Der Urwald von nebenan: Talisa Lallai im Museum Kurhaus Kleve

KLEVE. „Das Wetter wird bombig“ – sagen die Frösche. Temperaturen bis zu 20 Grad. Wunderbar. Da passt es doch wie Sonne in den Frühling, dass sie im Museum Kurhaus Kleve (mkk) ab sofort eine Ausstellung mit dem Titel „Post Tropical“ zeigen.
Und warum eigentlich „post“? Haben wir das Urwaldidyll hinter uns? Wer die (teils großformatigen) Fotos der Werner-Deutsch-Preis-Trägerin Talisa Lallai in Augenschein nimmt, könnte sich im Paradies des Sommerurlaubs fühlen oder vom Kurhaus aus das nächste Reisebüro ansteuern und Prospekte holen. Großflächig kommt Urwald daher – breitet Blattwerk aus und wenn man lange genug hinsieht und sich festdenkt, hat man fast das Gefühl, die Brillengläser würden mit Kondenswasser beschlagen. So passiert es ja, wenn man aus dem zentraleuropäischen Klima einen botanischen Garten oder ein Tropenhaus betritt.

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Lesarten des Wirklichen
Es ist in der Kunst nicht selten, dass Vieles nicht das ist, was es zu sein scheint. Talisa Lallais Tropenbilder nehmen sich da nicht aus. Ja – was da zu sehen ist, ist echtes Blattwerk, es ist irgendwie echter Urwald, aber es ist der „Urwald um die Ecke“ – der Urwald des global village. So entstehen Doppelkopien einer Wirklichkeit, die längst niemand auf ihre Echtheit überprüfen kann. Sind die Bilder nun am Äquator entstanden oder im botanischen Garten, zweite Ampel links?
„Mit gefundenen und selbst gemachten Fotos stellt Talisa Tallai historische Formen von Exotik zeitgenössischen Ansätzen gegenüber“, erklärt Kuratorin Susanne Figner. Fake news in Bildern? Wohl eher nicht, denn, so Figner weiter, „damit verbunden sind Geschichten der Kolonialisierung und Globalisierung, die es überhaupt möglich machen, dass Bananenstauden und Flamingo Blumen in botanischen Gärten und Wohnzimmern gezeigt werden können“.

Inszenierungen
Lallais „tropische Arbeiten“ können also einerseits als bildnerische Auseinandersetzung und Inszenierung gesehen werden, taugen aber auch als Denkvorlagen für Debatten zum Thema Kolonialisierung und Untergang des Ursprünglichen (Post Tropical). Man kann sich entscheiden, ob man die Pflanzen- und Urwaldportraits als Abgesang lesen möchte oder als Appell an das Maßhalten im Umgang mit der Natur.
Natürlich kann man Lallais Arbeiten auch „einfach“ als Kunst betrachten, denn, um ein Bild herzustellen braucht es – egal ob nun in der Urwald-Wirklichkeit oder bei der „botanischen Kopie“ zunächst einmal eine Idee von der Inszenierung. Allerdings ist nie klar ersichtlich, ob es sich bei den Bildern um „Fundstücke“ oder von der Künstlerin inszenierte Situationen handelt.
Susanne Figner formuliert es so: „Talisa Lallai arbeitet mit aufgeladenen Motiven, die dem Betrachter nicht nur bekannt sind, sondern zu denen er auch eine Meinung hat. Die Einladungskarte zeigt eine Aloe Vera, eine Pflanze, die in den letzten Jahren zu einem Lifestyle Produkt avanciert ist und der allerlei wohltuende Wirkungen nachgesagt werden. Bei solchen Motiven soll es nicht um die Verbreitung von Ferienstimmung gehen, sondern um die Fokussierung auf ein Objekt, das sich als Ikone von Exotik etabliert hat. Meistens ist unklar, ob die Aufnahme von der Künstlerin selbst gemacht wurde oder ob sie ein Fundstück darstellt. Die Nivellierung ist wichtig, da es nicht entscheidend ist, ob etwas von Künstlerhand oder von einem Amateur aufgenommen wurde, sondern dass ein Framing-Effekt stattfindet, der universell zu sein scheint. Sowohl in der Geschichte der Kunst als auch im Populärgebrauch werden exotische Motive nach bestimmten Gesichtspunkten ausgesucht und inszeniert. Lallai wiederum setzt eine weitere „Rahmung“ dazu, indem sie die Art und Weise wie sie die Bilder präsentiert als essentiellen Teil des Werks versteht. “

Edition

Zur Ausstellung erscheint eine Edition, die einen exotischen Tucan − nicht in freier Natur wie man denken könnte, sondern in einem botanischen Garten − zeigt. Die Edition wird in einer Auflage von 25 Stück für einen Preis von 315 Euro angeboten. Zu sehen ist „Post Tropical“ noch bis zum 23. Juni.

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