STRAELEN. Die Diskussion um die Geschlechterzugehörigkeit ist aktuell in aller Munde, wurde vom Bundesverfassungsgericht doch jüngst die Einführung des dritten Geschlechtes im Personenstandsregister beschlossen. Für viele Menschen steht außer Frage, ob sie männlich oder weiblich sind. Sie identifizieren sich von Anfang an mit dem ihnen bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht. Anders war es bei Ben. Er wird als Mona geboren, merkte aber schnell, dass er sich im weiblichen Geschlecht nicht wohlfühlt.

Ben Milo Techt. So stellt sich der Mann, der zur Zeit in Straelen bei seinen Eltern lebt, vor. Neben ihm steht eine junge Frau, die ihn anlächelt. Man spürt auf den ersten Blick die Zuneigung, die die beiden füreinander empfinden und gleichermaßen auch das Verständnis füreinander. Das ist keineswegs selbstverständlich für Ben, denn er hat in seinen 27 Lebensjahren schon sehr oft andere Erfahrungen machen müssen: „Eigentlich wusste ich schon sehr früh, dass etwas mit mir nicht stimmt”, berichtet Techt. Schon im Kindergarten habe er lieber in der „blauen Ecke mit den Jungs” gespielt als mit Puppen. Soweit nicht ungewöhnlich, denn heutzutage können durchaus auch Jungs mit Puppen und Mädchen mit Autos spielen. Bei Techt war da aber immer schon das Gefühl im falschen Körper zu sein: „In der Pubertät wurde es dann besonders schlimm. Ich kam mir vor wie ein Alien.”

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Googlesuche: Fühle mich nicht wohl in meinem Körper

Techts großes Glück war es, dass seine Eltern seine Entwicklung von Anfang an akzeptierten und ihn nie in eine Geschlechterrolle rein gezwungen haben: „Ich habe nur einmal in meinem Leben, zur Einschulung, ein Kleid getragen – und glücklich schaue ich auf dem Bild keineswegs aus”, so Techt lachend mit dem Blick auf sein Einschulungsfoto. Was genau aber anders war, wusste der geborene Mülheimer jahrelang nicht. Erst mit 18 Jahren und aufgrund des Internets kam er dahinter: „Ich habe einfach nach, ‚fühle mich nicht wohl in meinem Körper‘ gesucht und bin dann auf den Begriff Transgender gestossen. Ich war so erleichtert, weil ich mich in den ganzen Lebensläufen der anderen direkt wiedergefunden habe.”

Als Ben noch Mona hieß und zur Grundschule ging. Foto: privat

Für den 27-Jährigen war ab dem Moment sofort klar, dass er den gesamten Prozess der Geschlechtsangleichung machen möchte: „Ich wollte einfach ein Mann sein.” Um überhaupt Operationen beantragen zu können, musste Techt sich einer 18-monatigen Therapie unterziehen. Während für den Straelener die Sache schon längst klar war, musste die Krankenkasse erst davon überzeugt werden, dass Techt im falschen Körper geboren wurde: „Mir war das damals sehr unangenehm, weil ich dachte, ich nehme Menschen einen Therapieplatz weg, den sie vielleicht dringender benötigen.” Es führte aber kein Weg daran vorbei – Techt musste ein Jahr einen Alltagstest als Mann machen. Sein Therapeut verschrieb ihm dann das männliche Hormon Testosteron. Damit fing dann der Bartwuchs an und Techt bekam eine dunklere Stimme: „Ich weiß noch wie sehr ich mich über meine ersten Barthaare gefreut habe”, so der 27-Jährige strahlend. Mit der Hormoneinnahme beantragte Techt auch die Namensänderung. Aus Mona wurde Ben Milo.

“Für ihn bin ich erst ein Mann, wenn ich etwas in der Hose haben.“

Die Familie und das Umfeld reagierten unterschiedlich auf diese Verwandlung: „Mein einer Onkel hat mich erst gar nicht wieder erkannt”, berichtet Techt grinsend. Aber auch andere Reaktionen musste er damals erfahren: „Für meinen anderen Onkel bin ich erst ein richtiger Mann, wenn ich etwas in der Hose habe”, erklärt Techt bedrückt. Auch wenn er die Hormone längst genommen hatte, hat er natürlich noch die weiblichen Geschlechtsorgane. Aber auch dieser Schritt stand unlängst auf seiner Agenda. Bereits vor vielen Jahren beantragte der Straelener eine Mastektomie, eine Brustabnahme. Die Krankenkasse lehnte diese Operation jedoch ab. Davon ließ sich Techt aber nicht entmutigen und beantragte zwei Jahre später erneut eine Mastektomie und dieses Mal klappte es. Im Sommer letzten Jahres wurde ihm in einem Düsseldorfer Krankenhaus die Brust abgenommen. Für Techt „das pure Glück. Ich saß schon vier Wochen vorher auf gepackten Taschen und konnte kaum erwarten, dass es losgeht.” Kurze Zeit später erfolgten die Entfernung der Gebärmutter und Eierstöcke. Wieder ein Schritt in Richtung Mann.

Jetzt steht Techt vor dem letzten und größten Schritt: die Entfernung der Scheide und die Bildung eines Penoids. Dafür muss sich der 27-Jährige ein großes Stück Haut einschließlich Nerven und Blutgefäße aus dem Unterarm entfernen lassen, damit daraus ein Peniod gebildet werden kann. Ein Prozess, der sich nicht nur aufwendig anhört, sondern es auch ist: „Es sind fünf verschiedene Schritte, die ich durchlaufen muss. Ich schätze, in einem Jahr werde ich durch sein.”

Seit anderthalb Jahren sind Ben und Melisa ein Paar

Eine Zeit, in der Techt viel Kraft braucht. Diese bekommt er auch von seiner Freundin Melisa. Seit anderthalb Jahren sind die beiden ein Paar. Für die Kamp-Lintforterin stand nie außer Frage, dass sie mit ihm zusammen sein möchte: „Ein Mensch ist doch ein Mensch. Mich hat Bens Geschichte nie gestört”, erklärt die 21-Jährige vehement. Den Kontakt zu ihren Eltern hat die Kamp-Lintforterin zugunsten ihrer Beziehung abgebrochen: „Sie haben Ben beleidigt, ohne ihn überhaupt zu kennen. Wir leben doch im Jahr 2019, da sollte so etwas wirklich keine Rolle mehr spielen.”

Techt sieht das genauso. Er wünscht sich mehr Verständnis: „Manche grüßen mich nicht mehr, seitdem ich wieder bei meinen Eltern wohne – und das nur, weil ich jetzt ein Mann bin.” Für den sympathischen Straelener wird dieses Jahr ein Jahr, in dem er viel Kraft benötigt, aber auch ein Jahr, in dem er seinem Traum, endlich ein richtiger Mann zu sein, den letzten Schritt näherkommt.

 

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