
VdK Niederrhein beklagt zunehmende Respektlosigkeit
Der Umgangston sei um einiges rauer geworden / Dietmar Hohmt ist der neue Vorsitzende
Diese unschönen Vorkommnisse seien längst keine Ausnahme mehr. Sie seien Alltag. „Wir mussten auch schon die Polizei rufen“, berichtet Weuster. Unter anderem in der Kreisverbandsgeschäftsstelle in Rheinberg habe bereits die Polizei anrücken müssen. Vorfälle, in denen Ratsuchende (verbale) Grenzen überschreiten würden, gebe es mittlerweile aber sowohl im Kreis Kleve und als auch im Kreis Wesel täglich. „Dabei haben etwa 50 Prozent der Ratsuchenden einen Migrationshintergrund. Die anderen 50 Prozent sind Deutsche, die sich etwa massiv darüber aufregen, dass Flüchtlinge ja viel mehr staatliche Hilfe bekämen als sie, was so ja gar nicht stimmt“, sagt Weuster.
Der VdK Niederrhein sieht jedoch dringenden Handlungsbedarf und möchte die Thematik daher bei der Klausurtagung des Sozialverbands im Mai ansprechen und eine Lösung finden. „Ich muss ja auch meine Mitarbeiter schützen“, betont Weuster. Teilweise seien schon private Adressen und Telefonnummern von Mitarbeitern herausgefunden worden, was zur Belästigung im privaten Raum geführt sei.
Erschwerend hinzu käme außerdem, dass die Rechtsberatungen – mit Ausnahme von Videosprechstunden – immer in persönlichen eins-zu-eins-Gesprächen stattfänden. Das werde jedoch zunehmend gefährlicher. Dies sei auch mit ein Grund, weshalb die offene Sprechstunde nach der Coronavirus-Pandemie nicht wieder eingeführt worden wäre. „Wir machen nicht mehr einfach so die Tür auf. Auch wenn jemand nur Unterlagen abgeben möchte, muss er diese in unseren Briefkasten einwerfen. Er wird mehrmals täglich geleert“, sagt Weuster.
Doch damit sei längst nicht genug getan. Der Umgangston am Telefon sei bisweilen noch rauer und unfreundlicher. „Da scheinen viele sich noch mehr zu trauen, noch unhöflicher und fordernder zu werden“, sagt Weuster. Das Gleiche gelte auch bei E-Mails: „Ich habe auch schon erlebt, dass ich morgens eine E-Mail bekommen habe, die nicht dringend war, mittags kam aber schon die nächste E-Mail, dass ich ja jetzt schon genug Zeit gehabt hätte, mich damit zu beschäftigen und jetzt mal antworten müsste.“
Das ist aber noch längst nicht alles: Der VdK Kreisverband Niederrhein wachse monatlich zwar um knapp 250 Neumitglieder – allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres habe der Kreisverband 700 Neuaufnahmen gehabt –, „aber wir sehen zunehmend, dass der Solidargedanke nicht mehr vorhanden ist. Sobald das Verfahren positiv geendet ist, gibt es auch schon die Kündigung vieler Mitglieder. Das wäre ja noch hinnehmbar. Aber viele kommen nach sechs, sieben oder zehn Monaten wieder zu uns, und wollen, dass wir das nächste Verfahren für sie bestreiten. In dieser Zeit haben sie aber keine Mitgliedsbeiträge bezahlt“, berichtet Weuster. Dabei finanziere sich der Sozialverband VdK ausschließlich über die Mitgliedsbeiträge – zumal die Spenden in den vergangenen Jahren auch stark zurückgegangen seien.
