Gebühr ist keine Lösung

Experte und Klever Einzelhändler sind sich einig: Beratung vor Ort muss kostenlos bleiben

KLEVE. Seit Jahrzehnten beraten viele Einzelhandelsverkäufer in den Innenstädten und stellen ihren Kunden die neueste Waschmaschine, den schönsten Schmuck oder einen modernen Fernseher vor. Viele Einzelhändler beschweren sich aber seit geraumer Zeit, dass dieses Angebot ausgenutzt wird.

Service – und vor allem Beratung – vor Ort nehmen viele Kunden gerne mit – doch wie sieht es mit dem Einkauf aus? NN-Foto: M. Bühs
Service – und vor allem Beratung – vor Ort nehmen viele Kunden gerne mit – doch wie sieht es mit dem Einkauf aus? NN-Foto: M. Bühs

Sich im Geschäft beraten lassen, aber online kaufen sei für viele Kunden heutzutage an der Tagesordnung, sagen sie. Experten sprechen dabei von „Beratungsklau”. Ein Kinderkaufhaus in Münster hat darauf nun reagiert und eine Beratungsgebühr in Höhe von 25 Euro erhoben, die allerdings bei einem Kauf mit der Gesamtsumme verrechnet wird. Die NN hat sich daraufhin umgehört, wie der Einzelhandel vor Ort dazu steht.

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Im Gespräch mit den Verkaufsleuten wird zunächst deutlich, dass Beratungsklau auch in Kleve ein Thema ist. „Man kann das nicht quantifizieren, aber die Vermutung haben wir häufiger, dass Leute sich bei uns beraten lassen, und dann doch woanders beziehungsweise online kaufen. Da man sie aber ja darauf nicht ansprechen kann, sind das natürlich nur Vermutungen”, sagt Jochen Thies vom gleichnamigen Elektrogeschäft an der Hagschen Straße in Kleve. Er gibt gleichzeitig aber auch zu, dass nicht immer eine böse Absicht dahinter stecke. „Manche Kunden wollen sich bei uns auch informieren, weil ihre Waschmaschine gerade spinnt. Vielleicht konnte sie in der Zwischenzeit aber wieder repariert werden, so dass keine neue gekauft werden musste. Sowas haben wir sicherlich auch”, erläutert Thies. Von einer Beratungsgebühr hält er deshalb wenig. „Dann gehen die Leute woanders hin und kommen gar nicht mehr”, meint Thies.

„Im Prinzip ist es richtig, um die Leute wachzurütteln“, sagt Patrick Modrow von Abbing und Bolk in Emmerich über die Gebühr, „letztlich aber wird damit eher Negativschlagzeilen produzieren.“ Seit Jahren beobachte man beim Elektronik-Fachhändler den Trend, dass sich Kunden im Geschäft intensiv beraten lassen, „die man anschließend nicht mehr wiedersieht – höchstens, wenn es nach dem Online-Kauf Probleme beim Aufstellen oder Einrichten der Geräte gibt“, berichtet Modrow. Kirsten Bolk sagt: „Wir können eigentlich nur eine gute Beratung bieten und immer wieder erwähnen, dass wir einen umfangreichen Service anbietet.“

Professor Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein sieht das im Interview mit dem Radiosender WDR2 genauso. Wenn die Beratung exzellent sei, sei vielleicht der ein andere Kunde bereit dazu, eine Beratungsgebühr zu zahlen. „Pauschal 25 Euro zu erheben wird aber wahrscheinlich einige Kunden vertreiben und endgültig zu Online-Käufern machen”, so der Experte und ergänzt: „Eine pauschale Beratungsgebühr ist der letzte Nackenschlag, den der Handel sich selbst gibt.”

