Intensive Diskussion führen Sebastian Hense und Andreas Mai am Donnerstagabend. Foto: Stadt Rees
12. Dezember 2025 · Rees

Haushaltssicherung in Rees

Rat stimmt gegen drastische Steuererhöhungen im Haushalt 2026 – Kämmerer Mai: „Was jetzt kommt, ist Chaos mit Ansage“

REES. Es sind zwei Alternativen, die Andreas Mai dem Rat der Stadt Rees am vergangenen Donnerstagabend vorstellt. Es geht um den Reeser Haushalt für das Jahr 2026, und für den Kämmerer steht fest: Es ist die so oft zitierte „Wahl zwischen Pest und Cholera“. Auf der einen Seite: massive Steuererhöhungen. Auf der anderen Seite: Steuererhöherungen in geringerem Umfang, daraus resultierend ein Haushaltssicherungskonzept, das Rees über Jahre hinweg die Selbstständigkeit nehme – und das laut Mai letztlich ebenfalls zu massiven Steuererhöhungen führen werde. Nach langen und intensiven Diskussionen bringt eine geheime Abstimmung das Ergebnis: Rees geht in die Haushaltssicherung, der Kämmerer spricht noch am Donnerstagabend eine Haushaltssperre aus.

Die Verwaltung hatte zuvor eine drastische Erhöhung der Hebesätze vorgeschlagen: 500 für die Grundsteuer A, 1.200 für die Grundsteuer B, 500 für die Gewerbesteuer. „Wir schlagen jetzt natürlich einen Riesenschluck aus der Pulle vor, eine mehr als Verdopplung der Hebesätze – das tut weh“, sagt Andreas Mai. Doch vor eben dieser Entwicklung habe man bereits im vergangenen Jahr gewarnt: „Es ist genau das eingetreten, was wir damals gesagt haben – nämlich dass wir zum Erhalt der Selbstständigkeit Hebesätze um die 1.200 benötigen werden.“

Soziallasten in Deutschland explodieren, Kommunen tragen die Kosten

Gründe für die Erhöhung gibt es viele – „und wir können alles erklären“, betont Mai, „wir bauen ja keine goldenen Schlösser“. Da sind zum einen die Soziallasten, die „in Deutschland explodieren“, wie es Bürgermeister Sebastian Hense formuliert. „Und die Kommunen haben die Hauptlast zu tragen.“ So sei die Kreisumlage in den vergangenen zwei, drei Jahren um das Zehnfache des zuvor üblichen Wertes gestiegen. „In diesem Jahr ist sie schon wieder um zwei Millionen Euro gestiegen. Und der Kreiskämmerer hat mir gesagt, er rechne damit, dass es so weitergehen werde“, berichtet Hense.

Zum anderen gilt auch für die Stadt Rees, was für jeden Haushalt gilt: Alles wird teurer. Energie- und Bezinkosten steigen, ebenso Versicherungen für Gebäude und den städtischen Fuhrpark. Ganz aktuell gibt es für das Haushaltsjahr 2026 den Punkt offene Ganztagsschule. Ab 1. August 2026 gilt für Erstklässler ein Recht auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule. Hier wälzt das Land einen Großteil der Kosten auf die Kommunen ab. „Am Ende muss die Stadt Rees allein für zwei Grundschulen Investitionen von über vier Millionen Euro tätigen“, sagt Mai. „Gut 20 Prozent zahlt noch das Land, auf dem Rest bleibt die Stadt sitzen. Auf den laufenden Kosten sowieso.“ Und schließlich sei Rees keine gewerbesteuerstarke Kommune.

Um zumindest selbstbestimmt zu bleiben, hatte die Verwaltung besagte Steuererhöhungen vorgeschlagen, unterstützt von der CDU (die NN berichteten), und war damit bereits im Haupt- und Finanzausschuss gescheitert. Ein Ergebnis, das der Rat nun bestätigt. „Dabei hat die Verwaltung eindeutig dargelegt, wohin die Reise jetzt geht“, sagt Michael Arts-Meulenkamp, Geschäftsführer der CDU-Fraktion, mit Blick auf das Haushaltssicherungskonzept, das nun kommt. „Als Reeser Bürger freue ich mich, denn ich habe ein Jahr weniger Grundsteuer zu zahlen. Die Freude ist aber sehr isoliert zu betrachten“, erläutert Kämmerer Mai, „weil es zur Folge hat, dass im Anschluss zwangsläufig – sollte sich bei Bund und Land nicht wesentlich etwas ändern – die Steuern im Haushaltssicherungskonzept weiter erhöht werden und letztendlich noch höher sein werden, als wir es jetzt schon vorschlagen.“ Einer ersten Prognose nach wird auch im HSK die Marke von 1.200 bei der Grundsteuer B im Jahr 2029 erreicht, bis zum Ende des Zehn-Jahres-Zeitraums könnte sie bei 2.250 liegen.

