Proklamation in Kranenburg oder: momentan ist richtig

Mittwoch, 6. November – vier Tage vor dem 30. Jahrestag des Mauerfalls. So könnte man beginnen und dann einen ganz anderen Text schreiben. Dieser hier aber geht so: Mittwoch, 6. November: Bürgerhaus Kranenburg. Generalprobe bei den Arbeitsbienen. Vier Tage bis X.

Der Tag X

X – das ist der Tag der Prinzenproklamation. Das ist für den einen Prinzen (Peter der Praktische mit Funkenmariechen Karin) das definitive Ende seiner aktiven Prinzenrolle und für den Neuen der Tag eins einer hoffentlich unglaublichen Session.
Die Arbeitsbienen sind in Kranenburg – man darf es Jahr für Jahr kurz erklären – die Organisatoren des Sitzungskarnevals. Natürlich sind die Bienen später auch bei Rathaussturm und Frühschoppenzug dabei, aber da sind sie Teilnehmer. Jetzt sind sie gewissermaßen Ausrichter. Sind die Truppe, ohne die nichts geht. Ohne Bienen keine bunten Abende – Unterhaltungswüste wäre das.

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Theater, Theater

Wenn Sie in Kranenburg den Neuen (Prinzen) proklamieren, dann ist auch das Sache der Arbeitsbienen. Der Prinz wird mit einem kleinen Theaterstück vorgestellt: So beginnt der Höhepunkt des Proklamationsabends, an dem natürlich noch anderes stattfindet. „Theater, Theater“, denkt man und der Kopf stellt Katja Ebstein zur Verfügung. (1980 war‘s beim Grand Prix.)
Mittwochs ist – wenn es in Sachen Karneval langsam aber sicher ernst wird – der Probenabend für die Arbeitsbienen. Diesmal sind Prinz und Funkenmariechen eingeladen. Das ist nicht unbedingt üblich. Reimund van Laar ist der Spielleiter. Er hält die Fäden in der Hand. „Diesmal ist es so, dass wir den Prinz erst als DJ auf die Bühne holen. Das ist ja sein Hobby. In dem Stück gibt es also eine Szene, wo der DJ auf die Bühne geholt wird. Er ist dann ja noch nicht Prinz.“ Und damit all das auch klappt, sind Marc (Spezi) und sein Funkenmariechen Miriam zur Generalprobe erschienen.

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Vorgeprobte Wirklichkeit

19 Uhr: Die Theatristen sind da. Van Laar: „Später kommen dann noch welche aus den Tanzgarden. Wir spielen ja einen Traum, der in der Disco spielt.“ Der Theatertext ist übrigens vorproduziert. Die Darsteller sprechen Playback. Auch nicht einfach, denn: den Text musst du ja trotzdem drauf haben – es sähe ja komisch aus, wenn die vom Band die Stimme läuft und die Rolle stumm bleibt. Ein Mikrofon gibt es trotzdem. Einige Leute werden ohne Playback sprechen: Der Sitzungspräsident. Pastor und Bürgermeister. Und wie es sich für eine gelungene Generalprobe gehört: Die Batterien im Mikro verabschieden sich gerade. Thomas Tüchthuisen: „Geht das Ding von selber aus, wenn man 10 Sekunden nicht spricht?“ Geht es nicht. Batterien gewechselt. Problem behoben. Erster Durchlauf.

Es muss richtig was los sein

Van Laar: „Das klappt alles schon ziemlich gut. Wenn gleich die Tanzszene mit den Garden kommt, muss richtig was los sein auf der Bühne.“ Das ist es dann auch. „Wenn ihr die Discoszene spielt, ist das allerdings kein Gardetanz“, erklärt der Spielleiter. Es muss erst einmal chaotisch aussehen. Discotanz eben. Jeder macht seins. Merke: Manchmal muss auch das Chaos gut geplant werden. Van Laar lobt seine Leute: „Das ist das Tolle hier“, strahlt er. „Du kannst eine Anweisung geben und die können alle improvisieren. Wir haben ja nur diese eine Probe, bei der alle da sind.“ Auf das Stichwort DJ kommen Marc und Miriam auf die Bühne. (Gesicht immer zum Publikum.) Ein kleines bisschen nervös sind die beiden, bildet man sich ein. Halb so wild: Am Samstag wird denen dann aber richtig die Muffe gehen. Volles Haus – dazu kommt dann der Einmal-im-Leben-Effekt. Van Laar ist sicher: Das wird super.

