Kiesabbau
Eine Übersicht über Abgrabungen von Emmerich bis Wesel. Foto: Niederrheinappell

KREIS WESEL. Der Kreis Wesel sucht Alternativen zur Kiesabgrabung. Nachdem 2019 beschlossen wurde, den Landesentwicklungsplan dahingehend zu ändern, dass die Versorgungszeiträume für Kies und Sand auf 25 Jahre erhöht werden, sprach sich der Kreistag mit großer Mehrheit erneut gegen den ungebremsten Abbau aus. Aus diesem Grund und im Kontext einer Strategie für den Ausstieg fand vergangenen Donnerstag eine Videokonferenz zum Thema „Kieswende: Nachhaltiger Umgang mit einer endlichen Ressource“ mit verschiedenen Vorträgen statt. Kritik gab es von der Initiative „Zukunft Niederrhein“.

Der erste Vortrag kam von Gerald Kampert von der Stadt Dortmund. Er stellte die Kampagne „Kleine Häuser“ vor, mit deren Bau (meist aus Holz) die Stadt die Größe von Einfamilienhäusern und damit den Flächenverbrauch reduzieren möchte. Dahinter steht der Gedanke, Gewohnheiten zu hinterfragen und zu überdenken, wie viel Platz jeder einzelne wirklich benötigt.Hinzu komme laut Kampert ein Vorteil für den Klimawandel, indem die Energieeffizienz pro Kopf gesteigert werden könne.

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Martin Schüten von DGM Architekten sprach von der Reduktion von Beton, vom Umgang mit Verschwendung, was das für die Kreislaufwirtschaft bedeutet und wie gesunde Gebäuden entstehen. Von den verschiedenen Möglichkeiten bei der Reduktion liegt laut Schüten der allgemeine Fokus auf Recycling. Gemäß Versuchen könnte ein hochbelastbarer Beton zu 90 Prozent mit geschreddertem Altbeton aufgefüllt werden. In Deutschland seien jedoch nur 45 Prozent erlaubt.

Ein weiterer Punkt war die Kreislaufwirtschaft im Sinne von konstruktiven statt destruktiven Kreisläufen. Dazu gehört laut Schüten, Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen so lange im Kreislauf zu halten, bis sie nachgewachsen sind. Ein wichtiges Stichwort zur Bauwirtschaft war das „urban mining“, bei dem auf Materialien zurückgegriffen wird, die bereits in Städten sind, etwa nach einem Abriss.

Effizienter werden

Arne Höllen vom VDI-Zentrum Ressourceneffizienz sprach von Ressourceneffizienz durch Kreislaufwirtschaft. Für den Einsatz von Recyclingmaterialien, wie von der EU und Deutschland gefordert, sei ein Umdenken bei Entscheidern in Behörden und Institutionen notwendig. Weitere Grundlagen seien etwa die einfache Austauschmöglichkeit von Gebäudeteilen sowie deren Reparierbarkeit zu steigern. Dazu kommt, wie auch von anderen Rednern erwähnt, die Verwendung nachwachsender Rohstoffe wie Holz, Schilf oder Stroh.

Klaus Dosch, Leiter der Faktor X Agentur, beschäftigte sich in seinem Vortrag mit neuen Wegen zum Ressourcenschutz beim Bau, den er untrennbar mit dem Klimaschutz verbunden sieht. Im Zentrum des Vortrags stand Faktor X, ein Ansatz, bewährte Konzepte des energiesparenden Bauens und Sanierens hinsichtlich des vollen Lebenszyklus eines Gebäudes zu optimieren, anstelle nur die Nutzungsphase der Gebäude im Blick zu haben.

Ziel der Agentur ist es, die Ressourceneffizienz eines Gebäudes um den Faktor X zu erhöhen, etwa um das Doppelte. In der Umsetzung könne so etwas, wie Dosch vorstellte, unter anderem durch den Einsatz von regionalen und CO2-armen Baustoffen oder auch nachwachsenden Rohstoffen geschehen. Er stellte drei für ihre Arbeitsweise im Mittelpunkt stehende Indikatoren vor, an denen für eine Verbesserung gedreht werden müsse: Nicht erneuerbare Primärenergie (Energiewende), CO2 (Klimawandel) und Abiotischer Rohstoffinput (Ressourcenwende).

Holzprodukte als Werkstoff der Zukunft?