Grundsteuer B steigt in Rees auf 743 im Jahr 2026

Für 2026 hat der Rat nun eine Erhöhung der Hebesätze auf 361 (A), 743 (B) und 451 (Gewerbe) beschlossen – Hebesätze, die laut Landeserlass für ein HSK mindestens angewendet werden müssen. Das bedeutet ein Defizit von 6,7 Millionen Euro für 2026. Das Problem: Die Rücklagen sind aufgebraucht, „unser Sparschwein ist leer“, sagt Mai.

Und so werde es bei den am Donnerstag beschlossenen Erhöhungen nicht bleiben, betont Bürgermeister Hense: „Es wird zur Folge haben, dass wir die Steuern nicht direkt so weit erhöhen, aber spätestens nach etwa drei Jahren sind wir an der gleichen Stelle. Der parallele Effekt ist, dass wir sofort beginnen, im HSK massiv Schulden aufzubauen und dann zu diesen Schulden immer weiter Zinsen und Zinseszinsen zahlen werden – und die Gesamtbelastung für die Bürger schon in der mittelfristigen Finanzplanung höher ist, als wenn wir diesen etwas schmerzhafteren Schritt jetzt am Anfang gegangen wären.“

Auf eine weitere Auswirkung weist Arts-Meulenkamp hin: „Alle freiwilligen Leistungen kommen jetzt direkt auf den Prüfstand.“ Mögliche Auswirkungen: Gebühren für Sporthallen- und Hallenbadnutzung, Gebühren für Schützenvereine, gestrichene Veranstaltungen wie die Feierabendmärkte. „Es sind Auswirkungen, die die Bürger direkt spüren werden“, sagt Arts-Meulenkamp.

SPD Rees sieht HSK als „Auftrag zu sparen und als Zeichen an Bund und Land“

Peter Friedmann, Fraktionsvorsitzender der SPD, ist zunächst einmal zufrieden, „dass wir die Hebesätze bürgerfreundlich gestalten konnten“. Das HSK bereite ihm und seiner Partei zwar ebenfalls Kopfschmerzen, „aber wir müssen auch mal anfangen zu sparen. Das gilt für viele Dinge“, etwa Gutachten oder das Ausrichten eines Hansafestes. Man könne die Belastung nicht nur einseitig auf den Bürger abwälzen. Das HSK sehe er als Auftrag zu sparen, gleichzeitig aber auch als Zeichen an Bund und Land, „dass wir dringend Hilfe benötigen und dass gemäß des Konnexitätsprinzips für einen finanziellen Ausgleich gesorgt werden muss“. Man müsse „Druck von unten nach oben“ machen und mit dem HSK Bund und Land signalisieren: „Es geht so nicht mehr weiter.“ Wenn der Haushalt für 2026 vorliegt, wenn man darüber intensiv beraten „und schauen, wo noch Spielräume zu finden sind“.

Für Michael Arts-Meulenkamp bleibt eine Resthoffnung, das HSK zu verhindern: „Bis zum 30. Juni könnte man noch nachsteuern, und die Grünen sind eigentlich gar nicht so weit weg von unserer Position. Ihnen fehlte nur der Haushaltsentwurf, deshalb haben sie sich schwer getan.“ Wenn dieser vorliegt und nach weiteren Beratungen werde man sehen, „ob sie diesen großen Schritt doch mitgehen“.

Wie geht es nun weiter? „Wir fangen sofort an, Liquiditätskredite aufzunehmen“, sagt Bürgermeister Hense. „Die kosten, und das zahlt dann die nachfolgende Generation.“ In den ersten Monaten des neuen Jahres befindet sich Rees in einer vorläufigen Haushaltsführung. „Bis wir ein Haushaltssicherungskonzept aufgestellt haben und der Kreis Kleve als Aufsichtsbehörde es genehmigt hat, werden Monate vergehen“, sagt Hense. „Das bindet uns für die nächsten Jahre.“

Kämmerer Andreas Mai jedenfalls befürchtet: „Was jetzt kommen wird, ist Chaos mit Ansage – und es wird am Ende noch teurer.“

Intensive Diskussion führen Sebastian Hense und Andreas Mai am Donnerstagabend. Foto: Stadt Rees