Im Haus zu den Fünf Ringen stellten der Heimatverein Goch, hier der Vorsitzende Willi Vaegs, und Autorin Ruth Warrener das Buch „Wider das Vergessen“ vor. NN-Foto: CDS

GOCH. „Die Einzelschicksale haben mich tief berührt und ich habe vieles gelernt.“ Ruth Warrener, Lehrerin an der Gesamtschule Mittelkreis, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an die jüdischen Familien aus Goch und ihr Leiden unter der Herrschaft der Nationalsozialisten zu bewahren.

Nun ist ihr Buch „Wider das Vergessen“ erschienen, Herausgeber ist der Heimatverein Goch. Im Haus zu den Fünf Ringen wurde das 352 Seiten starke Werk vorgestellt. „Es hat eine lange Vorgeschichte“, erzählt Ruth Warrener, „begonnen hat alles 2003 mit einem Vortrag von Hans-Joachim Koepp.“ 2005 hat Ruth Warrener dann mit Schülern auf dem zweitältesten jüdischen Friedhof in Goch, an der Kalkarer/Ecke Pfalzdorfer Straße (Parkanlage vor dem Hotel Litjes), die alten Grabsteine gereinigt. „Ich wollte dafür sorgen, dass Namen und Geschichten erhalten bleiben“, so Warrener.

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Zusammen mit ihrem damaligen Informatik-Kurs entwickelte sie eine Website, um Bilder und Daten zu sichern. Außerdem forschte sie nach den Familiengeschichten. „Dann wurde unsere Homepage von Verwandten entdeckt“, berichtet Ruth Warrener. So meldete sich die Tochter des ehemaligen Lehrers Oppenheimer bei ihr: „Sie fand das Projekt toll und gab mir weiteres Material.“ In der Folgezeit erreichten sie Mails aus aller Welt.

2009 begann Ruth Warrener dann für die Stolperstein-Initiative zu forschen, hier waren unter anderem Fluchtdaten der jüdischen Familien wichtig. Es kam eins zum anderen und als ihr Hans-Joachim Koepp, Beisitzer im Heimatverein und engagierter Heimatforscher, vorschlug, ein Buch zu schreiben, willigte sie ein – obwohl sie eher der „Typ für eine Homepage“ sei, so die Lehrerin. Ein einziges Mal hat Ruth Warrener bei all ihren Recherchen Widerstand erfahren; es wurde ihr untersagt, ein Foto für die Homepage zu nutzen. Generell ist ihre Erfahrung aber eine andere: „Die Nachfolgegeneration interessiert sich für das Thema, für sie steckt nicht mehr soviel Schmerz dahinter. Denn auch die Kinder der Geflohenen haben darunter gelitten.“ Ein Beispiel dafür sind Briefe von Max Adolf Devries, der seine Kinder beschwört, ja nie mehr nach Deutschland zurückzukehren und hier zu wohnen. „Er war verbittert“, sagt Ruth Warrener. Mit dem Abitur in der Tasche, wollte Max Adolf Devries Medizin studieren und Arzt werden – stattdessen lebte er dann in ärmlichen Verhältnissen mit seiner Familie in Australien und arbeitete als Lagerverwalter. Sein Sohn Robin aber, der heute in Sydney lebt, stellte die umfangreiche Bildersammlung des Vaters für das Buch zur Verfügung.

Interviews, Berichte, Lebenserinnerungen und Fotos machen das abstrakte Wissen um die Verbrechen der Nationalsozialisten greifbar, geben den vertriebenen und den ermordeten jüdischen Bürgern Gochs wieder eine Stimme. „Bewegend“ sei der Schreibstil, so Annette Wozny-Koepp vom Redaktionsteam. „Goch hat am längsten auf solch eine Publikation gewartet, aber es hat sich gelohnt“, betont Hans-Joachim Koepp. „Es ist mir eine Herzensangelegenheit, dass die Geschichten nicht in Vergessenheit geraten“, sagt Ruth Warrener, die sich von den vielen positiven Reaktionen der Nachfahren immer wieder motiviert fühlt, mit ihrer Arbeit weiterzumachen.

Das Buch, mit einem Vorwort von Hans-Georg Steiffert, ist ab sofort im Buchhandel zum Preis von 19,90 Euro erhältlich. Wer sich mit dem Buch und dem Thema vertraut machen möchte, der kann am Sonntag, 26. November, 17 Uhr, ins Gocher Rathaus kommen. Heinz van de Linde wird, begleitet von Klezmer-Musikern, Auszüge daraus lesen.

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