Karneval 180°. Foto: Rüdiger Dehnen

Stunde Null

Zwischendurch erhält die Bühnencrew immer noch Nebenanweisungen von den „Restbienen“. Nicht alle sind auf der Bühne, aber alle haben Bühnenerfahrung und wissen, worauf es ankommt in der Stunde Null. Am alleroberwichtigstenüberhaupt: das Publikum. Immer nach vorn schauen – da spielt die Musik. So viel zur Probenpraxis, die ja irgendwie auch Theorie ist. Samstag ist Wirklichkeit …

Momentan ist richtig

… Samstag ist jetzt. Man könnte grönemeyern: Momentan ist richtig. Momentan ist gut. Und genau so ist es. Im Bürgerhaus boxt der Papst. Okay – übertrieben. Der Papst konnte leider nicht, aber das macht ja nichts. Die Hütte ist voll, die Stimmung ist top. Und bevor der neue Prinz den imaginären Thron erklimmt, wird erst mal dem Noch-Prinz und gleich-Vorgänger gedankt. Immer schön eins nach dem anderen. Der Praktische und sein Funkenmariechen Karin haben fertig. Aber so viel ist sicher: Im Bürgerhaus ist nicht „Flasche leer“. Es wird getanzt (Gardetanz), es wird gesungen (das Krunekroane Lied) – es wird ein bisschen geraucht in der kleinen Pause um kurz vor 10. Manche haben sich beim Rauskommen vorsorglich schon mal zwei Glimmstängel zwischen die Lippen geklemmt.

Aber jetzt

Und dann geht‘s los. Endlich werden die Arbeitsbienen losgelassen: Prinzentheater. Eine Traumszene. La, le, lu – hinten schaut der Marc schon zu. Aber vorn sehen sie ihn noch nicht. Vorn bahnt sich im Traum eine Discoszene an. Und irgendwann stürmen die Gardemädels die Bühne. Jetzt ist richtig was los. Momentan ist richtig, momentan ist laut. Es geht – ganz nach dem Wunsch des Spielleiters – durcheinander zu. Dann kommt der Sitzungspräsident und spricht von den großen DJs, die schon in Kranenburg aufgelegt haben. Die ganz Großen der Welt trifft man in Weeze beim Parookavill. „Aber einen haben wir heute hierhin eingeladen. Das ist DJ Spezi.“ Und da kommt er – zusammen mit dem seinem (Noch-Nicht-) Funkenmariechen. Aufeinander gestellt – wir wissen es schon – wären sie 3,30 Meter hoch. Nebeneinander etwas niedriger.
Der Abend nähert sich seinem Höhepunkt. Ein Prinz ist kein Prinz, wenn er kein Zepter hat und keinen Prinzennamen. Der Sitzungspräsident holt sich Amtshilfe. Alle Macht geht (noch!) vom Bürgermeister aus und der nennt – es ist nicht weit vor 22 Uhr – den Prinz beim Namen: „Ich programmiere: Prinz Marc der Musikalische.“ Hat er „programmieren“ gesagt? Man hat sich verhört. Ganz bestimmt. Obwohl kurz darauf der Jetzt-Prinz auch von einem Versprecher spricht. Das Volk tobt. Krunekroane He – lau! Es ist vollbracht. Das Stück: Gelungen.

Kleinigkeiten

Ein paar Kleinigkeiten wären allerdings noch zu erledigen. Glückwünsche vom Bürgermeister und – natüüüürlich – vom Pastor. Auch der Prinzenorden wird dem Prinzen verliehen. Jetzt ist er irgendwie komplett ausgestattet. Aber trotzdem fehlt noch was. Glückwünsche vom Zugkomitee und von der Zugpolizei. Man kann nicht früh genug an Februar denken: Rathaussturm, Frühschoppenzug. Genau. Letzte Amtshandlung am neuen Prinzen: Überreichen des Plakats für den Zug und Bekanntgabe des Mottos. „Dat Krunenbörgse Narren-Klima is prima.“ Greta lässt grüßen. Und richtig: Klima is prima. Letztes Ausrücken zur Pause und dann der erste offizielle Großauftritt des Musikalischen nebst Premiere des Prinzenliedes.

Das Überreichen des Plakates für den Frühschoppen gehört zur Inthronisierung. Foto: Rüdiger Dehnen