Rüdiger Gollnick stellt sein neues Buch „Dämonenglaube und Hexenprozess im Zeitalter von Renaissance, Humanismus und Reformation“ vor.Foto: J. Kurschatke
12. September 2023 · Kurzmitteilungen

Hexen und Dämonenglaube am linken Niederrhein

Rüdiger Gollnick stellt sein neues Buch über die Inquisition im Kreis Kleve vor

XANTEN. Heutzutage glaubt die Mehrheit der Menschen wohl nicht mehr an dunkle Mächte, Zauberei oder Magie. Anders war das zu Zeiten der Reformation und frühen Neuzeit. Hungersnöte, geopolitische Unruhen und Religionskriege tobten durch Europa und brachten Verunsicherung über die Bevölkerung. Ein Sündenbock musste her: So fielen in Deutschland allein etwa 20.000 bis 30.000 Menschen der Inquisition zum Opfer– auch am Niederrhein. In seinem neuen Buch „Dämonenglaube und Hexenprozess“ gibt Autor Rüdiger Gollnick eine historische Einordnung der Geschehnisse und erläutert, auf welche Art uns das Thema Verfolgung auch heute noch etwas angehen sollte.

Im Fokus steht das Schicksal der Ulant Dammartz; eine Frau die zwischen Liebe, Glaube und Verzweiflung lebte. „Ulant Dammartz war eine junge Dame die in einen schon versprochenen Herrn verliebt war. Was machte man mit unverheirateten Frauen im Mittelalter? Sie kamen ins Kloster.“

Ulant Dammarzt wurde in das Birgittenkloster Marienbaum in Xanten geschickt und man könnte sagen es gefiel ihr dort nicht gut“, beschreibt Rüdiger Gollnick lachend und erläutert: „Das Kloster stand dafür besonders streng und züchtig zu sein. Ulant Dammartz entwickelte schwere Verhaltensauffälligkeiten und tribulierte ihre Ordensschwestern. Der Verdacht der Hexerei stand schließlich im Raum und es wurde ihr vorgeworfen Lebensmittel verzaubert und den Klosteraltar verunstaltet zu haben.“

Das Mädchen kam wieder in ihre Heimat Emmerich zurück, doch auch hier rebellierte sie, was in einer Inhaftierung in einem Dinslakener Kerkerturm resultierte. „Sie litt an einer schweren Depression. Heutzutage werden Menschen mit psychischen Erkrankungen in einer Klinik behandelt, früher wollte man die Öffentlichkeit vor ihnen schützen und hat sie unter schlimmsten Bedingungen inhaftiert“, erklärt Gollnick.

Im Buch des Autors wird der Inquisitionsprozess genau geschildert, so auch die Anforderungen und Kriterien mit denen man damals die Ergebnisse der Prozesses gerechtfertigt hat. „Es ist ein Mythos das nur kluge Frauen oder Hebammen einem Hexenprozess zum Opfer fielen. Oft waren diese Menschen sozial benachteiligt und man neidete ihnen ihr Hab und Gut. Darum wollte man sie loswerden“, wie Gollnick weiter erklärt.

Ulant Dammartz gesteht die Vorwürfe nach längerer Zeit, ein Urteil wird dennoch nie gefällt: „Wir wissen nicht was mit ihr geschehen ist, nur das sich ihre Familie einsetzte sie aus dem Gefängnis zu holen. Damit nehmen wir auch Bezug auf die Verbindung zwischen dem Kreis Kleve und dem damaligen deutschen Reich“, sagt der Autor.

Ulant Dammartz entstammte selbst einer wohlhabenden Familie, welche einen Antrag im Klever Herzogtum stellte. Nun wurde auch der damalige Kaiser auf die Situation aufmerksam gemacht. Ein Drama, welches das ganze Land bewegte.

Vor 40 Jahren beschäftigte sich Rüdiger Gollnick zum ersten Mal mit dem Fall Dammartz, „es lagen viele Jahre und andere Publikationen dazwischen aber ich verspürte den Drang der Geschichte noch einen richtigen Abschluss zu geben“, erklärt Gollnick dazu.

Für ihn ergibt sich aus der Thematik „Hexenprozesse“ ein teilweise offensichtlicher und teilweise versteckter Bezug in die heutige Zeit und ein Motiv, dass in der Menschheitsgeschichte immer wieder auf fruchtbaren Boden stößt. „Sobald es durch äußere Einflüsse zur Verunsicherung der Menschen kommt, suchen sie nach Erklärungen und lassen dabei Hass entstehen der sich gezielt gegen andere Menschen richtet“, beschreibt Gollnick.

Als Beispiele zählt er den Nationalsozialismus auf und jüngst die Corona-Pandemie, „niemand weiß in solchen Situationen wohin mit sich, Man fragt sich vielleicht ‚woher kommt das ganze Leid?‘ und findet Bestätigung in Verschwörungstheorien die ebenfalls wieder marginalisierte Gruppen zum Feindbild machen.“

Sogar heute gäbe es in Afrika, Süd-Ost-Asien und Südamerika noch Hexenprozesse, obwohl die meisten Menschen glaubten sie wären ein Problem vergangener Zeit.

Sein Buch will Rüdiger Gollnick zu Aufklärung nutzen: „Es ist mir ein Anliegen das mehr Menschen über die Geschichte ihrer Kultur bescheid wissen. Das gilt besonders für junge Leute, bei denen ich in vielen Jahren als Lehrer und Dozent Bildungslücken feststellen musste.“

Neben der Biografie der Ulant Dammartz, findet sich auch die Geschichte des Klosters Marienbaum in Gollnicks Werk und weiteres Wissenswertes zum Thema Inquisition am Niederrhein. Das Buch ist ab sofort in allen bekannten Buchhandlungen und auch online verfügbar. Der Preis liegt bei 14,80 Euro.

Jacqueline Kurschatke
Eine Schwester des Birgittenordens- So hätte auch Ulant Dammartz als Schwester ausgesehen.Foto: privat

Eine Schwester des Birgittenordens- So hätte auch Ulant Dammartz als Schwester ausgesehen.Foto: privat

Rüdiger Gollnick stellt sein neues Buch „Dämonenglaube und Hexenprozess im Zeitalter von Renaissance, Humanismus und Reformation“ vor.Foto: J. Kurschatke