sein, aber ein Beweis, denkt man, geht anders. Das Wort des Tages: die überwertige Idee. Der psychiatrische Gutachter hat diesen Begriff eingeführt und die Kammer benutzt ihn dankbar als Werkzeug: Ja, der Angeklagte, der im Augenblick des Urteils zum Täter wurde, ist seiner überwertigen Idee von der Arbeitssicherheit erlegen und am Ende zu einer Art Kohlhaas geworden – zu einem, der das Recht in die eigene Hand genommen hat. Passt scho, oder? Und welcher überwertigen Idee ist die Kammer gefolgt? Zweifel gab es ja keine.

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