“Maskenball” zur Vernissage

GELDERN. Warum Kunst? Warum nicht! Natürlich darf gezweifelt werden. Der Zweifel gehört zur Kunst. Er gehört den Künstlern. Künstler, die nicht mehr zweifeln …

To be oder not to be

Lange stand nicht fest, ob das TurmStipendium 2020 überhaupt würde stattfinden können. Jetzt wird am Sonntag Eröffnung „gefeiert“. Peter Busch: „Natürlich wird das keine Eröffnungsfeier im üblichen Sinn. Das lässt die momentane Situation nicht zu. Wir werden das Ganze zwischen 11 und 17 Uhr stattfinden lassen und bitten das Publikum auch darum, dass eben nicht alle um 11 Uhr kommen. Vielleicht sollte man, was da stattfindet, nicht Eröffnung nennen, sondern eher Tag der offenen Tür. Wichtig ist: Es geht noch immer um die Einhaltung der Corona-Regeln. So wichtig es ist, unseren Künstlern ein Podium zu bieten, so wichtig ist es auch, die Regeln einzuhalten, damit keine unnötige Gefährdung stattfindet.“

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Der unsichtbare Dritte

Drei Künstler waren zum Stipendium eingeladen. Albrecht Fersch (Berlin), Brigitta Heidtmann (Krefeld) und Roland Spitzer (Rotterdam). „Leider musste Roland Spitzer im letzten Augenblick wegen eines positiven Corona-Tests seine Teilnahme absagen.“ Albrecht Fersch und Brigitta Heidtmann haben ihre Zeit im und am Turm genossen. Am Sonntag können sich Turmbesucher die Ergebnisse der Arbeitsphase ansehen.
Warum Kunst? Warum nicht? Weil es Spaß macht. Weil Kunst immer auch Hirnnahrung ist. Weil Kunst erst beim Hinsehen Wirkung entfaltet.

Licht und Schatten

Bei Brigitta Heidtmanns Arbeiten geht es in der 2. und 3. Turmetage um das (Sonnen) Licht. Was Heidtmann installiert hat, sind Lichtfangapparate. Das klingt technisch, aber Heidtmanns Objekte arbeiten ohne Strom oder Technik: Sie sind in den Turm gestellt und halten das Licht auf, verstellen ihm den Weg oder verteilen es durch verschiedene Öffnungen. Heidtmanns Installationen leben von, mit und in der Stille. Was durch die verschiedenen Holzplatten an Schatten- oder Lichteffekten entsteht, entfaltet sich langsam. Aus der Sonnenwanderung am Himmel wird eine Schatten- und Lichtstrahlwanderung im Rund des Turmes. Heidtmanns Dramaturgie ist gerade wegen ihrer Einfachheit eindringlich – eigentlich nichts für den eiligen Gast. Warum Kunst? Weil es schöner ist – auch wenn es manchmal Mühe macht.

Ausschnitt aus Brigitta Heidtmanns Installation. NN-Foto: HF

Transformationen

Im Mittelpunkt von Albrecht Ferschs Installation steht eine alte Schreibmaschine, deren Tasten der Künstler mittels Fäden, die zu unterschiedlichsten Gegenständen führen, zu einer Klangerzeugungsmaschine umgebaut hat. Die „Turmschreibmaschine“ verbindet das Große mit dem Filigranen und das Beobachten mit dem Berühren, denn sie widersetzt sich dem musealen Imperativ, der da heißt: Bitte nicht berühren. Natürlich ist Ferschs Maschine auch stumm anstaunbar, aber im Herzen der Installation geht es darum, die möglichen Klänge und Geräusche aus dem rein optischen in einen akustischen Zustand zu überführen.
Während also Heidtmanns Arbeit das unabänderlich Gegebene zur Startrampe macht und der Welt beim Weltsein zusieht, ist Ferschs Arbeit vom Eingriff abhängig und stellt gleichzeitig ungewohnte Zusammenhänge her. Ein Stockwerk höher heißt das Stichwort: Erledigt. Fersch ist – dieser Eindruck entsteht – nicht nur ein Klangtüftler sondern auch ein Zettelmensch. „Ich mache mir für die Dinge, die ich erledigen möchte, Zettel. Wenn ich dann mit einer Sache fertig bin, streiche ich die erledigten Dinge durch.“ So treffen Besucher im ersten Stock also auf Erledigungen. Was da erledigt wurde, ist nicht mehr zu lesen – es ist ja durchgestrichen. So wird das Fertige zu einem Zustand ohne nachvollziehbaren Auslöser. Wer es groß denken möchte, sieht in Ferschs Zetteln einen (Über)Lebensnachweis.

Die Turmschreibmaschine. NN-Foto: HF

Nebeneinander

Das Spannende der Ausstellung liegt im Überspannenden. Es entsteht ein Bogen zwischen Unbekannten – eine friedliche Koexistenz. Da sind zwei Ansätze gleichzeitig vorhanden und regen zur Kommunikation an. Die Kunstwerke kommunizieren, die Künstler tun es, und am Ende auch die Besucher. Das 2020-er TurmStipendium braucht Eigenleistung beim Hinsehen. Da ist wenig Vordergründiges, das sich schnell entschlüsseln ließe, aber eben daher stecken die Arbeiten voller Geschichten, die erst beim Hinsehen entstehen.

Fakten

Die Arbeiten von Brigitta Heidtmann und Albrecht Fersch sind am Sonntag, 23. August (Eröffnung) und an den Folgesonntagen bis zum 20. September jeweils zwischen 11 und 17 Uhr zu sehen. Das TurmStipendium ist eine Gemeinschaftsveranstaltung der Gelderner Kunstvereine KUHnstTurm Niederrhein, Kunstverein Gelderland und Freizeit-Künstler Geldern. Unterstützt wird das Stipendium von der Sparkasse Krefeld, den Stadtwerken und der Stadt Geldern. Peter Busch: „Wir freuen uns auf Besucher, aber denkt bitte an eure Schutzmasken und haltet die Sicherheitsabstände ein.“

Erledigt. NN-Foto: HF

Hinsehen, Mitdenken

Die Eingangsfrage (Warum Kunst?) wird zur Schlussfrage. Sie lässt sich (natürlich) vielfältig beantworten, aber fest steht: Hingehen und Hinsehen sind ein notwendiger Teil der Antwort. Kunst ist ein Hilfsmittel zum Erfassen der Welt – eines, das nicht vorgibt, objektiv zu sein.

Warum Kunst? Ganz ehrlich? Warum nicht? NN-Foto: HF
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