Eher abschreckend

Der Meinung, dass eine Beratungsgebühr nur abschreckt, ist auch Astrid Vogell vom Klever Kaufhof. „Das führt zu nichts, weil der Kunde sich dann anderweitig umschaut”, so Vogell, die allerdings auch so etwas wie einen Beratungsklau bereits beobachtet hat. „Es kommt sicherlich schonmal vor, dass sich jemand Schmuck oder Kleidung anschaut und anprobiert, und dann woanders beziehungsweise online kauft”, meint Vogell. Dies sei letztendlich aber schon immer so gewesen. „Früher wurde auch schon beim Händler nebenan geschaut, ob er einen günstigeren Preis macht”, sagt Vogell. Außerdem gebe es immer noch viele Menschen, welche die Vorteile des Shoppens vor Ort zu schätzen wüssten. „Wenn ein Kunde eine Uhr oder ein Armband als Geschenk kaufen möchte, kauft er meistens doch lieber bei uns, weil wir das Schmuckstück vor Ort kostenfrei ändern können, was in vielen Fällen ja gemacht werden muss”, sagt Vogell.

Experte und Einzelhändler halten wenig davon, dem „Beratungsklau” mit einer Gebühr zu begegnen:

Auch die passende Erklärung und freundliche Hilfe sei laut Astrid Vogell ein wichtiger Faktor für den Kunden, weshalb er im stationären Handel kaufe. „Eine Uhr ist heute ja technisch oft sehr gut, aber auch kompliziert ausgestattet. Viele Kunden kaufen deshalb auch bei uns, weil wir ihnen die Uhr erklären können und sie nicht alleine dastehen”, so Vogell, die auch im Vorstand des Klever City-Netzwerkes (KCN) tätig ist. Gleiches gelte wohl auch für den Elektro-Bereich, wenn es etwa um Wasch- oder Kaffeemaschinen gehe.

Vogell ist außerdem der Meinung, dass der Online-Bereich nicht verteufelt werden dürfe. „Er ist ein Mitbewerber wie jeder andere auch”, sagt die Klever Kaufhof-Chefin und räumt gleichzeitig mit dem Gerücht auf, dass online immer günstiger ist: „Manchmal ist das nur auf den ersten Blick der Fall. Wenn man bei einer Armbanduhr zum Beispiel das Kürzen des Armbandes noch beim Juwelier hinzurechnet, was wir kostenlos machen, tut sich da oftmals gar nichts mehr vom Preis.”

Bei Abbing und Bolk wurde bislang eher halb im Scherz über eine solche Pauschale nachgedacht. Doch unterm Strich bedeutet ein guter Service auch positive Werbung. „Das Problem ist, dass viele Kunden vergessen, dass ein solcher Service auch Geld kostet“, sagt Kirsten Bolk. „Wir versuchen zu vermitteln, dass wir Gewerbesteuern zahlen und damit letztlich auch Freizeitaktivitäten oder Bildungsangebote finanzieren.“

Social Media nutzen

Des Weiteren müsse der Einzelhandel auf das Online-Angebot reagieren. „Zum Beispiel indem Einzelhändler einen kleinen Online-Shop anbieten oder ihre neuesten Artikel auf einer Social-Media-Plattform präsentieren und Kunden damit ins Geschäft locken”, sagt Vogell. Letzteres versuche das Klever Citynetzwerk bereits im Internet unter www.kleve-city.de insofern umzusetzen, dass sich die Händler dort vorstellen können. „Potenzielle Kunden können dann schauen, was angeboten wird, ohne dafür gleich in die Stadt gehen zu müssen”, meint Vogell, die das Internet auch für den stationären Handel für ein wichtiges Modell hält – ebenso wie Professor Heinemann. „Der Einzelhandel muss vom Online-Kuchen mitessen”, sagt er. Der Kunde möchte nunmal online einkaufen, weil es einfach bequemer sei.

Diese Möglichkeit gibt es auch bei Abbing und Bolk, wird aber nur bedingt genutzt. „Eher informieren sich unsere Kunden dort im Vorfeld, bevor sie zu uns ins Geschäft kommen“, sagt Patrick Modrow. Astrid Vogell berichtet ebenfalls, dass Kunden sich manchmal  erst im Internet informieren, und dann aber etwa mit einem Ausdruck doch noch das Einzelhandelgeschäft aufsuchen. „Sie bringen dann einen Ausdruck mit und lassen sich vor Ort im Fachgeschäft beraten, weil sie unsicher sind”, so Vogell. Dann sei immer noch das Wichtigste, dass die Beratung im Geschäft so gut sei, dass der Kunde direkt vor Ort kaufe. „Wenn ich Beratung anbiete, muss die alles toppen, was es gibt”, sagt Heinemann.

Sabrina Peters/Michael Bühs

 

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