Mehr als 50 Schüler stimmen in der Ratssitzung im Bürgerforum für eine „Lounge der Vielfalt“ NN-Foto: J. Kurschatke
11. April 2025 · Geldern

Gelderner Schüler in der Rolle von Kommunalpolitikern

10.000 Euro Budget für die Realisation einer „Lounge der Vielfalt“ beschlossen

GELDERN. 10.000 Euro Budget und drei Tage, um zu überlegen, was mit diesem Geld geschehen soll: Diese Aufgabe hatten mehr als 100 Schüler in der vergangenen Woche. Unter dem Projekttitel „CityUpgrade“ schlüpften sie in die Rolle der Kommunalpolitiker im Stadtrat Geldern und erhielten die Chance, ihre eigenen Anträge zur Optimierung des Stadtgeschehens durchzubringen. Am Donnerstag folgte dann die offizielle Abstimmung in einer Ratssitzung mit Bürgermeister Sven Kaiser.

Es war eine ereignisreiche Woche im Bürgerforum. Beteiligt waren Schüler im Alter zwischen 13 und 17 Jahren von der Liebfrauenschule, dem Friedrich-Spee-Gymnasium, der Realschule an der Fleuth sowie des Lise-Meitner-Gymnasiums und der Gesamtschule Geldern. Am Dienstag starteten sie mit ihrem fiktiven Planspiel, dessen Ergebnisse aber realer denn je umgesetzt werden sollten. Schon in den vergangenen Jahren gab es das Projekt unter dem Namen „Pimp your Town“. 2025 steht den Schülern aber erstmals ein Budget von 10.000 Euro zur Verfügung. Der erste Tag stand ganz im Zeichen des Brainstormings – Ideen sammeln und konkretisieren. In Gesprächen mit den echten Kommunalpolitikern konnte dann auch schon aussortiert werden, was eher nicht so gut umsetzbar ist. Die Grünen-Politikerin Claudia Molderings beschreibt das so: „Die Schüler waren sehr verständnisvoll, wenn hinter manchen Ideen doch mehr Aufwand steckte, als sie dachten. Die Stadt kann zum Beispiel Räumlichkeiten für einen neuen Kiosk zur Verfügung stellen, es braucht aber trotzdem einen Pächter, der ihn dann betreibt.“ Das Projekt in seiner neuen Form finde sie sehr gut: „Vorher konnten die Schüler zwar ihre Wünsche äußern und diese wurden auch im Rat besprochen, vieles war aber nicht real umsetzbar und zu abstrakt für uns. Jetzt gibt es ein echtes Budget und die Schüler können selbst über dieses entscheiden. Dazu gehört auch, ihre Ideen realistisch zu gestalten.“ 10.000 Euro reichten bei vielen Stadt-Themen zwar eher für eine Starthilfe aus, mit verschiedenen weiteren Fördermöglichkeiten könnten weitere Kosten allerdings aufgefangen werden, betont Molderings. „Ich hoffe, dass mit diesem Projekt das politische Interesse noch mal steigt und bin sehr beeindruckt von der Kreativität der Schüler.“

Die Themenvorschläge für Anträge konnten am zweiten Tag dann mit Bildern veranschaulicht werden. Außerdem überlegten die Schüler sich Argumente für und gegen ihren Antrag, um auf eine Diskussionsrunde bei der Ratssitzung vorbereitet zu sein. Jede Gruppe hatte schließlich den Ansporn ihr Projekt zu verteidigen. Bei der Ratssitzung traten sie als Fraktionen auf und führten ihre Ideen vor. So kamen am Schluss acht Anträge zusammen, durch deren Abstimmung der Bürgermeister führte.

Die erste Fraktion „City Changer“ warb für Unterstellplätze an der Skateanlage am Bollwerk. Diese sollten als Schutz vor Wind und Regen dienen, außerdem Sitzmöglichkeiten beinhalten und im Sinne des Umweltaspektes mit Pflanzen begrünt werden. In der Ratssitzung gab es dann die ersten Fragen. Thema wurden hierbei obdachlose Menschen, die sich den Unterschlupf mit Sitzmöglichkeiten für die nächtliche Ruhe zunutze machen könnten. Die Antwort der Schüler: „Man könnte die Bänke extra so gestalten, dass man sich nicht darauf hinlegen kann.“ Das überzeugte die anderen Jugendlichen nicht. Antrag abgelehnt.

