
Zukunft ab sofort, unverzüglich
Klaus Franken zeigt seine „Poems on Linoleum“ ab Samstag in Düsseldorf
KLEVE/DÜSSELDORF. Da liegt sie also – Klaus Frankens neue Mappe: Poems on Linoleum VII. Beim Titel schlägt man in Erinnerungen nach. Drei Worte rufen Geschichte auf den Weltenplan und den des eigenen Erlebens ..
„Zukunft ab sofort – unverzüglich“. Eine Szene entsteht. Da ist dieser Mann, Günter Schabowski, der auf eine Frage antwortet. „Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich.“ Verrückt, dass ein Titel, in dessen Zentrum das Wort „Zukunft“ sich eingenistet hat und jetzt Vergangenheit aufruft. Die Schabowski-Szene ist einer dieser Signature-Momente der Geschichte: Da ist ein Tattoo entstanden: Unausradierbar ist es zum Teil des Restlebens all derer geworden, die diesen Augenblick erlebt haben.
Frankens Kunst treibt irgendwie einen Dorn voran, der sich durch den Schädel ins Hirn vórarbeitet. Frankens Angriffe auf die Denkzentralen bestehen aus dieser Mischung von Wort und Bild, Bild und Wort. Dazu kommt: Die Bilder sind nicht nur Bilder und die Worte nicht nur Worte. Da entsteht immer dieser Mehrwert. „Alles geht den Bach hinunter und der Bach stürzt hinterher.“ Ein Satz wie dieser legt Zeugnis ab von der Atemlosigkeit der Geschichte – vom Schlund des Erlebenmüssens, dem sich niemand entziehen kann.
„Endspiel in 11 ganzen Sätzen“ – der Titel eines der Blätter. Irgendwie entsteht Passgenauigkeit. Da wird ein Finale im „Pechvogel-Stadion“ ausgetragen. „Die Zukunft liegt gleich nebenan auf dem Friedhof“ – der Finalsatz.
Man ist hin- und hergerissen: Da beschreibt einer die Zukunft als Endzeit und streicht alles mit einer manchmal tränentreibenden Poesie, die zwischen Hoffnung und Resignation pendelt: „In meiner Fremde bin ich als Gast zuhause. Den letzten Zug hab ich verpasst und dann kommst du – stehst eine Stunde neben mir und sagst dann diesen einen Satz: Nimm einfach in mir Platz. Da flieh`n die Krähen aus ihren Nestern. Der Bahnhof liegt mit Mal verwaist. Du hängst noch einen Zettel an die Tür: Wir sind verreist.“ Man bleibt stummdenkend und nah am Wasser zurück
Da schafft einer die Besteigung des paradoxen Gipfels und kartografiert die Sprachlosigkeit. Wer Frankens Kunst beschreiben möchte, strandet in der Hilflosigkeit. Die zehn Blätter in der neuen Mappe sind nichts für Oberflächenpolierer. Wer sich auf Frankens Spur begibt, muss eine Tüte Mut dabei haben und vielleicht einen Spaten, um die eigene Seele freizulegen – eine Anleihe bei Martin Walser. Der schreibt in seinen „Liebeserklärungen“: „Ich muss gestehen, ich lese nicht zu meinem Vergnügen. [...] Ein Buch ist für mich eine Art Schaufel, mit der ich mich umgrabe.“ Was bei Franken unaufgemotzt zu Sprache und also in Worte findet, wird zur Litanei: „Wir haben genug von allem. Es wird sogar langsam zu viel.“
Man betrachtet die Blätter und beugt sich ins eigene Leben und stellt fest, dass die Zukunft zur Illusion wird, die sich an der Grenze des Jetzt als schwarzes Loch entpuppt: alles verschlingend. Frankens „Zukunft ab sofort“ ist – es wird jetzt widersprüchlich – bei aller Schwärze der Gedanken ein Stück Überlebenshilfe. Nach jedem Satz, nach jedem Bild, biegt man wieder ab ins eigene Leben. Man nimmt diese Mappe in Besitz und hofft, dass Poems on Linoleum VII nicht Frankens letzte Äußerung ist. „Das wird meine letzte Mappe“, sagte Franken am Beginn der Arbeit an „Zukunft ab sofort“ und man hofft: Das möge eine Aussage auf Bewährung sein. Der Trost: Frankens Welt findet noch immer in Farbe statt: Sie leuchtet – ein bisschen wenigstens. „Was aber wird erst sein, holt die Zukunft uns mal ein. Keine Sorge: Dann ist sie einfach Gegenwart. Und die wird dann sofort Vergangenheit sein.“
Am Ende des Textes die Frage: Hat man all das vielleicht schon gedachtgeschrieben? Besser nicht nachschauen. Das Leben ist Wiederholung – Ausnahme sind die raren Augenblicke, in denen uneingeschränktunbeschreibliche Gegenwart regiert. Da gibt es Augenblicke, die denkfern einfach einsickern. Frankens Texte und Grafiken sind Startrampen für Momente dieser Art. Ab jetzt: Schweigen.
Die Mappe mit 10 handabgezogenen Drucken (Auflage: 25 nummerierte und signierte Exemplare) ist zum Preis von 95 Euro in der Buchhandlung Hintzen in Kleve zu erwerben.
Am Samstag, 20. September, wird Franken seine Mappe in der Buchhandlung BiBaBuZe in Düsseldorf, Aachener Straße 1, ausstellen. Beginn der Vernissage mit Lesung ist um 14 Uhr. Zu sehen sind Frankens Schnitte dann bis Mitte November.
Klaus Franken bei der Arbeit an einem neuen Druck. NN-Foto: HF