Integration an der Werkbank

Fünf Emmericher Unternehmen bieten Deutschkurse und Praktika für Flüchtlinge an. "Ein absolutes Vorzeigeprojekt", lobt IHK-Chef Dietzfelbinger.

EMMERICH. Als Verkäufer in einem Bekleidungsgeschäft hat Ahamad in seiner Heimat, der syrischen Hauptstadt Damaskus­, gearbeitet. „Es war ein guter Job“, erzählt der 26-Jährige. Dann aber kam der Krieg, und Ahamad floh, wie so viele seiner Landsleute. Seit acht Monaten ist er in Emmerich – und nun einer von 30 Flüchtlingen, die dank des Netzwerks „Gemeinsame Integration“ an Deutschkursen und einem Praktikum in einem Emmericher Unternehmen teilnehmen. „Ich lerne ständig neue, nette Leute kennen“, erzählt Ahamad. „Es ist auch eine interessante Arbeit.“

Erst im Oktober vergangenen Jahres gab Wim Abbing, Geschäftsführer bei Probat, den Anstoß zur Gründung des Netzwerkes. Neben Probat schlossen sich Convent, Deutsche Giessdraht, Kao Chemicals und Katjes der Initiative an. Im Mittelpunkt stand die Frage nach der Rolle der Wirtschaft in der Flüchtlingskrise. Mit gezielten Hilfsmaßnahmen „wollen wir unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden“, erläutert Kao-Geschäftsführer Herbert Tripp. Unterstützung erhielten sie von der Stadt Emmerich, der Agentur für Arbeit in Wesel und der IHK Niederrhein. „Es ist ein absolutes Vorzeigeprojekt“, lobt deren Geschäftsführer Dr. Stefan Dietzfelbinger, „die beteiligten Unternehmen sind echte Vorbilder.“

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Bislang nehmen 20 Flüchtlinge an Deutschkursen teil, die die Unternehmen selbst anbieten und von Mitarbeitern durchgeführt werden. Zu ihnen zählt Anette Dierks von Katjes. Mit fünf Kollegen gibt sie seit sieben Wochen Hasan (27), Prince (26) und Salahuddin (27) aus Bangladesh dreimal wöchentlich Deutschunterricht. „Vor der ersten Stunde haben wir uns viele Fragen gestellt“, erinnert sich Dierks, „aber letztlich haben wir festgestellt: Wir mussten einfach nur loslegen.“

Maßarbeit: Ahamad lernt bei der Deutschen Giessdraht. „Eine interessante Arbeit“, wie er erzählt. NN-Fotos (2): MB
Maßarbeit: Ahamad lernt bei der Deutschen Giessdraht. „Eine interessante Arbeit“, wie er erzählt.
NN-Fotos (2): MB

Es geht darum, den Flüchtlingen die Möglichkeit zu geben, sich im Alltag zu verständigen. „Wir sehen Potenzial bei ihnen“, sagt Dierks über ihre drei Schüler. Die größten Schwierigkeiten „hatten wir anfangs mit den Umlauten“, erzählt Prince. „Und es gibt so viele unterschiedliche Artikel“, ergänzt Hasan, „das ist nicht immer leicht zu verstehen.“ Doch die drei Schüler werden immer besser, „und je besser es klappt, desto mehr Spaß macht es auch“, sagt Salahuddin.

Seit einer Woche laufen nun auch die Praktika. Zu den zehn Flüchtlingen, die daran teilnehmen, gehört auch Ahamad. Er lernt bei der Deutschen Giessdraht die Grundlagen, Arbeitsabläufe und Sicherheitsstandards kennen. „Es ist viel besser, als nur zu Hause herumzusitzen. Und wenn ich später arbeiten und eine Familie ernähren möchte, muss ich ja etwas gelernt haben.“

Wie aber fallen auf Seiten der Unternehmen die bisherigen Erfahrungen aus? „Extrem positiv“, betont Stefan Schneider, Geschäftsführer der Deutschen Giessdraht. „Wir spüren eine große Offenheit und hohe Motivation bei den Flüchtlingen, die auch auf unsere Mitarbeiter überspringt.“ Bereits die ersten Tage hätten viele Hürden abgebaut. „Es ist für beide Seiten eine tolle Form der Integration“, ergänzt Bastian Fassin, geschäftsführender Gesellschafter bei Katjes. „Außerdem geben wir den Flüchtlingen so das Gefühl, Teil der Gesellschaft zu sein.“
Einen großen Anteil am bislang reibungslosen Ablauf haben laut Fassin die Stadt und die Arbeitsagentur: „Dank ihrer Unterstützung läuft alles extrem unkompliziert.“ Für Bürgermeister Peter Hinze ist die Zusammenarbeit von Stadt und Wirtschaft eine „Win-win-Situation“: Die Flüchtlinge erhalten dank der Initiative einen geregelten Tages­ablauf und werden gleichzeitig zu Multiplikatoren.

Nun geht es um die Frage, wie eine Fortsetzung des zunächst auf drei Monate angelegten Projektes aussehen könnte. „Es soll keine einmalige Aktion sein, wir wollen weitermachen“, betont Herbert Tripp stellvertretend für seine Mitstreiter. Die Arbeits­agentur in Wesel könne dabei helfen, sagt deren Leiterin, Barbara Ossyra: „Eine Möglichkeit ist beispielsweise eine Einstiegsqualifizierung, an die sich eine Ausbildung anschließen könnte.“ Inzwischen haben vier weitere Unternehmen ihr Interesse am Netzwerk bekundet, verrät Wim Abbing. Er hofft, dass sich noch mehr anschließen.

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