Ein Stolperstein erinnert an das Schicksal von Maria Wackers

Kevelaererin wurde Opfer der Euthanasiemorde in der NS-Zeit - Gedenkgottesdienst am Mittwoch

KEVELAER. Einen weiteren Meilenstein der Erinnerungskultur wird es in Kevelaer ab Mittwoch, 23. November, geben. Der Künstler Gunter Demnig verlegt dann auf der Maasstraße 35 einen ‚Stolperstein‘ zur Erinnerung an Maria Wackers, geb.van Aaken. Er wird die Inschrift „Gegnerin des NS-Regimes“  tragen. Damit möchte Tochter Elisabeth Wackers, das jüngste von sechs Kindern der Verstorbenen, an das lange ungeklärte Schicksal ihrer Mutter erinnern.Der Stolperstein wird am Mittwoch, 23. November, 9.30 Uhr, auf der Maasstr. 35 in Kevelaer verlegt. Anschließend findet ein Gedenkgottesdienst in der Basilika statt, den Wallfahrtsrektor Rolf Lohmann zelebriert.

Stolpersteine liegen bereits in 1.100 Orten in Deutschland. Ab dem 23. November erinnert ein Stein an das Schicksal von Maria Wackers. Foto: privat
Stolpersteine liegen bereits in 1.100 Orten in Deutschland. Ab dem 23. November erinnert ein Stein an das Schicksal von Maria Wackers. Foto: privat

„Unsere Mutter wurde im Januar 1945, während unserer Evakuierung nach Magdeburg,  in der Landesheilanstalt Uchtspringe ermordet. Sie ist somit ein Opfer der Hitlerschen Euthanasiemorde“, so das Ergebnis der langjährigen Recherchen, Beweisführungen mit Akteneinsichten und Gutachten von Elisabeth Wackers. Den ersten Hinweis auf Uchtspringe hatte sie gefunden, als sie ihren Mann kennenlernte. Mit Hinweis auf seine umfangreiche Bibliothek sagte er: „Alles kannst Du lesen, nur bitte dieses eine Buch mit dem schwarzen Cover, nicht.“ Dessen Titel lautete: „Macht ohne Moral“. Elisabeth Wackers ignorierte die Bitte und fand in dem Buch einen Hinweis auf die ‚Anstalt‘ in Uchtspringe als ein ausgewiesenes  Konzentrationslager. „Ich spürte deutlich in mir die Pflicht, alles daran zu setzen, um den ‚Mord‘ an Mutter zu beweisen“, so die Tochter. Dabei half ihr eine Forschungsarbeit über Uchtspringe. Darin enthalten waren Informationen und Berichte, dass dort von 1939 bis 1945 „unwertes Leben“ getötet wurde. „Menschen verhungerten, Patienten wurden mit Medikamenten  überdosiert und systematisch getötet und/oder abtransportiert“, so ihre Erkenntnis nach der Lektüre. Am 20. Dezember 2015 erhielt  Elisabeth Wackers nach langen Jahren vieler Recherchen, mit Unterstützung der Organisation „Gegen das Vergessen“, die schriftliche Rehabilitierung ihrer Mutter.

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Der Tod ihrer Mutter sei bis dato innerhalb der Familie immer ein Tabu gewesen. „Wenn überhaupt darüber gesprochen  wurde, gab es kurz und knapp eine Antwort wie: „Ach, das war Krieg, das verstehst Du nicht“.
Einen ersten Hinweis zur Anstalt „Uchtspringe“ hatte sie Jahre zuvor zuhause gefunden. Nach dem Tod der Mutter hatte ihr Vater schnell seine damalige Hausangestellte Katharina – „Käthe“ – Verhoeven geheiratet. So konnten die sechs Geschwister zusammen bleiben.  „Ich wusste, dass Käthe in ihrem Schrank ein abgeschlossenes Fach besaß“. Als die Eheleute in Urlaub waren, öffnete Elisabeth Wackers das Fach und fand Unterlagen ihrer Mutter aus  „Uchtspringe“. „Verstehen konnte ich nicht viel, begriff aber, dass es sich hier um schreckliche Dinge handeln musste“, erzählt sie im Gespräch mit den Niederrhein Nachrichten. Sie behielt ihre? Wissen für sich. Am Anfang der Recherchen versuchte sie die Frage zu klären: „Wie“ und vor allem „warum“ kam Maria Wackers in die Anstalt?

Maria Wackers, geb. van Aaken, war das zweite Kind von elf Geschwistern des Ehepaars Peter August van Aaken (Zimmermeister) und Bernhardine van Aaken, geb. Te Niersen von der Hauptstraße 51 in Kevelaer. Maria van Aaken heiratete 1929 den Bäckermeister Josef-Franz Wackers aus dem Haus „Zum goldenen Krug“, Maasstraße 35. Josef-Franz Wackers führte mit seiner Ehefrau Maria neben der Bäckerei-Konditorei, eine Gastwirtschaft und vermietete Fremdenzimmer. „Sie trat mutig, energisch und entschieden gegen die Nationalsozialisten auf“, sagt ihre Tochter Elisabeth.  Das habe der Mutter Repressalien und böse Androhungen  gebracht. „Diese und die Trennung von ihrem sehr geliebten Mann, der an der Front diente, setzten ihr seelisch/nervlich sehr zu, zumal die Bedrohungen immer heftiger wurden“. Das habe Maria ihrer jüngsten Schwester Margarete Kreuels, „Tante Eti“ genannt, mitgeteilt. Unsere Mutter begann unter der steigenden Last des Krieges und seiner Folgen Angst zu entwickeln und wurde seit 1943 im St. Josefskloster in Neuss bis zur totalen Bombardierung, am 25.11.1944, die mehr als 10 Tote forderte, behandelt. Im Februar 1944 kam ihr jüngstes Kind Elisabeth-Bernadine Wackers im Marienhospital Kevelaer zur Welt.

Mitte 1944 begann in Kevelaer die Evakuierung, wo die Schwester, Frau Kreuels   mit ihrem 4-jährigen Sohn und den beiden Töchtern ihrer Schwester, in den Osten fuhren. Anfang Dezember 1944 folgten die beiden ältesten Söhne mit ihrer Mutter Maria ihnen nach. „Auf dieser Eisenbahnfahrt ereignete sich ein fürchterlicher Bombenangriff auf Osnabrück und den Zug … und unsere Mutter erlitt erneut einen schweren Nervenzusammenbruch“, zitiert Elisabeth Wackers aus den ihr vorliegenden Unterlagen. „Unser Onkel, August van Aaken, Mutters Bruder (späterer Steyler Bischof), der sie als Sanitäter begleitete, sprach mit dem Zugführer, der an der Strecke Gardelegen, nahe  der „Anstalt  Uchtspringe,“ anhielt. „Ihr müsst so schnell ihr könnt, Maria dort wieder abholen.

Es ist ein „schlechtes Haus“, sagte er bei seiner Rückkehr. Zu Weihnachten 1944 kehrte Maria Wackers kurz zu ihrer Familie zurück, die ausquartiert mit sieben Personen in einem kleinen Zimmer lebte. „Ohne ihren geliebten, schwer verwundeten Gatten wiederzusehen, zwang sie die Enge des Raumes,  zu Beginn des Jahres wieder zurück in die Anstalt. Einige Tage später traf bei uns ein Fax mit der Todesmitteilung ein, dass Mutter im Alter von 39 Jahren ‚verstorben‘ ist“. Ihre  Tochter Elisabeth war damals elf Monate alt.

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