Keiner geht mit leerer Tasche
2004 entstand die Klever Tafel – Trägerverein ist die St. Antonius Bruderschaft.
KLEVE. Vielleicht müsste man ein Buch schreiben, um die Dimension der „Tafel“ begreifbar zu machen. Andererseits: Was du nicht in zwei Minuten erklären kannst ... Vielleicht wird‘s ein Zwischending.
Michael Rübo, Rainer Huybers und Bernhard Sack haben eingeladen: mal über die Klever Tafel reden – so ganz allgemein. Gegründet wurde die Klever Tafel offiziell 2004. Trägerverein ist die St. Antoniusbruderschaft. (Aber davon später.) Briener Straße 6b – so lautet die Adresse, die Klienten der Tafel zweimal wöchentlich ansteuern, weil das Geld, das sie zum Leben haben, eben nicht zum Leben reicht. Rainer Huybers ist Leiter der Tafel. „Zu uns kommen auch Studenten“, sagt er. Die kämen meist gegen Ende des Studiums. „Da reicht dann mitunter das Geld nicht mehr.“ Die Klienten der Tafel: Sozial und auch herkunftsechnisch bunt gemischt. Wer zur Tafel möchte, braucht eine Kundenkarte. Im ersten Schritt wird geprüft, ob es einen „Anspruch“ gibt. Huybers: „Manche zeigen einen Studentenausweis, andere den Rentenbescheid.“ Und auch wenn das jetzt bürokratisch klingen sollte: Ist es nicht.
Rund 50 Ehrenamtliche sorgen für einen organisierten Ablauf an den Ausgabetagen. Aber die Ausgabe ist ja erst der Endpunkt. Michael Rübo, Präses, Mitglied im Vorstand und „Außenminister“: „Wir holen ja auch Waren ab.“ Dafür stehen zwei Sprinter mit Kühlaggregat zur Verfügung, denn „auch wir müssen uns an die Kühlkette halten. Sonst läuft gar nichts.“
Verteilt werden übrigens ausschließlich Waren, die gespendet wurden. „Wir kaufen nichts dazu“, sagt Bernhard Sack. Er ist zuständig für die Finanzen. Rund 250 Haushalte werden allwöchentlich „versorgt“. Rübo: „Das sind aber am Ende weit mehr als 250 Personen. Ich denke, man kann die Zahl 250 mit drei multiplizieren.“ Heraus kommt dann ein Durchschnittswert von 750 Menschen.
Rainer Huybers: „Nicht alle Kunden kommen regelmäßig. Manche sieht man auch wochenlang nicht. Dann sind die plötzlich wieder da.“ Die Kunden, von denen Rübo, Huybers und Sack sprechen, sind übrigens in den seltensten Fällen Obdachlose. „Die überwiegende Mehrheit unserer Kunden haben eine Wohnung.“ Warum so selten Obdachlose bei der Tafel auftauchen? Rübo, Huybers und Sack können es nicht sagen.
Wie sieht es überhaupt mit der Hemmschwelle aus? Auch das ist eine schwierige Frage, denn bei der Tafel tauchen ja nur diejenigen auf, die ihre Hemmschwelle überwunden haben. Das erste Gebot bei allen Mitarbeitern: Freundlichkeit. „Wenn Menschen zu uns kommen, sollen sie sich wohlfühlen“, sagt Rainer Huybers und deutet auf einen Blumenstrauß im Büro. Ein Symbol für die Willkommensatmosphäre.
„Wir freuen uns über sehr viel Unterstützung seitens der Geschäfte, die uns mit Waren versorgen“, sagt Michael Rübo. Versorgen aber heißt in den seltensten Fällen, dass die Waren gebracht werden. Eben dafür werden die Sprinter gebraucht: Transport der Waren zur Briener Straße. Dort verfügt die Klever Tafel über zwei Kühlräume. Das ist elementar – vor allem in der warmen Jahreszeit. Alles, was reinkommt, wird, bevor es an den Ausgabetagen in die Regale wandert, nochmals überprüft.
Wichtig: Der Unterschied zwischen Mindesthaltbarkeitsdatum und Verbrauchsdatum. Rainer Huybers: „Das Mindesthaltbarkeitsdatum sagt ja nicht: Heute ist die Ware noch gut und morgen nicht mehr.“
Viel aus dem Angebot der Tafel ist „Frischware“: Obst, Gemüse. Dazu kommen Brot und – manchmal – auch Plätzchen oder Süßigkeiten. Ein wichtiges Wort: azyklisch. Michael Rübo: „Nach Weihnachten stapeln sich die Schokoweihnachtsmänner – nach Ostern die Osterhasen.“
Das wichtigste Prinzip an den Ausgabetagen: Niemand geht mit leerer Tasche. „Jeder bekommt etwas. Dafür sorgen wir“, sagt Rainer Huybers. Neben den Ausgabetagen werden samstags Kisten gepackt, „die war dann zu denen bringen, die – zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen – nicht zu uns kommen können“.
Was hat es denn mit dem Trägerverein, der St. Antonius Bruderschaft auf sich? Michael Rübo: „Vielleicht kennen sie das Bild vom heiligen Antonius mit dem Schwein. Das Schwein konnte überall im Dorf Reste verzehren und wenn es schließlich geschlachtet wurde, bekamen die Bedürftigen das Fleisch. Antonius war also eigentlich der Begründer der Tafeln.“ Trotz der Tatsache, dass Antonius einen christlichen Hintergrund hat, hält sich die Tafel ihren Kunden gegenüber „neutral“. Rübo: „Für uns, die wir für die Tafel arbeiten, spielt der Hintergrund immer dann eine Rolle, wenn es darum geht, warum wir das machen.“ Zu Weihnachten plant die Tafel übrigens eine besondere Aktion: Für die Obdachlosen, die man sonst (siehe oben) nur selten sieht, werden Rucksäcke mit Nützlichkeiten gepackt. Michael Rübo zählt auf: „Socken, Schal, Hygieneartikel, Konserven und – ja – auch ein Gutschein für eine Schachtel Zigaretten. Es gibt auch Lebensmittel, aber das sind dann eher Konserven. Denn wer keine Wohnung hat, kann mit frischem Gemüse eher wenig anfangen.“ Merke: Die Obdachlosen haben wenig Möglichkeiten Dinge zu kochen. Da sind eher Konserven gefragt.
Während übrigens die Armut auf den Straßen immer sichtbarer wird, „halten sich bei uns die Zahlen der Kunden annähernd auf einem gleichbleibenden Niveau“, sagt Rübo.
Drei Herren von der Tafel: Michael Rübo, Bernhard Sack und Rainer Huybers.NN-Foto: HF