Während die Debatte um eine Aufwertung des Fußballplatzes ( Fraktion „Die Ballers“) am Bollwerk auch schnell beendet und abgelehnt war, forderte die Fraktion „Nette Toilette“ mehr öffentliche WC‘s. Das Besondere: Für Frauen sollte es dort gratis Periodenprodukte geben, da diese immer teurer würden. Bedenken: „Wie könnt ihr garantieren, dass die Periodenprodukte nicht gestohlen werden, um sie mit nach Hause zu nehmen?“, äußerte einer der Schüler. Das Argument, dass man solche Vorfälle nicht verhindern könne, man aber trotzdem für genügend Nachschub sorgen würde, überzeugte hier nicht. Auch die Frage nach den Kosten für die Gratis-Produkte stellte dem Antrag ein Bein.

Unter dem Motto „Lernen wie in Oxford“ stellte die Gruppe „ZdW“ ihren Antrag zu einem modernen Lernort für Schüler vor. So berichtete die Antragsstellerin von Studien zu besseren Noten durch das zusammen Lernen, mit Snack-Automat für Nervennahrung am Lernort und kostenfreien Schulbüchern zur Nutzung. Es gab trotzdem zu viele Zweifel. Das Thema „Feste für Jugendliche“ zur Erweiterung von partyangeboten für Minderjährige, traf wegen Bedenken des Jugendschutzes durch Alkohol oder Drogen auf Ablehnung. Zuletzt wurde der Vorschlag zu mehr begrünten Bushaltestellen in der Stadt abgelehnt.

Als die beiden Gewinner der ersten Abstimmungsrunde konnten schließlich der Antrag auf Wasserspender an öffentlichen Sportplätzen und die „Lounge der Vielfalt“ gewertet werden. Die Wasserspender überzeugten mit ihrem Nutzwert: Frisches, kühles Trinkwasser für junge Sportler. Auch der Bürgermeister gab der Umsetzung zur Idee schon mal „hellgrünes Licht“. Die Lounge der Vielfalt steht für das gesellschaftliche Miteinander in der Stadt. Demnach sollen die Heilig-Geist-Gasse oder die Issumer Straße mit einer Lounge aus gemütlichen Sitzbänken ausgestattet werden. Diese sollen im Kreis um ein Gemälde herum aufgebaut werden, das nicht nur eine Weltkugel zeigt, sondern auch alle Landesflaggen der in Geldern lebenden Nationalitäten. Dazu sollen Sitzkissen im Sommer für extra Bequemlichkeit sorgen und ein Snackautomat mit Süßigkeiten aus dem Weltladen für eine kleine Stärkung. Ebenfalls soll es an diesem Ort der Begegnung freies Wlan geben.

Die zweite Abstimmungsrunde, die Priorisierung, stellte abschließend den finalen Gewinner der 10.000 Euro heraus. Auch hier konnte sich die Idee zur Lounge der Vielfalt mit den meisten Stimmen bei den Schülern durchsetzen. Aus den interessierten Jugendlichen bildet sich nun eine Projektgruppe, die sich ab Mai mit der Umsetzung des Projekts befasst. Dafür steht ihr das Geld zur Verfügung. Begleitet werden sie in der Umsetzung von Experten der Verwaltung.

Bei den Schülern war der Jubel groß und auch die Erwachsenen zeigten sich beeindruckt. So betonte Markus Grönheim aus dem Bereich Jugend und Familie: „Ich bin zufrieden mit der Denktiefe, die wir bei den Schülern erreicht haben. Sie haben kritisch hinterfragt und waren sehr gut vorbereitet. Genau so funktionieren Ratssitzungen. Wir hatten so viele Wortbeiträge wie noch nie. Ich bin sehr beeindruckt.“

Schülerskizze der „Lounge der Vielfalt“ Foto: privat

Schülerskizze der „Lounge der Vielfalt“ Foto: privat

Mehr als 50 Schüler stimmen in der Ratssitzung im Bürgerforum für eine „Lounge der Vielfalt“ NN-Foto: J. Kurschatke