Markus Steppler von Derix sprach vom zirkulären Bauen mit Massivholz. Mit Verweis auf die Rolle des Bauens bei den CO2-Emissionen betonte er das Holz als einzigen natürlich nachwachsenden Baustoff, das darüber hinaus CO2 langfristig binde. Hinzu komme der Substitutionseffekt, womit er die CO2 -Emission meint, die durch die Verwendung von Holz als Ersatz für den Beton verhindert wird. Elf Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes weltweit komme vom Gebäudebau, insbesondere von der Betonherstellung, wie Steppler herausstellte.

Laut Steppler wächst in Deutschland das Holz, das für die Baustoffe Brettschichtholz und X-Lam verwendet wird, mit 0,75 Kubikmetern pro Sekunde nach. Ein Einfamilienhaus wäre entsprechend nach wenigen Sekunden in Deutschland nachgewachsen. In dem Produkt X-Lam sieht Steppler einen Werkstoff, der Beton verdrängen könnte.

Der letzte Vortrag kam von Dr. Helmut Rosenlöcher von Multicon. Er widmete sich dem Thema der Aufbereitung und Nutzung von Wüstensand für die Betonproduktion. Nur fünf Prozent des natürlichen Sandvorkommens würden derzeit für Bauzwecke genutzt. Er stellte eine Möglichkeit vor, den für den Bau eigentlich zu feinen Wüstensand nutzbar zu machen: Feinsande weiter zerkleinern, dieses Mehl mit hydraulischen Bindemitteln und Steinmehl vermischen und daraus Pellets verschiedener Größen herstellen. Diese könnten dann für nachhaltige Betone genutzt werden.

Fazit von Vorstandsmitglied

Helmut Czichy, Vorstandsmitglied des Kreises Wesel, erkannte in seinem Schlusswort die Notwendigkeit eines Durchbruchs für die Alternativen in Deutschland an. Für sie müsse es bei den Bauherren und Planern, aber vor allem auch bei den Normen und Vorschriften einen Schub geben. Dabei verweist er auf die in den Vorträgen erwähnten Möglichkeiten im Ausland, die in Deutschland wiederum nicht möglich seien. Angetan zeigte er sich von den Möglichkeiten des Holzbaus.

Czichy betonte darüber hinaus den Willen der Verwaltung, an der Durchsetzung der Veränderungen teilzuhaben, etwa durch weitere Veranstaltungen, gewissermaßen als Projekt über mehrere Jahre. Eine wichtige Rolle schrieb er der Zusammenarbeit etwa mit Instituten zu, wichtig sei aber auch das Bekanntmachen und Werben für Alternativen wie auch die Verantwortung für sie bei den eigenen Projekten als öffentlicher Bauherr. „Es geht nicht darum, dass man überhaupt nicht mehr mit Sand, Kies und Beton arbeiten wird. Aber es muss dahin gehen, dass wir Alternativen ins Werk setzen und diese eine entsprechende Verbreitung erfahren“, fasste Czichy zusammen. Die noch offen gebliebenen Fragen wolle man von den Referenten im Nachhinein beantworten lassen.

Kritik seitens der Initiative

Kritik kam von Seiten der Initiative „Zukunft Niederrhein“ (Zusammenschluss von Unternehmen der Kiesindustrie). Sie sah das Ergebnis der Konferenz vor allem in theoretischen Ansätzen, die aktuell nicht im großen Stil in der Region umgesetzt werden könnten. Darüber hinaus seien kritische Fragen ausgeblendet worden.

Viele der Ideen seien nicht neu und es stehe fest, dass auch bei einer hundertprozentigen Recyclingquote in Deutschland der Bedarf an Baustoffen für den Hoch-, Tief- und Straßenbau nicht ansatzweise gedeckt werden könne. Die Initiative verweist auf Erkenntnisse, denen zufolge NRW seinen gesamten Holzbedarf nur zu etwa 30 Prozent durch die Holzernte in den eigenen Wäldern decken kann. Wo der Rohstoff Holz für den Holzhäuser-Bau herkommen solle, habe der Referent nicht beantworten können.

Ein weiterer Vorwurf bezieht sich auf den Sand- und Kiesbedarf für den notwendigen Straßen- oder Brückenbau. Dieser sei in den Vorträgen ausgeblendet und eingereichte Fragen ignoriert worden. Eine Antwort vermisste die Initiative auch auf die Frage, warum beim neuen Baugebiet in Kamp-Lintfort (Kleine Heide) von Recycling-Baustoffen oder Holz-Bauweise nicht die Rede sei. Eine Antwort wünschte sich die Initiative auch auf die Frage, wie man den vor allem im arabischen Raum vorhandenen Sand klimafreundlich an den Niederrhein transportiere und wie viel dieser Sand dann kosten würde.

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