Dabei kann sich der Erfolg des VdK-Kreisverbands Niederrhein sehr gut sehen lassen: Von Januar bis Oktober konnte der Kreisverband 3.623.167 Euro für seine Mitglieder an Nachzahlungen erstreiten. Insgesamt seien es 2024 wohl zwischen 4 und 4,2 Millionen Euro gewesen. „Da unsere Datenbank aktuell aber nur die Monate bis Oktober erfasst, kann ich dies derzeit nicht belegen. Wir haben von Oktober bis Dezember 2024 aber auch noch Verfahren für unsere Mitglieder gewonnen“, sagt Weuster. Das Geld gehe jedoch ausschließlich an die Mitglieder, für die der jeweilige Prozess geführt worden sei, beziehungsweise auch an öffentliche Stellen. Insgesamt schloss der Kreisverband 2024 3514 Verfahren ab. Die Erfolgsquote habe bei 43 Prozent gelegen. Zu den am häufigsten vorkommenden Rechtsgebieten zählte die Schwerbehinderung mit 1055 Fällen, die Erwerbsminderungsrente mit 703 Fällen und die Pflegeversicherung mit 292 Fällen.
Sorge bereitet Svenja Weuster in Hinblick auf die neue Bundesregierung allerdings auch die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Änderungen hinsichtlich der Rechtsgebiete, die aktuell noch zum Verwaltungsgericht gehören, bald jedoch zum Sozialgericht wechseln sollen. Dazu würden unter anderem Bafög-Anträge gehören. „Formal dürften wir diese Fälle dann rechtlich beraten, allerdings können wir das gar nicht. Denn wir kennen uns in diesen Bereichen nicht aus“, sagt Weuster. Gleiches gelte allerdings auch für die Richter am Sozialgericht. Die Juristin hofft deshalb, dass diese geplante Änderung doch noch gekippt wird. Es wäre übrigens das inzwischen dritte Mal.
Personell hat sich an der Spitze des VdK-Kreisverbands Niederrhein auch etwas getan: Horst Vöge hat den Vorsitz nach 16 Jahren aus Altersgründen abgegeben. Neuer Vorsitzender des Kreisverbands ist Dietmar Hohmt aus Kalkar, der zuvor auch schon im Vorstand des VdK Niederrhein aktiv war. Die Fußstapfen, die Vöge hinterlasse, seien allerdings groß. „Ich habe aber sicherlich in vielen Dingen andere Auffassungen als mein Vorgänger und werde bestimmt auch verrückte Ideen einbringen“, sagt der 64-Jährige, „ich werde auch sicherlich nicht alle Probleme lösen können und Fehler machen. Ich werde jedoch meinen eigenen Weg gehen müssen.“ Allerdings gehe das nur im Miteinander.
Hohmt, der wie alle anderen für die nächsten vier Jahre gewählt wurde, stehen die Vizevorsitzenden Stephan Geier (verantwortlich für den Kreis Kleve), Erika Heckmann (Kreis Wesel), Gisela Schiffers (Stadt Duisburg), Kassierer Hans-Jürgen Tembergen (Stellvertreter Michael Kempkes), Schriftführerin Isabel Perez (Stellvertreter Bernd Bosserhoff), Dagmar Berendonk als Vertreterin der Frauen sowie Agnes Arnold, Constanze Busch, Gudrun Hettkamp, Gabriele Gappmeier-Simon, Horst Köberling, Alexander Lazarevic, Achim Marks, Klaus Oesterwind und Michael Wagner (alle Beisitzer) zur Seite. Alle sind ehrenamtlich im VdK aktiv.
Sabrina PetersMitgliederzahlen und Ortsverbände
Der Mitgliederbestand lag am 31. Dezember 2024 bei 32.469 Mitgliedern (Kreis Wesel: 14.169 (44 Prozent), Kreis Kleve: 8.877 (27 Prozent), Stadt Duisburg: 9.423 (29 Prozent)) und der Altersdurchschnitt bei 62,81 Jahren. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 6,50 Euro pro Monat. Derzeit gibt es 50 Ortsverbände (Kreis Wesel: 24, Kreis Kleve: 15, Stadt Duisburg: 11).
Stephan Geier, Geschäftsführerin Svenja Weuster, Erika Heckmann, Gisela Schiffers und der neue Vorsitzende Dietmar Hohmt (v.l.) bilden die Spitze des VdK Niederrhein. NN-Foto: SP