Ein Leben auf Tante Greta

Ist es eigentlich schon das sechste Lesekönigjahr? „Ja“, sagt der Jurykollege.

Geister wecken

St. Georg Grundschule Nütterden, 9.30 Uhr an einem Mittwoch. Zwei Klassen entern den Musiksaal. Sechs Vorleser werden antreten: Drei Mädels, drei Jungs. Aus der Klasse 3a Phil Müller, Elena Pierlo, Sofia van de Sand; aus der 3b Philip Maas, Jack Ihlau, Emma Brosch. Sigrun Hintzen begrüßt die Wettbewerber und das Publikum. Auf dem Vorlesetisch: ein Stofflöwe. Gut für die Nerven. „Ihr seid bestimmt aufgeregt“, sagt Hintzen. „Wir sind es übrigens auch“, fügt sie hinzu. Dann noch die wichtigste Handlungsanweisung: „Ihr müsst laut lesen, sonst schläft der Löwe ein und schnarcht.“

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Der kann nicht schnarchen

Der Löwe wird natürlich nicht einschlafen und – ganz unter uns: Er kann gar nicht schlafen, aber natürlich ist lautes Lesen nicht schlecht. Ach ja – noch was: „Versprecher gehen nicht in die Wertung ein.“ Das ist gut, denn in manchen der Geschichten tauchen schwierige Wörter auf.
Die Kandidaten lesen aus verschiedenen Büchern. Am Anfang die kurze Frage: „Aus welchem Buch liest du?“ Dann legen sie los. Im Kopf eines Jurors passieren komische Dinge. Natürlich: Du achtest auf den Vortrag – darauf, wie die Kandidaten mit ihrem Text umgehen und wie sie sprechen. So ganz nebenbei versuchst du zu verstehen, worum es in den Geschichten geht. Das ist gar nicht mal so einfach, denn alle lesen andere Textstellen. Manches erschließt sich von selbst.

Muss es nicht Kreta heißen?

Aber dann taucht plötzlich ein Satz auf wie: „Damals, als ich noch auf Greta lebte.“ He??? Muss es nicht Kreta heißen? Kreta: größte griechische Insel. Hauptstadt: Iraklion. Aber lautete der Satz nicht sogar: „Damals, als ich noch auf Tante Greta lebte.“? Wer, bitte schön, lebt auf Tante Greta, denkst du. Schnell mal nachgeschaut: „Die Kakerlakenbande“ heißt das Buch und handelt von einem schlafenden Goldfisch, einem Kakerlak als U-Boot-Kapitän und … einer Laus. Okay: Die lebt dann wohl tatsächlich nicht auf einer griechischen Insel sondern auf Tante Greta. Gut, dass man mal drüber gesprochen hat.

Belegte den 2. Platz: Jack Ihlau.

Traumnote Fünf

Die Kandidaten geben – natürlich doch – ihr Bestes. Tolle Erzähler sind sie. Und trotzdem muss am Ende gerechnet werden. Es gibt Punkte für Lesetechnik, Textgestaltung und Textverständnis. Die Punktezahl reicht von Eins bis Fünf. Fünf ist das Beste – anders als sonst in der Schule.
Nach dem Vorlesen: Juryberatung. Die Sache ist meist ziemlich klar. Abgerechnet wird zum Schluss. Urkunden werden geschrieben. „Ihr könnt euch so lange ein bisschen austoben“, sagt die Sigrun von der Buchhandlung. (Die Schüler rücken ab.) Punkte werden addiert, Urkunden werden geschrieben – danach geht‘s auf ins Foyer. Bekanntgabe der Reihenfolge. Eigentlich sollten einfach alle gewinnen, aber am Ende gibt es doch Nuancen – Nuancen sind Schattierungen, feine Unterschiede. Am Ende – drei vierte Plätze: Phil Müller, Elana Pierlo und Sofia van de Sand.

Emma hat‘s geschafft

Dann wird es spannend. „Dritter Platz für Philip Maas“, verkündet die Sigrun. Und jetzt? Wenn sie den 2. Platz nennt, steht fest, wer gewonnen hat. „Den 2. Platz hat Jack Ihlau bekommen“, sagt die Sigrun. Man muss jetzt kein Detektiv mehr sein. Die Emma hat‘s geschafft. Emma Brosch. Noch guckt sie ein bisschen ernst. Als sie die Urkunde und den Stofflöwen in der Hand hält (die Urkunde darf sie behalten, den Löwen nimmt die Sigrun wieder mit), löst sich ein Lächeln aus Emmas Zügen.

Wer liest ist klar im Vorteil

Herzlichen Glückwunsch. Und die Sigrun erklärt schnell noch mal, dass alle hier stolz sein könnendürfensollen, denn Lesen ist eine tolle Fähigkeit eine, die man – im Gegensatz zu einem Smartphone – nicht verliert. Und klar: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Aber so was von …

Die Klassen 3a und 3b der St. Georg Grundschule in Nütterden.
NN-Foto: HF
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